Zeichnungen von E. Croissant
Der Trick
Die Charaktereigenschaften von Dora Müller sind mit den
Worten: hart, konsequent und verwitwet genügend umschrieben. Wenn
sie morgens Punkt acht Ahr ihre Teppiche und Läufer ausklopfte,
daß es kurz und taktmäßig über die Löse schallte, so hatte diese
Aktion etwas Milttärisches an sich. Die Nachbarn, denen zufällig
die Ahr stehen geblieben war, richteten sich danach. Die epigramma-
tische Kürze ihres Klopfkaktes hatte ihr den Beinamen „das Ma-
schinengewehr" eingetragen.
Gegen Bettler hatte Dora Müller außer einer Aversion auch
ein Schild an der Türe, an der es rechts und links auf dem Kalk
von Geheimzeichen wimmelte. Außerdem stand da in mehrfacher
Ausführung: Bruch, Bande, Bumsbude, Vorsicht — bissig!
Es ist bis heute unaufgeklärt, wie es einem von der Vettler-
zunft gelang, einen Teller Karioffelsuppe zu erhaschen. Kurz, das
Wunder war geschehen, der Mann saß löffelnd in der Küche.
Frau Dora schnüffelte. „Sie haben Schnaps getrunken!"
„Einen," sagte der Mann.
„Sie sollten sich was schämen! Trinken und betteln . . ."
„Ich scliäme mich auch, Madame, deswegen trinke ich ja. Wenn
ich ganz nüchtern bin, bringe ich es nicht fertig, zu betteln. Ich habe
bessere Tage gesehen . . ."
„Wie heiße» Sie?"
„Ich heiße Müller."
„Was? Wie ich! And mit Vor-
namen ?"
„Paul."
„Wie mein Seliger."
Frau Dora Müller schaufelte
Sauerkraut auf einen Teller.
„Wie alt?"
„56, liebe Frau."
„Sonderbar, so alt wäre er jetzt
auch."
Ein Würstchen wurde auf das
Sauerkraut gelegt.
„War wohl Reutier, Ihr
Mann?"
„Nein. Er hatte eine Synde-
tikonfabrik, aber er versoff das ganze
Geld. Da habe ich mich von ihm
scheiden lassen, und er ist als Zim-
merherr bei mir geblieben. So mußte
er wenigstens jeden Ersten pünktlich
zahle», und ich konnte ihm das lästige
Okarinablasen verbiete». Zehn Jahre
ging das so, und ich hatte ihm alle
seine Antugenden fast abgewöhnt —
da starb er plötzlich, gerade als ich
ihn wieder heiraten wollte. Wissen
Sie, er hakte einen schikanösen Cha-
78
rakter. — So, Sie sind fertig. Nun gehen Sie! Mehr gibt es
nicht, — und unterstehen Sie sich nicht, wieder zu betteln."
Der angebliche Paul Müller stieg die Treppe hinunter. Vor
der Tür im zweiten Stock machte er halt. „Witwe Krause" staub da.
Er zog ein schmutziges Notizbuch, das mit alten und neuen
Todesanzeigen vollgestopft war, und suchte einige Zeit.
Dann murmelte er: „Aha, 1930 — Vorname Emil" und
läutete. Gong
„Äast du etwas dagegen, wenn ich der Minna heute kündige?"
fragte Frau Bullrich den Gatten.
„Das geht nicht, Auguste. Leute kommt der Schneider, und
dann sagt sie, ich wäre zu Lause."
Der Schreinermeister Schmetzle arbeitet langsam, sehr langsam.
Knaupel hat bei ihm einen Stuhl in Reparatur. Aber es vergehen
drei Wochen, es vergehen sechs Wochen, und der Stuhl ist immer
noch nicht fertig.
Schließlich macht Knaupel Krach.
„Gott hat die ganze Welt in
sechs Tagen gemacht, und Sie brau-
chen für ne lumpige Stuhlreparatur
Monate!"
„Lerr Knaupel, das verstehen
Sie nicht. Reparaturen sind immer
etwas langwieriger als Neuarbeit."
Gutmütig
„Bis zum Bahnhof ist's noch 'ne
Stunde; warum hast du dem Tu-
risten gesagt, bloß zehn Minuten?"
„Ach, er war so i.ett zu mir und
schien auch sehr müde zu sein!"
Die Ursache
Weinling ist seit drei Tagen
krank. Leute ruft seine Gattin den
Dr. Kubaß an. „Ach, Lerr Doktor,
meinem Manne geht es auf einmal
viel schlechter! Wie kommt das nur,
Lerr Doktor? Woran kann das
liegen?"
Dr. Kubaß räuspert sich erst
am Fernsprecher. Dann fragt er
zurück: „Lat er die Medizin ge-
nommen, die ich ihm gestern ver-
ordnet habe?"
Komisch, daß der dünne Mann so schwer ist!"
Wir haben ja — hupp — wir haben ja seinen
schweren Rausch mitzutragen."
