Zeichnung von ffi. Eroissanr
Ansichere Snche Von Peter Robinson
Die ganz großen Tenore, die Tenors von internationaler, von
planetarischer Berühmtheit, müffen immer, wie Verbrecher und Per-
len, entdeckt werden. Es gehört sich, daß sie zuerst wie die Veilchen
im Verborgenen blühen. Schlichte junge Kerle müffen sie sein, brave
Burschen, die keine Ahnung haben von dem Golde, das, ohne ihnen
Belästigung zu verursachen, in ihrer Kehle steckt. Frohsinnigen
Gemütes müffen sie sein und gern bei ihrer Arbeit singen, —
damit sie schließlich ein Sachverständiger hören kann, der dann
für ihre Ausbildung sorgt und ihre Füße auf die erste Sprosse
der Ruhmesleiter setzt. Es ist kein geringes Verdienst, einen
herrlichen Tenor zu entdecken; man erweist damit der Menschheit
eine Wohltat, — und sich selbst kann man von den zu erwartenden
Gagen der ersten fünf oder zehn Fahre fünfzig Prozent zedieren
lassen.
Pappel, der bekannte Gesangs-
pädagoge, der stimmbegabte junge
Leute für die Oper ausbildet, ist
schon lange auf solch eine Entdeckung
aus. Neulich nun kam er an einer
kleinen Tischlerwerkstatt vorbei und
hörte daraus das schöne Lied er-
schallen : „Im Krug zum grünen
Kranze-" Pappels Ohren zuck-
ten vor Wonne: Welch' eine Stim-
me! Allerdings, — ungepflegt war
sie, ungeschult, simples Naturpro-
dukt, aber, aber-Möglich-
keiten steckten in dieser Stimme, un-
geheure Möglichkeiten!
Pappel stürzte in die Werk-
statt und fand dort in dem Sänger
den Tischlergesellen August Böhn-
hase, der gerade einen Sarg baute.
„Mensch, Sie werden Millionen
verdienen!" jauchzte Pappel ihm
entgegen. Böhnhase wollte das
nicht glauben. Er dachte, der fremde
Lerr wollte ihm den Ausbruch einer
Pest- oder Choleraepidemie anzei-
gen, — aber selbst in solchem Falle,
meinte er, würde er mit Särgen nicht gar so viel verdienen.
Pappel wollte erklären. Ob er schon einmal in der Oper gewesen
wäre? fragte er den sargbauenden Orpheus. Nein, von der Oper
wußte Böhnhase nichts. Er hatte nur einmal mit einem Gesellen
zusammengearbeitet, der aus Berlin gewesen war, und der hatte
immer gesagt: „Mensch, quatsch doch keene Opern!"
Theoretische Erklärungen konnten hier nicht viel helfen. Aber es
traf sich famos, daß in der Oper für diesen Abend grade „Lohen-
grin" angesetzt war. Pappel lief, besorgte eine Karte, und Böhn-
Hase mußte in die Oper.
Gleich am nächsten Morgen besuchte ihn Pappel wieder. „Nun,
junger Freund, wie hat Ihnen das denn gefallen?"
Nun ja, es wäre ja recht schön gewesen, meinte Böhnhase.
„And hätten Sie nun nicht auch Lust, so als strahlender Ritter
die Menge zu entzücken? Was mei-
nen Sie dazu? Auch Sie könnten
so ein Lohengrin sein."
Aber da machte August Böhn-
hase ein sehr bedenkliches Gesicht.
„Ra, Lerr, auf sowas lass' ich mich
lieber uich' ein! Gestern, wie er
und der andere Kerl mit den Schwer-
tern auf einander losgegangen sind,
— da hat er ihn ja untergekriegt.
Aber wenn nu' mal der andre
gewinnt?"
Drei Fliegen auf einen Schlag
In unserem Wörsteiner Wochen-
blatt war kürzlich dieses Inserat zu
lesen: „Ich bitte, meinem ältesten
Sohn Josef nichts mehr zu borgen,
da ich für ihn keine Zahlung mehr
leiste. Wenn Frau Therese Meidag
ihre verleumderische Zunge in betreff
meiner Person nicht in Zaum hält,
wird sie gerichtlich belangt. Leute
abend wieder frische Blut- und
Leberwürste.
Michael Gerum, Gastwirt."
383
„Sie gestatten doch, daß ich meinen Koffer auf Ihren stelle?"
„Was? Diese zentnerschwere mittelalterliche Kriegskasse auf
mein Lackköfferchen . . . ?"
„Aber, Lerr, in meinem sind doch 700 Eier drin."
Ansichere Snche Von Peter Robinson
Die ganz großen Tenore, die Tenors von internationaler, von
planetarischer Berühmtheit, müffen immer, wie Verbrecher und Per-
len, entdeckt werden. Es gehört sich, daß sie zuerst wie die Veilchen
im Verborgenen blühen. Schlichte junge Kerle müffen sie sein, brave
Burschen, die keine Ahnung haben von dem Golde, das, ohne ihnen
Belästigung zu verursachen, in ihrer Kehle steckt. Frohsinnigen
Gemütes müffen sie sein und gern bei ihrer Arbeit singen, —
damit sie schließlich ein Sachverständiger hören kann, der dann
für ihre Ausbildung sorgt und ihre Füße auf die erste Sprosse
der Ruhmesleiter setzt. Es ist kein geringes Verdienst, einen
herrlichen Tenor zu entdecken; man erweist damit der Menschheit
eine Wohltat, — und sich selbst kann man von den zu erwartenden
Gagen der ersten fünf oder zehn Fahre fünfzig Prozent zedieren
lassen.
Pappel, der bekannte Gesangs-
pädagoge, der stimmbegabte junge
Leute für die Oper ausbildet, ist
schon lange auf solch eine Entdeckung
aus. Neulich nun kam er an einer
kleinen Tischlerwerkstatt vorbei und
hörte daraus das schöne Lied er-
schallen : „Im Krug zum grünen
Kranze-" Pappels Ohren zuck-
ten vor Wonne: Welch' eine Stim-
me! Allerdings, — ungepflegt war
sie, ungeschult, simples Naturpro-
dukt, aber, aber-Möglich-
keiten steckten in dieser Stimme, un-
geheure Möglichkeiten!
Pappel stürzte in die Werk-
statt und fand dort in dem Sänger
den Tischlergesellen August Böhn-
hase, der gerade einen Sarg baute.
„Mensch, Sie werden Millionen
verdienen!" jauchzte Pappel ihm
entgegen. Böhnhase wollte das
nicht glauben. Er dachte, der fremde
Lerr wollte ihm den Ausbruch einer
Pest- oder Choleraepidemie anzei-
gen, — aber selbst in solchem Falle,
meinte er, würde er mit Särgen nicht gar so viel verdienen.
Pappel wollte erklären. Ob er schon einmal in der Oper gewesen
wäre? fragte er den sargbauenden Orpheus. Nein, von der Oper
wußte Böhnhase nichts. Er hatte nur einmal mit einem Gesellen
zusammengearbeitet, der aus Berlin gewesen war, und der hatte
immer gesagt: „Mensch, quatsch doch keene Opern!"
Theoretische Erklärungen konnten hier nicht viel helfen. Aber es
traf sich famos, daß in der Oper für diesen Abend grade „Lohen-
grin" angesetzt war. Pappel lief, besorgte eine Karte, und Böhn-
Hase mußte in die Oper.
Gleich am nächsten Morgen besuchte ihn Pappel wieder. „Nun,
junger Freund, wie hat Ihnen das denn gefallen?"
Nun ja, es wäre ja recht schön gewesen, meinte Böhnhase.
„And hätten Sie nun nicht auch Lust, so als strahlender Ritter
die Menge zu entzücken? Was mei-
nen Sie dazu? Auch Sie könnten
so ein Lohengrin sein."
Aber da machte August Böhn-
hase ein sehr bedenkliches Gesicht.
„Ra, Lerr, auf sowas lass' ich mich
lieber uich' ein! Gestern, wie er
und der andere Kerl mit den Schwer-
tern auf einander losgegangen sind,
— da hat er ihn ja untergekriegt.
Aber wenn nu' mal der andre
gewinnt?"
Drei Fliegen auf einen Schlag
In unserem Wörsteiner Wochen-
blatt war kürzlich dieses Inserat zu
lesen: „Ich bitte, meinem ältesten
Sohn Josef nichts mehr zu borgen,
da ich für ihn keine Zahlung mehr
leiste. Wenn Frau Therese Meidag
ihre verleumderische Zunge in betreff
meiner Person nicht in Zaum hält,
wird sie gerichtlich belangt. Leute
abend wieder frische Blut- und
Leberwürste.
Michael Gerum, Gastwirt."
383
„Sie gestatten doch, daß ich meinen Koffer auf Ihren stelle?"
„Was? Diese zentnerschwere mittelalterliche Kriegskasse auf
mein Lackköfferchen . . . ?"
„Aber, Lerr, in meinem sind doch 700 Eier drin."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nilpaddeln" "Sie gestatten doch, daß ich meinen Koffer auf Ihren stelle?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 180.1934, Nr. 4637, S. 383
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg