o
Am Ende und am Anfang
Kleine Beschichten vom Jahreswechsel. Von Gedanensis.
Erfüllung
Säuerling hat ein Laus, das ihm manche Sorgen bereitet. Die
größte dieser Sorgen ist der Laden im Erdgeschoß, denn seitdem der
Zigarrenhändler Ackermärker darin pleite gegangen ist, hat sich noch
kein neuer Mieter gefunden. And das ist nun schon fünfzehn Mo-
nate her. Lerrschaften — welch ein Mietsverlust!
Am vorigen Jahresende, als der Laden erst drei Monate leer
gestanden hatte, war die Sorge schon groß, und deshalb hatte Säuer-
ling eine mit der Enthüllung der Zukunft gegen Entgelt sich befassende
Person — um solchem Treiben nicht Vorschub zu leisten, soll Näheres
hier nicht angegeben werden — angelegentlich befragt, ob er wohl
im Laufe des nächsten Jahres den Laden vermieten werde. Jawohl,
hatte die Person gesagt; ganz bestimmt werde das im kommenden
Jahre geschehen.
Aber das erste Quartal des Jahres war vergangen, und der
Laden war leer geblieben. And weiter reihte sich Monat an Monat;
kein unternehmungslustiger Geschäftsmann stellte sich ein, und Säuer-
ling ärgerte sich über die Ausgabe für die Prophezeiung und ver-
fluchte jene Person, die prophezeit hatte.
Aber da — gegen Ende des Dezember kommt ein Mann an,
der es sehr eilig hat. „Den Laden möchte ich mieten, Lerr Säuer-
ling. Aber sofort!"
Säuerling staunt in Freude. Sollte es doch mit der Prophe-
zeiung stimmen? Von dem Jahre ist freilich nicht mehr viel da, aber
immerhin — ganz ist es noch nicht herum. O, und vielleicht wird
das ein ersprießliches'
und lange, lange sich
ausdehnendes Miets-
verhältnis I
„Was für ein Ge-
schäft wollen Sie in
dem Laden betreiben?"
fragt Säuerling.
„Ach, ich brauche ihn
bloß auf drei Tage-
ich will Neujahrskarten
drin verkaufen."
Rumpel trägt ein paar Karten in der Land. „Damit ich nicht
vergesse, sie in den Kasten zu werfen — - sind noch für Neujahr!"
Man nähert sich einem Briefkasten. Plappe deutet daraus: „Da
ist ja einer!" Aber Rumpel schüttelt den Kopf. „Nee!" sagt er und
geht vorüber, ohne sich von seinen Karten befreit zu haben.
Man kommt an einen zweiten Briefkasten. Wieder macht Plappe
darauf aufmerksam, aber wiederum verzichtet Rumpel darauf, dieses
Gerät des Postdienstes in Anspruch zu nehmen.
Endlich ein dritter Kasten. Rumpel geht auf ihn zu, liest die
Aufschrift, nickt befriedigt und läßt seine Karten verschwinden. „So —
erledigt!"
Plappe ist neugierig, das kann man ihm nicht verdenken. „Nu
sagen Sie bloß: haben Ihnen die beiden andern Briefkasten nicht
gefallen?"
Rumpel grinst. „Nee, die paßten mir nicht. Die gehören noch
zu meinem Bezirk, da wäre ja der Stempel von meinem Postamt
aus die Karten gekommen."
Zartes Schuldgefühl
Gompert tritt am Neujahrsmorgen auf die Straße. Ja, wer
wird ihm nun zuerst begegnen? O, daß es doch ein junges
Mädchen wäre! Das würde ein glückliches Jahr für ihn bedeuten.
Da kommt die Nachbarin Schraube aus ihrer Tür. Die Nach-
barin Schraube ist kein junges Mädchen und auch keine junge
Frau; sie ist ein altes
Verdächtig
Plappe holtRumpel
am Silvestertage zu ei-
nem Nachmittagsspa-
ziergange ab: etwas
frische Luft zu schöpfen,
dürfte vor der alkoho-
lischen Nacht ganz rat-
sam sein.
402
Dienst am Skisäugling
Weib von gräßlichem
Aeußeren.
O weh, welch ein
Anheil I Gompert schnei-
det unwillkürlich eine
Grimasse, während er
guten Morgen sagt.
Das fällt der Nach-
barin Schraube auf.
And jetzt zeigt sich,
daß es mit ihrem
Inneren unvergleichlich
besser bestellt ist. „La-
ben Sie heute schon je-
mand getroffen, Lerr
Gompert ?" erkundigt sie
sich.
„Nee, Sie sind der
erste Mensch, der mir
begegnet."
„O, das tut mir aber
leid. Bitte, entschuldi-
gen Sie!"
(Fortsetzung Sette 414)
Am Ende und am Anfang
Kleine Beschichten vom Jahreswechsel. Von Gedanensis.
Erfüllung
Säuerling hat ein Laus, das ihm manche Sorgen bereitet. Die
größte dieser Sorgen ist der Laden im Erdgeschoß, denn seitdem der
Zigarrenhändler Ackermärker darin pleite gegangen ist, hat sich noch
kein neuer Mieter gefunden. And das ist nun schon fünfzehn Mo-
nate her. Lerrschaften — welch ein Mietsverlust!
Am vorigen Jahresende, als der Laden erst drei Monate leer
gestanden hatte, war die Sorge schon groß, und deshalb hatte Säuer-
ling eine mit der Enthüllung der Zukunft gegen Entgelt sich befassende
Person — um solchem Treiben nicht Vorschub zu leisten, soll Näheres
hier nicht angegeben werden — angelegentlich befragt, ob er wohl
im Laufe des nächsten Jahres den Laden vermieten werde. Jawohl,
hatte die Person gesagt; ganz bestimmt werde das im kommenden
Jahre geschehen.
Aber das erste Quartal des Jahres war vergangen, und der
Laden war leer geblieben. And weiter reihte sich Monat an Monat;
kein unternehmungslustiger Geschäftsmann stellte sich ein, und Säuer-
ling ärgerte sich über die Ausgabe für die Prophezeiung und ver-
fluchte jene Person, die prophezeit hatte.
Aber da — gegen Ende des Dezember kommt ein Mann an,
der es sehr eilig hat. „Den Laden möchte ich mieten, Lerr Säuer-
ling. Aber sofort!"
Säuerling staunt in Freude. Sollte es doch mit der Prophe-
zeiung stimmen? Von dem Jahre ist freilich nicht mehr viel da, aber
immerhin — ganz ist es noch nicht herum. O, und vielleicht wird
das ein ersprießliches'
und lange, lange sich
ausdehnendes Miets-
verhältnis I
„Was für ein Ge-
schäft wollen Sie in
dem Laden betreiben?"
fragt Säuerling.
„Ach, ich brauche ihn
bloß auf drei Tage-
ich will Neujahrskarten
drin verkaufen."
Rumpel trägt ein paar Karten in der Land. „Damit ich nicht
vergesse, sie in den Kasten zu werfen — - sind noch für Neujahr!"
Man nähert sich einem Briefkasten. Plappe deutet daraus: „Da
ist ja einer!" Aber Rumpel schüttelt den Kopf. „Nee!" sagt er und
geht vorüber, ohne sich von seinen Karten befreit zu haben.
Man kommt an einen zweiten Briefkasten. Wieder macht Plappe
darauf aufmerksam, aber wiederum verzichtet Rumpel darauf, dieses
Gerät des Postdienstes in Anspruch zu nehmen.
Endlich ein dritter Kasten. Rumpel geht auf ihn zu, liest die
Aufschrift, nickt befriedigt und läßt seine Karten verschwinden. „So —
erledigt!"
Plappe ist neugierig, das kann man ihm nicht verdenken. „Nu
sagen Sie bloß: haben Ihnen die beiden andern Briefkasten nicht
gefallen?"
Rumpel grinst. „Nee, die paßten mir nicht. Die gehören noch
zu meinem Bezirk, da wäre ja der Stempel von meinem Postamt
aus die Karten gekommen."
Zartes Schuldgefühl
Gompert tritt am Neujahrsmorgen auf die Straße. Ja, wer
wird ihm nun zuerst begegnen? O, daß es doch ein junges
Mädchen wäre! Das würde ein glückliches Jahr für ihn bedeuten.
Da kommt die Nachbarin Schraube aus ihrer Tür. Die Nach-
barin Schraube ist kein junges Mädchen und auch keine junge
Frau; sie ist ein altes
Verdächtig
Plappe holtRumpel
am Silvestertage zu ei-
nem Nachmittagsspa-
ziergange ab: etwas
frische Luft zu schöpfen,
dürfte vor der alkoho-
lischen Nacht ganz rat-
sam sein.
402
Dienst am Skisäugling
Weib von gräßlichem
Aeußeren.
O weh, welch ein
Anheil I Gompert schnei-
det unwillkürlich eine
Grimasse, während er
guten Morgen sagt.
Das fällt der Nach-
barin Schraube auf.
And jetzt zeigt sich,
daß es mit ihrem
Inneren unvergleichlich
besser bestellt ist. „La-
ben Sie heute schon je-
mand getroffen, Lerr
Gompert ?" erkundigt sie
sich.
„Nee, Sie sind der
erste Mensch, der mir
begegnet."
„O, das tut mir aber
leid. Bitte, entschuldi-
gen Sie!"
(Fortsetzung Sette 414)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Dienst am Skisäugling"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1933
Entstehungsdatum (normiert)
1928 - 1938
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 179.1933, Nr. 4613, S. 402
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg