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Die Macht der Schauspielkunst

Von Peter Robinson

Drei alte, ausgediente Schauspieler saßen beisammen. Selbst-
verständlich sprachen sie davon, wie sehr heutzutage das Theater
heruntergekommen, und wie miserabel, ja hundsmiserabel es um die
dramatische Kunst bestellt sei. And dann erzählten sie von den eigenen
Leistungen in den Tagen der Vollkraft und des Glanzes und den
wunderbaren Erfolgen vor einem hingerissenen, widerstandslos in den
Bann echtester Darstellung gezwungenen Publikum. O, wie herrlich
war das, eine begeisterte Menge erst ehrfürchtig schweigen und dann
am Ende in ungeheuren Jubel ausbrechen zu sehen beziehungsweise
zu hören! Ja, das hatten sie alle drei oft erlebt.

„Aber der schönste Triumph," sagte danach der erste, „ist es doch,
wenn man in einem Menschen unter der großen Menge eine besondere
Erschütterung bewirkt, wenn er, durch zufällige
Amstände zu einer Person, wie man sie da
oben aus der Bühne darstellt, in eine eigene
Beziehung gesetzt, nach und nach, von der
Macht der Darstellung überwältigt, den Schein
vergißt und das Spiel als bare, ihm allein
geltende Wirklichkeit nimmt. Da habe ich ein-
mal etwas bei einem Gastspiel in Erfurt er-
lebt. Aber nein — es kann auch in Magde-
burg gewesen sein. Oder in Lalle oder Kiel
oder anderswo — darauf kommt es ja nicht
an. Ich hatte in Björnsons „Fallissement"
den Advokaten Berent gespielt, mit dem ge-
wöhnlichen, mir damals stets treuen Erfolge.

Als ich das Theater verlasse, erwartet mich
ein aufgeregter Äerr und bittet mich, in eine
schon bereit stehende Equipage — Autos waren
damals noch selten, die Equipage war vornehmer
— zu steigen und ihn zu begleiten. Dringend
bittet er, beschwörend. Gut, ich folge und be-
finde mich eine Viertelstunde später in einer
glänzenden Villa, in einem prächtig einge-
richteten Lerrenzimmer. Der Mann mit der
Equipage ist der Lausherr. Er stellt sich mir
jetzt als ein bekannter Bankier der Stadt vor.

„Sie haben mich erschüttert," sagt er. „Wie
Sie vorhin dem Großhändler Tjälde Ihren
ehrlichen Rat erteilten, wie Sie ihn überzeug-
ten, daß er die Folgen seiner wilden Speku-
lationen auf sich nehmen und sie wiedergut-
machen müsse-o, das ging niemanden

so viel an wie mich! Sehen Sie: dort steht
ein Koffer bereit. Leute nacht wollte ich ab-
reisen. Ich bin in ähnlicher Lage wie Tjälde.

322

Die Guthaben meiner Kunden sind verspekuliert, die Effektendepots
heimlich veräußert. Aber niemand ahnt etwas. Lunderttausend
Mark habe ich noch bei mir; morgen kann ich über der Grenze und
dann bald in Sicherheit sein, denn ich habe schon längst für eine nicht
zu ermittelnde Zufluchtsstätte gesorgt. Was soll ich nun tun? Raten
Sie mir, raten Sie mir als jener ausgezeichnete Advokat Berent!"

-Ja, meine Freunde, was habe ich da getan? Ich habe noch

einmal die Worte meiner großen Szene mit Tjälde gesprochen. Der
Bankier weinte, fiel mir um den Lals und packte seinen Koffer wie-
der aus. Allerdings gelang es ihm dann doch nicht wie dem Groß-
händler Tjälde, später seine Gläubiger zu befriedigen, denn drei
Tage später wurde er verhaftet und bekam drei Jahre
Zuchthaus."

„Ihm ist recht geschehen," sagte der zweite alte Schauspieler; „die
Gewalt der Schauspielkunst hat den Verbrecher der verdienten Strafe zu-
geführt. Aber mir ist einmal etwas geschehen,
was mich dann mein weiteres Leben lang hat be-
dauernlassen, daß ich ein hervorragender Schau-
spieler gewesen bin. Die Macht meiner Dar-
stellung kehrte sich gegen mich selbst durch eine
Glanzleistung, für die ich mich noch heute
prügeln möchte. Ich hatte damals ein vor-
zügliches Engagement in einer angenehmen
Stadt, deren bewunderter Liebling ich war.
Eine junge, sehr wohlhabende Witwe schenkte
mir ihre Zuneigung; wir verlobten uns —
allerdings heimlich — und in einigen Monaten
sollte die Lochzeit sein. Da mußte ich den
Clavigo spielen. O, hätte ich es doch nicht ge-
tan! Aber ich tat es und riß hin; einen Clavigo
habe ich hingelegt, der sich gewaschen hatte.
Das war mein Anglück. Am Tage danach be-
kam ich von meiner Braut — zum Verhäng-
nis gehörte es auch, daß sie Marie hieß —
einen Absagebrief. Meine Leistung als Clavigo,
schrieb sie, wäre überhaupt nicht zu übertreffen
gewesen. Aber gerade das zwinge sie, die
Verlobung zu lösen. Dieser Clavigo, der die
unglückliche Marie zu Tode quälte, wäre so
echt dargestellt gewesen, daß unmöglich allein
die Begabung des Schauspielers das hätte
vollbringen können, sondern jedenfalls auch

angeborene Natur mitgewirkt hätte-ich

wäre eben selber ein Clavigo, vor dem sie sich
hüten müßte. Das war ein Schlag! Aus war
es mit der Partie, die mir ein Leben in Glanz
und Wohlstand verbürgt hätte. O, hätte ich
nur das eine Mal gepatzt und saumäßig ge-
spielt!" (Fortsetzung Sette 324)

Kochkunst „Paß nur auf, daß
die Lampe nicht raucht, sonst rieche
ich wieder nicht, wenn das Effen
anbrennt."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Kochkunst"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4608, S. 322

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