Der Trick
Die Charaktereigenschaften von Dora Müller sind mit den
Worten: hart, konsequent und verwitwet genügend umschrieben. Wenn
sie morgens Punkt acht Ahr ihre Teppiche und Läufer ausklopfte,
daß es kurz und taktmäßig über die Löse schallte, so hatte diese
Aktion etwas Milttärisches an sich. Die Nachbarn, denen zufällig
die Ahr stehen geblieben war, richteten sich danach. Die epigramma-
tische Kürze ihres Klopfkaktes hatte ihr den Beinamen „das Ma-
schinengewehr" eingetragen.
Gegen Bettler hatte Dora Müller außer einer Aversion auch
ein Schild an der Türe, an der es rechts und links auf dem Kalk
von Geheimzeichen wimmelte. Außerdem stand da in mehrfacher
Ausführung: Bruch, Bande, Bumsbude, Vorsicht — bissig!
Es ist bis heute unaufgeklärt, wie es einem von der Vettler-
zunft gelang, einen Teller Karioffelsuppe zu erhaschen. Kurz, das
Wunder war geschehen, der Mann saß löffelnd in der Küche.
Frau Dora schnüffelte. „Sie haben Schnaps getrunken!"
„Einen," sagte der Mann.
„Sie sollten sich was schämen! Trinken und betteln . . ."
„Ich scliäme mich auch, Madame, deswegen trinke ich ja. Wenn
ich ganz nüchtern bin, bringe ich es nicht fertig, zu betteln. Ich habe
bessere Tage gesehen . . ."
„Wie heiße» Sie?"
„Ich heiße Müller."
„Was? Wie ich! And mit Vor-
namen ?"
„Paul."
„Wie mein Seliger."
Frau Dora Müller schaufelte
Sauerkraut auf einen Teller.
„Wie alt?"
„56, liebe Frau."
„Sonderbar, so alt wäre er jetzt
auch."
Ein Würstchen wurde auf das
Sauerkraut gelegt.
„War wohl Reutier, Ihr
Mann?"
„Nein. Er hatte eine Synde-
tikonfabrik, aber er versoff das ganze
Geld. Da habe ich mich von ihm
scheiden lassen, und er ist als Zim-
merherr bei mir geblieben. So mußte
er wenigstens jeden Ersten pünktlich
zahle», und ich konnte ihm das lästige
Okarinablasen verbiete». Zehn Jahre
ging das so, und ich hatte ihm alle
seine Antugenden fast abgewöhnt —
da starb er plötzlich, gerade als ich
ihn wieder heiraten wollte. Wissen
Sie, er hakte einen schikanösen Cha-
78
rakter. — So, Sie sind fertig. Nun gehen Sie! Mehr gibt es
nicht, — und unterstehen Sie sich nicht, wieder zu betteln."
Der angebliche Paul Müller stieg die Treppe hinunter. Vor
der Tür im zweiten Stock machte er halt. „Witwe Krause" staub da.
Er zog ein schmutziges Notizbuch, das mit alten und neuen
Todesanzeigen vollgestopft war, und suchte einige Zeit.
Dann murmelte er: „Aha, 1930 — Vorname Emil" und
läutete. Gong
„Äast du etwas dagegen, wenn ich der Minna heute kündige?"
fragte Frau Bullrich den Gatten.
„Das geht nicht, Auguste. Leute kommt der Schneider, und
dann sagt sie, ich wäre zu Lause."
Der Schreinermeister Schmetzle arbeitet langsam, sehr langsam.
Knaupel hat bei ihm einen Stuhl in Reparatur. Aber es vergehen
drei Wochen, es vergehen sechs Wochen, und der Stuhl ist immer
noch nicht fertig.
Schließlich macht Knaupel Krach.
„Gott hat die ganze Welt in
sechs Tagen gemacht, und Sie brau-
chen für ne lumpige Stuhlreparatur
Monate!"
„Lerr Knaupel, das verstehen
Sie nicht. Reparaturen sind immer
etwas langwieriger als Neuarbeit."
Gutmütig
„Bis zum Bahnhof ist's noch 'ne
Stunde; warum hast du dem Tu-
risten gesagt, bloß zehn Minuten?"
„Ach, er war so i.ett zu mir und
schien auch sehr müde zu sein!"
Die Ursache
Weinling ist seit drei Tagen
krank. Leute ruft seine Gattin den
Dr. Kubaß an. „Ach, Lerr Doktor,
meinem Manne geht es auf einmal
viel schlechter! Wie kommt das nur,
Lerr Doktor? Woran kann das
liegen?"
Dr. Kubaß räuspert sich erst
am Fernsprecher. Dann fragt er
zurück: „Lat er die Medizin ge-
nommen, die ich ihm gestern ver-
ordnet habe?"
Komisch, daß der dünne Mann so schwer ist!"
Wir haben ja — hupp — wir haben ja seinen
schweren Rausch mitzutragen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Presse-Fest" "Zwei neue Gesichtspunkte für den Fasching" "Modell-Ball" "Komisch, daß der dünne Mann so schwer ist!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4618, S. 78
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg