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Wir in Bums a. d. Polter haben die Zeichen der Zeit ver-
standen und gehen mit ihr mit. Wir haben Gott sei Dank eine
rührige, einsichtsvolle und moderne Oberleitung. Es mußte aber auch
etwas geschehen, kein Mensch kam nach Bums.

Jetzt ist die Reihe unserer Sehenswürdigkeiten um ein Stück
bereichert worden: unser Bürgermeister hat in prächtiger Zusammen-
arbeit mit dem Bürgerverein das Streichholzschachtelmuseum ge-
schaffen. 5000 Streichholzschachteln aller Zeiten und Länder sind hier
vereinigt. Der einheimische Privatgelehrte und Archäologe Rochus
Dimpfel bezeichnet als das Glanzstück der Sammlung eine römische
Streichholzschachtel, die in der Dampfziegelei Fiedler ausgegraben
worden ist und vermutlich dem großen Cäsar persönlich gehört hat.

Vor allem aber ist die Fremdenwerbung in Tätigkeit getreten.
In 12 Sprachen sind Plakate gedruckt und in aller Lerren Länder
versandt worden: Lee Bums on Polter — the nicest place of Ger-
many! Visitez Bums sur Polter!

Unsere Sehenswürdigkeiten sind: der Floriansbrunnen, Unterbau
aus Eisenbeton, nachweislich aus dem 12. Jahrhundert, Oberbau und
Statue von Maurermeister Bieseublih. Das obberegte Streichholz-
schachtelmuseum. Die Weinwirtschaft „Zum strammen Eber", deren
Konzession auf Ulrich den Verschleimten von Baden bis ins Jahr 1090
zurückgeht. Lier hat Goethe einmal laut Fremdenbuch und hand-
schrfftlichem Eintrag das Frühstück verweigert. Die Effo-Ta»kstelle —
neuzeitliche Benzinpumpstation auf Raten. Die Postagentur mit dem
nachweislich geringsten Postverkehr von ganz Deutschland.

Um alle diese Dinge dem Fremdenverkehr richtig zu erschließen,
haben wir einen Fremdenführer angestellt, der in zweimonatigem
angestrengtem Studium in der Lerbitz-school Kurdisch, Malaiisch,
Chinesisch und noch eine Reihe asiatischer Sprachen gelernt hat und
selbstverständlich fließend Spanisch, Französisch und Englisch spricht.
Oskar Banse steht am Marktplatz, jederzeit bereit, Auskünfte zu
erteile» und Führungen
zu übernehmen. Seit
dem 15. April sind aller-
dings noch keine Asiaten
eingetroffen. Das Ge-
rücht, daß die betreffen-
den Werbeplakate feh-
lerhaft abgefaßt seien,
ist erstunken und erlogen.

Vielmehr ist das Fern-
bleiben des ostasiatischen
Fremdenstroms auf die
Wirren im fernen Osten
zurückzuführen. Auch
die Nachricht, daß der
Magistrat in zehnstün-
diger Abendsiyung den
Antrag Vanses auf be-
hördliches Waschen sei-
ner Armbinde zum
Preise von 8 Pfennig
angenommen, dabei
aber für 2 Mark elek-
trisches Licht verbrannt

habe, ist eine böswillige Ausstreuung. Wir kennen die Kreise, die
sich gern des Wortes „Leerlauf" bedienen, sehr wohl und werden sie
demnächst ans Rampenlicht der Oeffeutlichkeit zerren.

Am 15. Juli erschien das erste ausländische Auto in unsrer Stadt.
Es trug die Zeichen von England G. B. Der Bürgermeister sichtete
es persönlich. Leider versagte der für diesen Fall seit langem bereit-
gestellte Böllerschuß, was wahrscheinlich auf Sabotage gesellschasts-
feindlicher Elemente zurückzuführen ist. Auch die Ehrenjungfrauen
waren gerade nicht zur Land. Vom Fremdenführer Oskar Banse
war nur die gelbe Armbinde mit der Aufschrift „Fremdenführer —
Guide" zu sehen, die er außen am „Strammen Eber" mit Stecknadeln
befestigt hatte. Er selbst studierte Aztekisch im Linterzimmer und
mußte vom Bürgermeister mit sanfter Gewalt aus seiner Tätigkeit
gerissen werden.

Es war aber dem Ratsdiener Bleise gelungen, den fremden
Autofahrer, der auf Englisch Auskunft heischte, lange genug in den
Straßen festzuhalten, bis der Bürgermeister und die Fremdenführung
anlangte. Fast die gesamte Einwohnerschaft war Zeuge, wie sich
nun zwischen dem Sendboten Albions und dem Fremdenführer Oskar
Banse ein denkwürdiges Frage- und Antwortspiel entspann. Der
Brite sagte sehr oft: „I can't understand,“ woraus Oskar Banse
mit Recht schloß, daß er einen Anterstand wünschte, mit andern
Worten, daß er zu übernachten gedachte. Es wurde ihm bedeutet,
daß er sich als Gast der Stadt zu betrachten habe, und im Triumph
führte man ihn in den „Strammen Eber," wo inzwischen Rindslende
mit Rosenkohl hergerichtet worden war.

Dann überließ man delikaterweise den Fremden und den Führer
sich selbst und bildete inzwischen an allen Sehenswürdigkeiten Spalier.
Freilich stellte der Engländer die Geduld der braven Einwohner auf
eine harte Probe, indem er erst abends um 9 mit Oskar Banse aus
der Weinwirtschaft heraustrat, als das Museum bereits geschlossen

war und die anderen
Sehenswürdigkeiten im
Dunkel der Nacht ver-
schwammen.Auch legten
sich beide zum Erstau-
nen der Bevölkerung
am Fuß des Florians-
brunnen schlafen, wobei
der Engländer seine
Schuhe zum Putzen
auf den Brunnenrand
stellte.

Jene Kreise, die wie-
derum behauptet haben,
der fremde Gast habe,
statt von der Fremden-
sührung geführt zu
werden, im Gegenteil
Äerrn Banse führen
müssen, seien hiermit
letztmalig gewarut.Auch
daß 14 Tage später ein
Brief von dem Englän-
der an den Magistrat
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fremdenverkehr"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4636, S. 355

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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