Zeichnungen von M. Clan»
LÜBECKER CHRONIK
Hein Brakei war in Lübecks Mauern
Von der lateinTchen Schülerfchaft
Der fchlechtfte. Lieber Cäfar kauern,
Das schien ihm durchaus grauenhaft.
Magister Plumklüt schwang den Bakel:
„Nix—nivis, nox, nux— nucis, pix—
Paß op! Ick fegg di wat, Hein Brakei!
Ut di wird nix! Ut di wird nix!“
Hein Brakei ging das an die Nieren,
Sein Platz war eines Morgens leer:
Manch einer lernt nie konjugieren
Und braucht statt pix den richt'gen Teer.
Nun ist Hein Brakei lang verschollen,
Zwölf Jahre, wenn ich richtig zähl,
Versoffen wohl in den Atollen
Im hinterind'fchen Archipel.
Es breiteten in diesen Jahren
Seeräuber fleh gewaltig aus.
Kauffahrer, voll von Handelswaren,
Verschwanden da mit Mann und Maus.
Schnell kamen sie, wie ein Mirakel —
„Die Brassen los! Das Ruder quer!“
Und ausgeraubt, vor Top und Takel,
Trieb manche stolze Brigg umher.
Manch reiche alte Handelsfirmen
Sind da falliert in einer Nacht.
Kaum konnten fleh die Städte fchirmen
Vor der Piraten frecher Macht.
Sie holten aus den warmen Betten
Sogar Senatsherrn keck heraus.
Von ihren schnellen Raubkorvetten
Wehn schwarze Wimpel achteraus.
Als Lübecks Flotte einst vor Fünen
Mit Dänemark im Kriege lag,
Da sah der Posten in den Dünen
Schwarzflaggen im Befahnftengftag.
Und alle, die noch Arme hatten,
Und alles, was noch krauchen kann,
Bemannt drei brüchige Fregatten —
Nun an den Feind und drauf und dran!
Manch Ratsherr murmelt: „Gott befchütze!“
Und kneift fleh, ob es auch kein Traum.
Plumklüt fteht schlotternd mit ‘ner Pütze
Voll heißem Pech am Klüverbaum.
Er ist noch rüstig, wirkt noch löblich,
Wenn auch mit halber Bakelkraft —
Heut wanken ihm die Knie erheblich,
Sein Heldenmut ift zweifelhaft.
Die Dämmrung finkt. Schon riecht's nach Lunten,
Schon blitzt des Flaggschiffs Armatur,
Da bückt sich Plumklüt seufzend unten
Ans Bugspriet als Gallionsfigur.
(Die richtige war längst verwittert)
Hier wirkt er nun als Holz-Neptun,
Anstatt zum Dreizack greift erschüttert
Er bloß nach einem Stück Parduhn.
Schon blinken wild die Enterhaken,
Bug legt an Bug sich mit Geknarr,
Plumklüt, bleich wie ein Linnenlaken,
Hält wie ein Holzbild fleh so starr.
Sein ganz Latein ging jäh zu Ende,
Ihm wird so bänglich mang die Büx,
Im Geiste faltet er die Hände
Und meint fleh leihst: „Ut di wird nix!“
Der Räuberadmiral Hein Brakei
(Er wars!) stand vorne finstern Blicks,
Da sprach Neptunus* Tabernakel:
„Ut di wird nix! Ut di wird nix!“
Sofort ließ er das Ruder legen,
Nahm Nordkurs gleich in voller Fahrt —
Bis heut wußt' noch kein Mensch, weswegen
Lübeck damals gerettet ward.
Curriander
Äer Regisseur Schnake! hak geheiratet.
„Ra, wie gefällt dirs in der Ehe?" fragt
ein Kollege.
„Wunderbar! Ich hätte nicht gedacht, daß
man dabei so viel für den Beruf profitieren
könnte." — „In welcher Beziehung?"
„Im Tempo, mein Lieber. Bei uns gehts
Szene auf Szene."
222
„Ä)er weiß, was ein Eleinent ist?" fragt
der Lehrer.
Sofort meldet sich Gustav Klawunke. „Skat
ist ein Element," verkündet er munter.
„Skat? Wie kommst du denn darauf?"
„Wenn Vater seine Freunde kommen, und er
sich dann mit ihnen zum Skat hinsetzt, dann sagt
meine Mutter immer: Na ja, Skat ist dein Element I"
Geschichten in Bündeln
Als ich meinen Bekannten Mae
Kinley in Aberdeen besuchte — jawohl,
ich habe Freunde in Schottland, aber
honny soll, qui mal y pense! — da
lud er mich zu einer Autofahrt im eignen
Wagen ein. Es war ein kleiner Austin
Six, gut und gern feine fünfzehn Jahre
alt und dementsprechend klapprig. Mae
Kinley hatte ihn geerbt.
Aber einen Komfort hatte das Ding:
Winker.
Es regnete. Immer, wenn Mae Kinley
eine Kurve nahm, streckte er die Land
heraus. Ich probierte den kleinen Level:
die Winkvorrichtunq funktionierte ta-
dellos.
„Mae Kinley," sagte ich, „warum
strecken Sie immer die Land heraus?
Die Winker gehen ja."
„Ich weiß, mein Lieber, aber bei dem
Regen nutzen sie sich zu sehr ab."
*
Auf der Polizeiwache gleich um die
Ecke beim Rummelplatz erschien in auf-
geregtem Zustand ein Mann, der an-
gab, Grünkern zu heißen.
Dieser Grünkern schob ein Indivi-
duum vor sich her, das nicht direkt ver-
dächtig, aber doch sehr eingeschüchtert
aussah.
„Lerr Wachtmeister," schrie Grün-
kern, „ich erhebe Anzeige — ich bitte
um Verhaftung —"
„Beruhigen Sie sich, Lerr Grünkern,
und erzählen Sie, worum es sich han-
delt," forderte der Wachtmeister auf.
„Beruhigen?" flammte Grünkern
aus, „ein Attentat hat er auf mich vor-
gehabt."
Mit festem Schritt trat der Beamte
an das Individuum heran und befühlte
ihn nach Waffen. Dann zog er eine
Tüte aus der rechten Losentasche des
Mannes.
„Pfeffer?" fragte er.
„Viel schlimmer," gab Grünkern die
Antwort „Insektenpulver."
„Insektenpulver? And was hat das
mit dem Attentat zu tun?"
„Lerr Wachtmeister, ich bin doch der
Besitzer des Flohzirkus."
Der prominente Mitbürger sah eine
Abordnung des Stadtrats und der
Presse bei sich. Man besichtigte das
reich und von einem Innenarchitekten
geschmackvoll eingerichtete Leim, setzte
sich hieraus zu einem reichlichen Diner
mit viel Wein und Trinksprüchen und
verteilte sich dann zwanglos zum Mokka
im Lause.
Im Wintergarten zückte der Berichter-
statter des „Morgenrufs" das Notizbuch,
nahm sich den prominenten Mitbürger
beiseite und sagte: „Könnten Sie mir
LÜBECKER CHRONIK
Hein Brakei war in Lübecks Mauern
Von der lateinTchen Schülerfchaft
Der fchlechtfte. Lieber Cäfar kauern,
Das schien ihm durchaus grauenhaft.
Magister Plumklüt schwang den Bakel:
„Nix—nivis, nox, nux— nucis, pix—
Paß op! Ick fegg di wat, Hein Brakei!
Ut di wird nix! Ut di wird nix!“
Hein Brakei ging das an die Nieren,
Sein Platz war eines Morgens leer:
Manch einer lernt nie konjugieren
Und braucht statt pix den richt'gen Teer.
Nun ist Hein Brakei lang verschollen,
Zwölf Jahre, wenn ich richtig zähl,
Versoffen wohl in den Atollen
Im hinterind'fchen Archipel.
Es breiteten in diesen Jahren
Seeräuber fleh gewaltig aus.
Kauffahrer, voll von Handelswaren,
Verschwanden da mit Mann und Maus.
Schnell kamen sie, wie ein Mirakel —
„Die Brassen los! Das Ruder quer!“
Und ausgeraubt, vor Top und Takel,
Trieb manche stolze Brigg umher.
Manch reiche alte Handelsfirmen
Sind da falliert in einer Nacht.
Kaum konnten fleh die Städte fchirmen
Vor der Piraten frecher Macht.
Sie holten aus den warmen Betten
Sogar Senatsherrn keck heraus.
Von ihren schnellen Raubkorvetten
Wehn schwarze Wimpel achteraus.
Als Lübecks Flotte einst vor Fünen
Mit Dänemark im Kriege lag,
Da sah der Posten in den Dünen
Schwarzflaggen im Befahnftengftag.
Und alle, die noch Arme hatten,
Und alles, was noch krauchen kann,
Bemannt drei brüchige Fregatten —
Nun an den Feind und drauf und dran!
Manch Ratsherr murmelt: „Gott befchütze!“
Und kneift fleh, ob es auch kein Traum.
Plumklüt fteht schlotternd mit ‘ner Pütze
Voll heißem Pech am Klüverbaum.
Er ist noch rüstig, wirkt noch löblich,
Wenn auch mit halber Bakelkraft —
Heut wanken ihm die Knie erheblich,
Sein Heldenmut ift zweifelhaft.
Die Dämmrung finkt. Schon riecht's nach Lunten,
Schon blitzt des Flaggschiffs Armatur,
Da bückt sich Plumklüt seufzend unten
Ans Bugspriet als Gallionsfigur.
(Die richtige war längst verwittert)
Hier wirkt er nun als Holz-Neptun,
Anstatt zum Dreizack greift erschüttert
Er bloß nach einem Stück Parduhn.
Schon blinken wild die Enterhaken,
Bug legt an Bug sich mit Geknarr,
Plumklüt, bleich wie ein Linnenlaken,
Hält wie ein Holzbild fleh so starr.
Sein ganz Latein ging jäh zu Ende,
Ihm wird so bänglich mang die Büx,
Im Geiste faltet er die Hände
Und meint fleh leihst: „Ut di wird nix!“
Der Räuberadmiral Hein Brakei
(Er wars!) stand vorne finstern Blicks,
Da sprach Neptunus* Tabernakel:
„Ut di wird nix! Ut di wird nix!“
Sofort ließ er das Ruder legen,
Nahm Nordkurs gleich in voller Fahrt —
Bis heut wußt' noch kein Mensch, weswegen
Lübeck damals gerettet ward.
Curriander
Äer Regisseur Schnake! hak geheiratet.
„Ra, wie gefällt dirs in der Ehe?" fragt
ein Kollege.
„Wunderbar! Ich hätte nicht gedacht, daß
man dabei so viel für den Beruf profitieren
könnte." — „In welcher Beziehung?"
„Im Tempo, mein Lieber. Bei uns gehts
Szene auf Szene."
222
„Ä)er weiß, was ein Eleinent ist?" fragt
der Lehrer.
Sofort meldet sich Gustav Klawunke. „Skat
ist ein Element," verkündet er munter.
„Skat? Wie kommst du denn darauf?"
„Wenn Vater seine Freunde kommen, und er
sich dann mit ihnen zum Skat hinsetzt, dann sagt
meine Mutter immer: Na ja, Skat ist dein Element I"
Geschichten in Bündeln
Als ich meinen Bekannten Mae
Kinley in Aberdeen besuchte — jawohl,
ich habe Freunde in Schottland, aber
honny soll, qui mal y pense! — da
lud er mich zu einer Autofahrt im eignen
Wagen ein. Es war ein kleiner Austin
Six, gut und gern feine fünfzehn Jahre
alt und dementsprechend klapprig. Mae
Kinley hatte ihn geerbt.
Aber einen Komfort hatte das Ding:
Winker.
Es regnete. Immer, wenn Mae Kinley
eine Kurve nahm, streckte er die Land
heraus. Ich probierte den kleinen Level:
die Winkvorrichtunq funktionierte ta-
dellos.
„Mae Kinley," sagte ich, „warum
strecken Sie immer die Land heraus?
Die Winker gehen ja."
„Ich weiß, mein Lieber, aber bei dem
Regen nutzen sie sich zu sehr ab."
*
Auf der Polizeiwache gleich um die
Ecke beim Rummelplatz erschien in auf-
geregtem Zustand ein Mann, der an-
gab, Grünkern zu heißen.
Dieser Grünkern schob ein Indivi-
duum vor sich her, das nicht direkt ver-
dächtig, aber doch sehr eingeschüchtert
aussah.
„Lerr Wachtmeister," schrie Grün-
kern, „ich erhebe Anzeige — ich bitte
um Verhaftung —"
„Beruhigen Sie sich, Lerr Grünkern,
und erzählen Sie, worum es sich han-
delt," forderte der Wachtmeister auf.
„Beruhigen?" flammte Grünkern
aus, „ein Attentat hat er auf mich vor-
gehabt."
Mit festem Schritt trat der Beamte
an das Individuum heran und befühlte
ihn nach Waffen. Dann zog er eine
Tüte aus der rechten Losentasche des
Mannes.
„Pfeffer?" fragte er.
„Viel schlimmer," gab Grünkern die
Antwort „Insektenpulver."
„Insektenpulver? And was hat das
mit dem Attentat zu tun?"
„Lerr Wachtmeister, ich bin doch der
Besitzer des Flohzirkus."
Der prominente Mitbürger sah eine
Abordnung des Stadtrats und der
Presse bei sich. Man besichtigte das
reich und von einem Innenarchitekten
geschmackvoll eingerichtete Leim, setzte
sich hieraus zu einem reichlichen Diner
mit viel Wein und Trinksprüchen und
verteilte sich dann zwanglos zum Mokka
im Lause.
Im Wintergarten zückte der Berichter-
statter des „Morgenrufs" das Notizbuch,
nahm sich den prominenten Mitbürger
beiseite und sagte: „Könnten Sie mir
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lübecker Chronik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4627, S. 222
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg