Fliegende Blätter (182.1935 (Nr. 4666-4691) = 91. Jahrg.)

Zeichnung von M. Claus

WALZER AUS WIEN

fleht Radios sind im Gange
Im Mietshaus Nr. 3,

Eins würde genügen — lange!

Hier bastelt jede Partei. —

Frau Müller im 4. Stocke
Rührt in der Erbswurst rum,
Dazwischen stopft sie die Socke
Vom Untermieter Schlumm.

Ein Walzer aus Wien,

Und die Geigen juchzen,

Ja, da liegt sowas drin:

Es ist grad zum Schluchzen!

Und drüber zwitschern die Flöten so leise —
Das bringt alle Welt aus dem fllltagsgeleise.
Es macht alle Sehnsucht grün
So ein Walzer aus Wien!

Bei Zieps in der zweiten Etage
Vermischt sichs mit anderem Ton:

Da kam der Vater in Rage
Und prügelt im Takte den Sohn,
im Hinterhaus — einer von vielen! —
Wird ein Poet fast verrückt:

Statt Jamben entstanden Daktylen —

So hat ihn der Rhythmus erdrückt.

Ein Walzer aus Wien,

Und die Geigen juchzen.

Ja, da liegt sowas drin:

Es ist grad zum Schluchzen!

Und drüber zwitschern die Flöten so leise —
Das bringt alle Welt aus dem fllltagsgeleise,
Es macht alle Sehnsucht grün
So ein Walzer aus Wien!

*

Die Köchin, in plötzlichem Feuer,

Die tut, was sie nie gedacht:

Sie küßt den Postboten Meier,

Der ihr einen Brief gebracht.

Ein Mädel verdrischt einen Läufer
Im Hof, dreivierteltaktfest,

Und ein armer Seifenverkäufer
Walzt solo am Treppenpodest.

So ein Walzer aus Wien,

Und die Geigen juchzen.

Ja, da liegt sowas drin:

Es ist grad zum Schluchzen!

Und drüber zwitschern die Geigen so leise —
Das bringt alle Welt aus dem fllltagsgeleise.
Es macht alle Sehnsucht grün
So ein Walzer aus Wien!

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