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Ein Abschiedsbrief
Das war Steffis großer Fehler, daß sie ihrer Wirkung zu sicher
war und mit den Gefühlen anderer spielte. So etwas wird immer
bestraft. Es war wirklich nicht schön von ihr, Theo, den guten Theo,
dazu einzuladen, als Arno vor seiner Weltreise das letzte Mal zu
ihr zum Tee kam. Aber nicht einmal in diesem doch gewissermaßen
rührenden Moment konnte sie es sich versagen, die beiden gegen-
einander auszuspielen. So war sie mit ihren beiden Verehrern Theo
und Arno immer umgesprungen.
Zweifellos war Arno nicht nur gekommen, um Adieu zu sagen.
Sicher hatte er eine bindende Zusage mitnehmen wollen, und er
wollte wohl gerade davon zu sprechen beginnen, als Theo eintrat,
eine Riesenbonbonniere unter den Arm geklemmt. Arno setzte die Tee-
taffe heftig nieder, und Theo, dem gutmütigen Jungen, der um Steffis
Willen ein ganzes Pralinegeschäft ständig in Atem hielt, gefror
das kindliche Lächeln auf den Lippen.
„Ich höre. Sie machen eine Weltreise," sagte Theo. „Wie lange
bleiben Sie fort?"
„Zwei Jahre oder drei, je nachdem."
„Das ist wie ein Abschied für immer, beinahe. Man muß, denke
ich mir, unzählige Dinge vorher ordnen."
„Ja, das muß man."
Man sprach vom Abschiednehmen, etwas gezwungen. And dann
hatte Steffi einen ihrer unsinnigen Einfälle. Vielleicht wollte sie es
gar nicht sagen, aber sie verspürte manchmal den unwiderstehlichen
Reiz, Dinge auszusprechen, von denen sie wußte, daß sie verletzen
mußten.
Sie sagte:
„Sentimentale Szenen sind unerträglich. Wenn ich ein Mann
wäre und könnte meiner Sache nicht ganz sicher sein, dann würde
ich schreiben, klipp und klar, kurz und bündig: Sehr verehrtes gnädiges
Fräulein! Ich glaube festgestellt zu haben, daß die besondere Art
unsrer Beziehungen nie zu einer tieferen Bindung führen kann. Wege
können sich treffen und ineinander münden oder sich kreuzen und
wieder auseinandergehen, aber nie nebeneinander herlaufen. Darum
ist es wohl das beste, wenn wir uns heute von einander verabschieden.
Zeichnung von I. Mauder
322
„Mister Lenderson, habe ich Sie für zoologische Fach-
deratung oder für plumpe Vertraulichkeiten engagiert?"
Ein Abschiedsbrief
Das war Steffis großer Fehler, daß sie ihrer Wirkung zu sicher
war und mit den Gefühlen anderer spielte. So etwas wird immer
bestraft. Es war wirklich nicht schön von ihr, Theo, den guten Theo,
dazu einzuladen, als Arno vor seiner Weltreise das letzte Mal zu
ihr zum Tee kam. Aber nicht einmal in diesem doch gewissermaßen
rührenden Moment konnte sie es sich versagen, die beiden gegen-
einander auszuspielen. So war sie mit ihren beiden Verehrern Theo
und Arno immer umgesprungen.
Zweifellos war Arno nicht nur gekommen, um Adieu zu sagen.
Sicher hatte er eine bindende Zusage mitnehmen wollen, und er
wollte wohl gerade davon zu sprechen beginnen, als Theo eintrat,
eine Riesenbonbonniere unter den Arm geklemmt. Arno setzte die Tee-
taffe heftig nieder, und Theo, dem gutmütigen Jungen, der um Steffis
Willen ein ganzes Pralinegeschäft ständig in Atem hielt, gefror
das kindliche Lächeln auf den Lippen.
„Ich höre. Sie machen eine Weltreise," sagte Theo. „Wie lange
bleiben Sie fort?"
„Zwei Jahre oder drei, je nachdem."
„Das ist wie ein Abschied für immer, beinahe. Man muß, denke
ich mir, unzählige Dinge vorher ordnen."
„Ja, das muß man."
Man sprach vom Abschiednehmen, etwas gezwungen. And dann
hatte Steffi einen ihrer unsinnigen Einfälle. Vielleicht wollte sie es
gar nicht sagen, aber sie verspürte manchmal den unwiderstehlichen
Reiz, Dinge auszusprechen, von denen sie wußte, daß sie verletzen
mußten.
Sie sagte:
„Sentimentale Szenen sind unerträglich. Wenn ich ein Mann
wäre und könnte meiner Sache nicht ganz sicher sein, dann würde
ich schreiben, klipp und klar, kurz und bündig: Sehr verehrtes gnädiges
Fräulein! Ich glaube festgestellt zu haben, daß die besondere Art
unsrer Beziehungen nie zu einer tieferen Bindung führen kann. Wege
können sich treffen und ineinander münden oder sich kreuzen und
wieder auseinandergehen, aber nie nebeneinander herlaufen. Darum
ist es wohl das beste, wenn wir uns heute von einander verabschieden.
Zeichnung von I. Mauder
322
„Mister Lenderson, habe ich Sie für zoologische Fach-
deratung oder für plumpe Vertraulichkeiten engagiert?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Plumpe Vertraulichkeiten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4712, S. 322
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg