Zeichnung von 3. Mauder
„Nischt zu machen, Frollein Garbo, mit Einbruch und so —
ich wollte man bloß um ein Autogramm gebeten haben!"
Fipfi
im Äerbst. Tante Fipsi brauchte elf nasse Servietten, um alle die
Stullen über Nacht auszufrischen.
Mitten in der Nacht klopfte Fipsi an mein Schlafzimmer und
bat mich um ein Nachthemd. Sie hätte es nicht übers Lerz ge-
bracht, mich vorher zu wecken. Sie hatte nämlich, wie sich heraus-
stellte, ihren Wäschekoffer in der Bahn mit dem Musterkoffer eines
Schuhreisenden vertauscht. Nichtsdestotrotz aber war sie entschlossen,
morgen früh zu fahren.
Am fünf schlich ich mich an ihre Türe, weil ich glaubte, ein Ge-
räusch gehört zu haben. Vorsichtig klinkte ich aus.
„Komm nur rein, mein Junge!" sagte Tante Fipsi. „Ich habe
vor Aufregung die ganze Nacht kein Auge zugetan."
Sie saß angekleidet und mit dem Kapotthut aus dem Kops am
Bettrand.
„Ich bin schon reisefertig, aber mir ist eingefallen: ich kann
heute noch nicht fahren. Ich muß erst nach Lause telegraphieren,
wie es Schnucki geht. Ich mache mir die größten Vorwürfe, daß ich
Schnucki allein gelassen habe. Er grämt sich sicherlich zu Tode."
„Wer ist Schnucki, Tante?"
„Schnucki ist das beste, verständnisvollste, treueste Wesen auf
der Welt. Wie wird er meine Pflege entbehren!"
„Du bist doch unverheiratet, Tante Fipsi?"
Fipsi sah mich böse an.
„Schnucki ist mein Goldfisch."
Am 8 Ahr ging Tante Fipsi aufs Telegraphenamt, um wegen
Schnucki zu telegraphieren.
„Die Antwort kann doch um 2 schon dasein?" meinte sie. „Dann
fahre ich mit dem 6-Ahr-Zug." Aber die Antwort kam nicht.
Tante Fipsi blieb zum Kaffee, zu dem ich einige Freunde mit
ihren Frauen eingeladen hatte. Meine Tante machte sich sehr be-
liebt. Sie krähte mit fröhlicher Stimme Chansons, die so alt waren,
116
daß sie kein Mensch mehr kannte. Dann animierte sie die Gesellschaft
zu einem Kartenspiel, bei dem sie die Bank hielt. Am sieben Ahr
hatte sie bereits 40 Mark gewonnen, und meine Bekannten verab-
schiedeten sich frostig.
Am nächsten Morgen schlief Fipsi bis 11. Ich konnte es ihr
nach all den Aufregungen nicht verdenken.
Am Nachmittag war die Revanche-Kartenpartie, und das Tele-
gramm kam wieder nicht. Aber spät abends fiel Fipsi ein, daß sie
aus Versehen statt an Tante Malchen an den Goldfisch selbst
adressiert hatte, und so bestand ja wohl nur geringe Aussicht auf
Antwort.
Tante Fipsi hat sich bei mir eingelebt. Sie ist jetzt drei Monate
da. Als sie kam, war es April, jetzt schreiben wir Ende Juni. Von
Italien ist verhältnismäßig wenig die Rede. Ich bin von Natur
gutmütig und suche im Leben jeder Auseinandersetzung möglichst
aus dem Wege zu gehen. Ich bin auch glücklich, daß es ihr bei mir
so gut gefüllt.
Nur eins verstehe ich nicht ganz an ihr:
Ich fand neulich zufällig ihren Reisepaß. Er lag sogar aufge-
schlagen da — hineingeschaut hätte ich um die Welt nicht. And
darin stand: Othmar Köckel, Damenimitator. And außerdem war
er schon vor zehn Jahren abgelaufen.
Anzüglich
„Neulich hatte ich in der Badeanstalt einen furchtbaren Auftritt!
Ich kannte mich nicht mehr!" — „Das war wohl nach dem Baden?"
Vermutung
„In der Versammlung nannte der Bürgermeister mich einen
Idioten! Der hat mich kennen gelernt!" — „And dann sagte er das?"
„Nischt zu machen, Frollein Garbo, mit Einbruch und so —
ich wollte man bloß um ein Autogramm gebeten haben!"
Fipfi
im Äerbst. Tante Fipsi brauchte elf nasse Servietten, um alle die
Stullen über Nacht auszufrischen.
Mitten in der Nacht klopfte Fipsi an mein Schlafzimmer und
bat mich um ein Nachthemd. Sie hätte es nicht übers Lerz ge-
bracht, mich vorher zu wecken. Sie hatte nämlich, wie sich heraus-
stellte, ihren Wäschekoffer in der Bahn mit dem Musterkoffer eines
Schuhreisenden vertauscht. Nichtsdestotrotz aber war sie entschlossen,
morgen früh zu fahren.
Am fünf schlich ich mich an ihre Türe, weil ich glaubte, ein Ge-
räusch gehört zu haben. Vorsichtig klinkte ich aus.
„Komm nur rein, mein Junge!" sagte Tante Fipsi. „Ich habe
vor Aufregung die ganze Nacht kein Auge zugetan."
Sie saß angekleidet und mit dem Kapotthut aus dem Kops am
Bettrand.
„Ich bin schon reisefertig, aber mir ist eingefallen: ich kann
heute noch nicht fahren. Ich muß erst nach Lause telegraphieren,
wie es Schnucki geht. Ich mache mir die größten Vorwürfe, daß ich
Schnucki allein gelassen habe. Er grämt sich sicherlich zu Tode."
„Wer ist Schnucki, Tante?"
„Schnucki ist das beste, verständnisvollste, treueste Wesen auf
der Welt. Wie wird er meine Pflege entbehren!"
„Du bist doch unverheiratet, Tante Fipsi?"
Fipsi sah mich böse an.
„Schnucki ist mein Goldfisch."
Am 8 Ahr ging Tante Fipsi aufs Telegraphenamt, um wegen
Schnucki zu telegraphieren.
„Die Antwort kann doch um 2 schon dasein?" meinte sie. „Dann
fahre ich mit dem 6-Ahr-Zug." Aber die Antwort kam nicht.
Tante Fipsi blieb zum Kaffee, zu dem ich einige Freunde mit
ihren Frauen eingeladen hatte. Meine Tante machte sich sehr be-
liebt. Sie krähte mit fröhlicher Stimme Chansons, die so alt waren,
116
daß sie kein Mensch mehr kannte. Dann animierte sie die Gesellschaft
zu einem Kartenspiel, bei dem sie die Bank hielt. Am sieben Ahr
hatte sie bereits 40 Mark gewonnen, und meine Bekannten verab-
schiedeten sich frostig.
Am nächsten Morgen schlief Fipsi bis 11. Ich konnte es ihr
nach all den Aufregungen nicht verdenken.
Am Nachmittag war die Revanche-Kartenpartie, und das Tele-
gramm kam wieder nicht. Aber spät abends fiel Fipsi ein, daß sie
aus Versehen statt an Tante Malchen an den Goldfisch selbst
adressiert hatte, und so bestand ja wohl nur geringe Aussicht auf
Antwort.
Tante Fipsi hat sich bei mir eingelebt. Sie ist jetzt drei Monate
da. Als sie kam, war es April, jetzt schreiben wir Ende Juni. Von
Italien ist verhältnismäßig wenig die Rede. Ich bin von Natur
gutmütig und suche im Leben jeder Auseinandersetzung möglichst
aus dem Wege zu gehen. Ich bin auch glücklich, daß es ihr bei mir
so gut gefüllt.
Nur eins verstehe ich nicht ganz an ihr:
Ich fand neulich zufällig ihren Reisepaß. Er lag sogar aufge-
schlagen da — hineingeschaut hätte ich um die Welt nicht. And
darin stand: Othmar Köckel, Damenimitator. And außerdem war
er schon vor zehn Jahren abgelaufen.
Anzüglich
„Neulich hatte ich in der Badeanstalt einen furchtbaren Auftritt!
Ich kannte mich nicht mehr!" — „Das war wohl nach dem Baden?"
Vermutung
„In der Versammlung nannte der Bürgermeister mich einen
Idioten! Der hat mich kennen gelernt!" — „And dann sagte er das?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nischt zu machen, Frollein Garbo, mit Einbruch und so - ich wollte mal nur um ein Autogramm gebeten haben!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4595, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg