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Der Schwimmring

den Wellen aus den Augen verliert, gibt das eine unterhaltende Jagd.
Man muß eben immer was Neues erfinden, wie man sich am Strande die
Zeit vertreiben kann.-

Zickerick und Gattin sind gestern in Sprottendorf angekommen. Leute
hat Emil Zickerick sich im „Strandbasar" einen Schwimmring gekauft, der
aussieht wie eine der gefährlichsten Giftschlangen, nämlich die Korallen-
schlange: zwischen schmalen weißen sind breite schwarze und rote Quer-
streifen, die roten aber haben noch einige diinne Pünktchen, als hätten sie
von den schwarzen was abgckriegt. Die Engländer nennen deshalb die
Korallcnschlange auch „German Flag". Zickerick hat das nicht gewußt, aber
ihm hat das bunte Ding gefallen. Außerdem hat er gesehen, wie sich badende
Leute mit den Gummiringen vergnügen, und das hat ihm auch gefallen.

Nun, am Nachmittag vor der Kaffeezeit, kommen Zickericks a» den
Strand, um zu baden. Der Strand ist um diese Zeit vereinsamt, und das
Paßt ihnen, denn beim ersten Bade wollen sie möglichst allein sein. Sie
plantschen zuerst ein bißchen herum, und dann probiert Emil Zickerick, wie
es wohl noch mit dem Schwimmen geht. Nun, es macht sich; nur etwas
kurzatmig ist er im letzten Winter geworden, da hat er zu viel Fett an-
gesetzt. Jetzt krabbelt er wieder aus dem Wasser und nimmt seinen Schwimm-
ring. Er bläst ihn auf, ganz stramm, schließt das Ventil sorgfältig, und
dann schmeißt er ihn mit tüchtigem Schwünge hinaus aufs Meer. Zickerick
ist bei anderen, bei Nutzen bringenden Anternehmungen vielleicht ein sehr
berechnender Mann, aber diesen Schwung hat er nicht berechnet: der Ring
fliegt weit hinaus, viel zu weit.

„Verflucht noch mal!" sagt Zickerick. „So'n blödsinniges Biest!" Natür-
lich ärgert er sich über den Ring und nicht über sich selbst.

„Aber Emil!" jammert Frau Zickerick. „Jetzt ist er futsch-der

schöne bunte Ring!"

„Futsch? Nanu, ich hol' ihn doch!" And Zickerick watet ins Wasser bis
zum Bauch, und daun wirft er sich hin und schwimmt los.

„Emil, du bleibst hier!" kreischt Frau Zickerick. „Emil, du kommst so-
fort zurück, sonst rührt mich der Schlag!"

Zickerick hört auf mit Schwimmen; er hat noch Grund, sein

Kopf ragt aus dem Wasser.

„Zigarren haben Sie nicht?"

„Leider nein — meine Frau hat vergessen, die Kiste einzupacken/

„Leute will ich mal standbaft sein.
Kein Frühschoppen! Kein Dämmer-
sckoppen! Damit man frisch ist zur
Abendkneipe!"

Dieser Kopf brüllt: „Was
willst du denn? Ich werde
doch den Ring nichtschießen
lassen."

Frau Zickerick geht zwei
Schritte ins Wasser. „Emil,
ich sage dir: sowie du wei-
ter raus willst, komme ich
dir nach."

„Du kannst doch gar
nicht schwimmen, Berta."

„Das ist mir egal, dann
laufe ich unierm Wasser.
Dann ertrinken wir alle
beide. Der Ring ist kaum
noch zu sehn, er schwimmt
ja immer weiter weg."

Zickerick schaut in die
Ferne; er hoppst ein paar-
mal, um weitere Sicht zu
gewinnen, aber das genügt
nicht — er muß zurück an
den Strand. „Wo ist er
denn geblieben? Aha, da
ist er ja! Pah, den kriege
ich noch, das wäre ja noch
schöner." Und er will wieder
hinein in die Flut.

Frau Zickerick packt den
Gatten am Badeanzug.
„Du bleibst hier, Emil!
!lnd wenn der Badeanzug
kaputt geht!"

Frau Zickerick zieht stärker und stärker, und Emil muß nachgeben,
weil der Stoff seines Badeanzugs nicht weiter nachgeben will. „Daß
du mir das nicht mal zutraustI" brummt er. „Schade um den Ring —
nu' sind drei Mark fuffzig zum Deiwel!" Aber eigentlich ist er ganz zu-
frieden; es wäre ihm in Wirklichkeit reckt unangenehm, wenn die Gattin
ihm zutrauen würde, daß er den Schwimmring, ehe er zum Teufel ginge,
doch wieder holen könnte.

Zickericks ziehen sick an. Dabei erklärt Frau Zickerick, es wäre erstens
ein Jammer um den schönen Guinmiring, es wäre zweitens ein Blöd-
sinn, sowas Nutzloses überhaupt zu kaufen, und es wäre drittens eine
Albernheit, solch einen schönen Gegenstand in so leichtsinniger Weise
aufs Spiel zu setzen. Zickerick sagt nichts dazu. Er war ein unkluger
Mann, als er vorhin den Schwimmring hinauswarf, und dazu kam
Mangel an Hebung; er ist ein weiser Mann, wenn seine Gattin redet,
und dazu kommt große Hebung im richtigen Verhalten in solchen Fällen.

Zum Schluß aber findet Zickerick ein rechtes Wort. „Na, jetzt wer-
den wir auf den Schreck mal Kaffee trinken!" Damit ist die Gattin ein-
verstanden, und sie machen sich auf den Weg nach dem „Etrandkaffee."
Weit in der Ferne schaukelt der wie eine Korallenschlange gemusterte
Schwimmring auf der wogenden Flut.

Kaum sind Zickericks verschwunden, da kommen drei junge Leute
zum Baden an: Else, Kurt und Leinz. Sie haben keine Schwimmringe,
denn ihre gemeinschaftliche Wanderkasse ist sehr schwach und gestattet
überflüssige Anschaffungen nicht. Aber sie sind sehr vergnügt und baden
und schwimmen mit fröhlichem Lärmen. Dann macht Else eine Entdek-
kung. „Da draußen schwimmt ja was-etwas merkwürdig Buntes!"

Kurt hat ein ausgezeichnetes Fernglas, ein Besitz, der aber nicht
zu der Geringfügigkeit seiner Mittel im Widerspruch steht, denn er hat
es nicht gekauft, sondern bei einem Preisausschreiben gewonnen. Er
richtet dieses Fernglas auf das merkwürdig Bunte. „Das ist ein Schwimm-
ring, ein feiner Schwimmring!"

Leinz sieht auch durch das Fernglas. „Kinder, den hole ich mir!
Wäre ja jammerschade darum!"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Asket" "Zigarren haben Sie nicht?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4631, S. 275

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
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