Acht Tage hatte ich täglich Almalotte am Strand getroffen, wir
hatten zusammen geschwommen — das heißt: eigentlich nicht, denn
ich war immer längst fertig, wenn Almalotte knapp ihre Lauttoilette,
ein vielfältiges Salben, Kremen, Schmieren und Oelen beendet hatte.
Dafür war ich auch nur ordinär braun, Almalotte aber apart bronzen
geworden. Das sei das neueste, behauptete sie.
Am neunten Tag erschien Almalotte im Strandanzug mit breit-
krempigem Lut auf dem Sand. Ich erkannte sie vom Wasser aus,
trotzdem ich etwa 200 Meter weit hinausgeschwommen war.
Triefend kam ich bei ihr an. Almalotte saß versonnen, nicht
versonnt, und seltsam still da.
„Schwimmen wir ein Stück zusammen hinaus!" sagte ich.
Almalotte schüttelte den Kopf. „Kommt für mich nicht mehr in
Frage!"
„Aber ich bitte Sie, Almalotte, warum?"
„Aus zwei Gründen. Erstens bin ich auf die Angaben meines
Berliner Kosmetikers hineingefallen — jawohl, hineingefallen. Der
Mann hat mir versichert, daß Bronze immer noch die große Mode
sei — was soll ich Ihnen sagen: gestern lese ich, daß Jane Lartlow,
die Lollywooder Filmprominente, die in allen Modefragen ton-
angebend ist-*
„Wer ist Jane Lartlow?"
„Wer Jane Lartlow ist? Tja, da kann man nichts machen!"
bedauerte Almalotte meine Anbildung. „Nun, davon ein andermal!
Also Jane trägt diesen Sommer ,Antilope". Ich muß jetzt erst ab-
blaßen und kann dann von vorne anfangen."
„Furchtbar!" sagte ich. Almalotte sah mich dankbar an.
„And dann," fuhr sie fort, „habe ich eine furchtbare Entdeckung
gemacht."
„Am Gottes Willen!"
„Das heißt, der Badearzt hier, dem ich ewig dafür dankbar sein
werde, hat es entdeckt. Ich weiß nicht, ob ich Vertrauen zu Ihnen
haben kann."
„Sie kennen mich jetzt volle acht Tage," warf ich ein, „wenn es
noch längerer Prüfung bedarf, dann müßte ich Sie für eine miß-
trauische Natur halten."
„Sie haben vollkommen recht. Also, der Badearzt hat festge-
stellt, daß mein Wadenumfang, verglichen mit der Venus von Me-
dici, uin volle anderthalb Zentimeter zu klein ist."
Ich drückte Almalotte bewegt die Land.
„Toll!" sagte ich. „Aber Sie meinen doch die Venus von Milo."
„Aber nein, wissen Sie denn nicht, daß nach den neuesten For-
schungen die Mediceische Venus das Schönheitsideal der Frau dar-
stellt? Die von Milo ist doch unmöglich!"
„Tja, und nun?"
„Ich werde täglich massiert. Der Badearzt hofft, daß sich bereits
in 8 Tagen der Fehler wettmachen läßt."
Almalotte erschien nicht mehr zum Baden. Der Duft ihrer
Krems, Essenzen und Mixturen wurde nicht mehr vom Westwind in
meine aufhorchende Nase getragen, der unverwendbare Aeberschuß
nicht mehr wie Farben auf der Palette an meinem Arm abgestrichen.
Ich kam kulturell in der nächsten Zeit arg herunter. Schon nach drei
Tagen wußte ich nicht mehr, ob meine Kenntnisse über den Stand
der Augenbrauenmode noch entfernt aus der Löhe waren, ob man
Strandmützen auf dem linken oder rechten Ohr trägt, ob man das
Kinn hoch oder tief trägt-
Nach 5 Tagen besuchte ich Almalotte in ihrem Lotel. Sie lag
auf der Sonnenterrasse vor ihrem Zimmer.
„Am Limmels Willen," rief ich entsetzt, „Sie sind ja dunkel-
braun! Jane Lartlow trägt doch Antilope."
Almalotte lächelte nachsichtig.
„Lieber Freund, das ist Gott sei Dank überholt. Lilian Larvey
ist kühn zu Mahagoni übergegangen, und die Lartlow, püh, von der
nimmt kein Lund ein Stück Brot mehr."
„Auch kein Stück Teint? And wann kommen Sie wieder zum
Strand hinunter? Lat der Badearzt funktioniert?"
„Ich reise morgen ab. Ja, anderthalb Zentimeter sind aufgeholt."
„Ein schöner Erfolg!"
„Aber nur auf der einen Seite hat er es erreicht, der Trottel."
Beim Verhör
„Warum waren Sie drei Jahre im Gefängnis?"
„Manhatmichnichtfrüherherausgelassen,Lerr Polizeikommissar!"
Gestörte Mittagsschläfchen
„Können Sie eigentlich bei Ihren vielen Schulden ruhig schlafen?"
„In der Nacht schon! Aber mittags werde ich sehr häufig von
Gläubigern gestört!"
Einzige Möglichkeit
Niemand weiß etwas davon, keiner hat auch nur eine Ahnung.
Aber die beiden Verliebten spazieren auch immer in Gegenden, wo-
hin sich kaum jemand aus ihrem Kreise verirrt.
Doch heute-Agnes erschrickt und löst sich von Brunos
Arm. „Limmel — da kommt meine Tante! Zum Glück kennt sie
dich nicht. Zieh den Lut, als wenn du mich anbettelst-ich
werde dir einen Groschen geben!"
Äie in solchen Fällen zitierte Ewigkeit ist es her, daß Bast und
Tolle einander nicht zu Gesicht bekommen haben. Leute treffen sie
in einer Weinkneipe zusammen. Bast bestellt sich eine ganze Pulle,
Tolle nur einen kleinen Schoppen.
„Nanu, das war doch früher nicht!" wundert sich Bast.
„Ja, ich war ei» Vierteljahr im Sanatorium," erklärt Tolle.
„Jetzt trinke ich nie mehr."
„So, so-vertragen Sie jetzt nicht mehr, oder wollen Sie
die Kosten wieder einbringen?"
Vorzügliche Ware
Der Drogist Bartel ist ein rühriger Mann; viele Sachen, die
andere Drogisten aus der Fabrik oder vom Großhändler beziehen,
stellt er selber her. Erstens verdient er dabei mehr, und zweitens
kriegen seine Kunden — wenigstens behauptet er das — dann etwas
viel Besseres.
Eine Dame verlangt bei Bartel ein Fleckwasser. Bartel freut
sich, mit etwas ganz Vorzüglichem dienen zu können. „Eigenes Fabri-
kat, gnädige Frau! Dieses Fleckwasser schont jeden Stoff, selbst das
zarteste Gewebe, und bringt doch alle Flecken heraus, sogar die sonst
gewöhnlich nicht zu beseitigenden."
„Also auch Tintenflecke?"
„Selbstverständlich, gnädige Frau! Allerdings" —' Bartel lächelt
selbstgefällig — „mit einer Ausnahme: meine Wäschetinte! Die ist
unzerstörbar, und das soll sie ja auch sein."
Die Dame kauft das Fleckwasser. Gleich darauf — wie sich das
so trifft! — fragt eine andere Kundin: „Laben Sie gute Wäsche-
tinte ?"
„Die allerbeste, die es geben kann — von mir selbst nach be-
währtem Rezept hergestellt. Gibt unzerstörbare Schrift."
„Geht sie auch wirklich nicht mit der Zeit aus der Wäsche heraus ?"
„Ganz ausgeschlossen! Nur eins gibt es, dem diese Wäschetinte
nicht standhalten würde: mein prima Fleckwasser!" —o„.
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hatten zusammen geschwommen — das heißt: eigentlich nicht, denn
ich war immer längst fertig, wenn Almalotte knapp ihre Lauttoilette,
ein vielfältiges Salben, Kremen, Schmieren und Oelen beendet hatte.
Dafür war ich auch nur ordinär braun, Almalotte aber apart bronzen
geworden. Das sei das neueste, behauptete sie.
Am neunten Tag erschien Almalotte im Strandanzug mit breit-
krempigem Lut auf dem Sand. Ich erkannte sie vom Wasser aus,
trotzdem ich etwa 200 Meter weit hinausgeschwommen war.
Triefend kam ich bei ihr an. Almalotte saß versonnen, nicht
versonnt, und seltsam still da.
„Schwimmen wir ein Stück zusammen hinaus!" sagte ich.
Almalotte schüttelte den Kopf. „Kommt für mich nicht mehr in
Frage!"
„Aber ich bitte Sie, Almalotte, warum?"
„Aus zwei Gründen. Erstens bin ich auf die Angaben meines
Berliner Kosmetikers hineingefallen — jawohl, hineingefallen. Der
Mann hat mir versichert, daß Bronze immer noch die große Mode
sei — was soll ich Ihnen sagen: gestern lese ich, daß Jane Lartlow,
die Lollywooder Filmprominente, die in allen Modefragen ton-
angebend ist-*
„Wer ist Jane Lartlow?"
„Wer Jane Lartlow ist? Tja, da kann man nichts machen!"
bedauerte Almalotte meine Anbildung. „Nun, davon ein andermal!
Also Jane trägt diesen Sommer ,Antilope". Ich muß jetzt erst ab-
blaßen und kann dann von vorne anfangen."
„Furchtbar!" sagte ich. Almalotte sah mich dankbar an.
„And dann," fuhr sie fort, „habe ich eine furchtbare Entdeckung
gemacht."
„Am Gottes Willen!"
„Das heißt, der Badearzt hier, dem ich ewig dafür dankbar sein
werde, hat es entdeckt. Ich weiß nicht, ob ich Vertrauen zu Ihnen
haben kann."
„Sie kennen mich jetzt volle acht Tage," warf ich ein, „wenn es
noch längerer Prüfung bedarf, dann müßte ich Sie für eine miß-
trauische Natur halten."
„Sie haben vollkommen recht. Also, der Badearzt hat festge-
stellt, daß mein Wadenumfang, verglichen mit der Venus von Me-
dici, uin volle anderthalb Zentimeter zu klein ist."
Ich drückte Almalotte bewegt die Land.
„Toll!" sagte ich. „Aber Sie meinen doch die Venus von Milo."
„Aber nein, wissen Sie denn nicht, daß nach den neuesten For-
schungen die Mediceische Venus das Schönheitsideal der Frau dar-
stellt? Die von Milo ist doch unmöglich!"
„Tja, und nun?"
„Ich werde täglich massiert. Der Badearzt hofft, daß sich bereits
in 8 Tagen der Fehler wettmachen läßt."
Almalotte erschien nicht mehr zum Baden. Der Duft ihrer
Krems, Essenzen und Mixturen wurde nicht mehr vom Westwind in
meine aufhorchende Nase getragen, der unverwendbare Aeberschuß
nicht mehr wie Farben auf der Palette an meinem Arm abgestrichen.
Ich kam kulturell in der nächsten Zeit arg herunter. Schon nach drei
Tagen wußte ich nicht mehr, ob meine Kenntnisse über den Stand
der Augenbrauenmode noch entfernt aus der Löhe waren, ob man
Strandmützen auf dem linken oder rechten Ohr trägt, ob man das
Kinn hoch oder tief trägt-
Nach 5 Tagen besuchte ich Almalotte in ihrem Lotel. Sie lag
auf der Sonnenterrasse vor ihrem Zimmer.
„Am Limmels Willen," rief ich entsetzt, „Sie sind ja dunkel-
braun! Jane Lartlow trägt doch Antilope."
Almalotte lächelte nachsichtig.
„Lieber Freund, das ist Gott sei Dank überholt. Lilian Larvey
ist kühn zu Mahagoni übergegangen, und die Lartlow, püh, von der
nimmt kein Lund ein Stück Brot mehr."
„Auch kein Stück Teint? And wann kommen Sie wieder zum
Strand hinunter? Lat der Badearzt funktioniert?"
„Ich reise morgen ab. Ja, anderthalb Zentimeter sind aufgeholt."
„Ein schöner Erfolg!"
„Aber nur auf der einen Seite hat er es erreicht, der Trottel."
Beim Verhör
„Warum waren Sie drei Jahre im Gefängnis?"
„Manhatmichnichtfrüherherausgelassen,Lerr Polizeikommissar!"
Gestörte Mittagsschläfchen
„Können Sie eigentlich bei Ihren vielen Schulden ruhig schlafen?"
„In der Nacht schon! Aber mittags werde ich sehr häufig von
Gläubigern gestört!"
Einzige Möglichkeit
Niemand weiß etwas davon, keiner hat auch nur eine Ahnung.
Aber die beiden Verliebten spazieren auch immer in Gegenden, wo-
hin sich kaum jemand aus ihrem Kreise verirrt.
Doch heute-Agnes erschrickt und löst sich von Brunos
Arm. „Limmel — da kommt meine Tante! Zum Glück kennt sie
dich nicht. Zieh den Lut, als wenn du mich anbettelst-ich
werde dir einen Groschen geben!"
Äie in solchen Fällen zitierte Ewigkeit ist es her, daß Bast und
Tolle einander nicht zu Gesicht bekommen haben. Leute treffen sie
in einer Weinkneipe zusammen. Bast bestellt sich eine ganze Pulle,
Tolle nur einen kleinen Schoppen.
„Nanu, das war doch früher nicht!" wundert sich Bast.
„Ja, ich war ei» Vierteljahr im Sanatorium," erklärt Tolle.
„Jetzt trinke ich nie mehr."
„So, so-vertragen Sie jetzt nicht mehr, oder wollen Sie
die Kosten wieder einbringen?"
Vorzügliche Ware
Der Drogist Bartel ist ein rühriger Mann; viele Sachen, die
andere Drogisten aus der Fabrik oder vom Großhändler beziehen,
stellt er selber her. Erstens verdient er dabei mehr, und zweitens
kriegen seine Kunden — wenigstens behauptet er das — dann etwas
viel Besseres.
Eine Dame verlangt bei Bartel ein Fleckwasser. Bartel freut
sich, mit etwas ganz Vorzüglichem dienen zu können. „Eigenes Fabri-
kat, gnädige Frau! Dieses Fleckwasser schont jeden Stoff, selbst das
zarteste Gewebe, und bringt doch alle Flecken heraus, sogar die sonst
gewöhnlich nicht zu beseitigenden."
„Also auch Tintenflecke?"
„Selbstverständlich, gnädige Frau! Allerdings" —' Bartel lächelt
selbstgefällig — „mit einer Ausnahme: meine Wäschetinte! Die ist
unzerstörbar, und das soll sie ja auch sein."
Die Dame kauft das Fleckwasser. Gleich darauf — wie sich das
so trifft! — fragt eine andere Kundin: „Laben Sie gute Wäsche-
tinte ?"
„Die allerbeste, die es geben kann — von mir selbst nach be-
währtem Rezept hergestellt. Gibt unzerstörbare Schrift."
„Geht sie auch wirklich nicht mit der Zeit aus der Wäsche heraus ?"
„Ganz ausgeschlossen! Nur eins gibt es, dem diese Wäschetinte
nicht standhalten würde: mein prima Fleckwasser!" —o„.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sorgen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1934
Entstehungsdatum (normiert)
1929 - 1939
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 181.1934, Nr. 4662, S. 355
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg