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anzünden; an die obersten kommen wir immer so schlecht heran."
Kleine Weihnachtsgeschichten

Onkel Sebastian, der als Gönner von Zillebrechts geschäht wird,
war mit einem besonderen Präsent gekommen: mit seinem Kopf. In
Gips nämlich. Ein junger Bildhauer hatte das Ding gemacht, weil
sein Vater Onkel Sebastian verpflichtet ist. Er hat von ihm — aber
dieser Zusammenhang ist ja ganz gleichgültig.

Ja, da stand nun also das Bildwerk und wurde allgemein be-
wundert. Aber es war in Gefahr, von den Kerzen des Weihnachts-
baums einige Wachstropfen abzubekommen, und deshalb packte es der
Vater Zillebrecht, um ihm einen andern Platz zu geben. !lnd dabei
entfuhr ihm das flüchtige, wohl mehr aus dem Anterbewußtsei» kom-
mende Wort: „Nanu, so leicht? Der Kopp is wohl ooch hohl?"

Zillebrechts haben kein einziges Pferd im Lause. Aber selbst
hätten jetzt den Onkel Sebastian nicht davon zurückhalten können,
lichen Verwünschungen abzumarschieren.

„Sie wollen wahrscheinlich ein Auto haben," erkundigte ich mich,
„um noch rechtzeitig nach Lause zu kommen? Kann ich Ihnen be-
hilflich sein?"

„Sehr liebenswürdig, aber ich kann noch nicht nach Lause, ich
habe erst noch etwas sehr wichtiges zu erledigen. Können Sie mir
sagen, wo die Sielmeierstraße ist? Da will ich zu einem gewissen —
ja, wie heißt er nun gleich wieder?"

Er zog einen Laufen Zettel aus den Taschen und suchte lange
darin herum.

„Ja, richtig," sagte er dann, „Sielmeierstraße 14. Lechtsuppe
heißt er."

„Ein seltner Name!"

„Sonderbar," sagte mein Gegenüber versonnen, „ich meine, er
hätte anders geheißen. Aber da stehts doch, nicht wahr? Es war
keine Kleinigkeit, die Adresse noch zu erwischen, der Beamte auf der
Polizei hatte schon Dienstschluß und war schon im Mantel, um fort-
zugehen. An einem normalen Tag wäre wahrscheinlich alles Bitten

vergeblich gewesen, aber am Leiligen Abend-übrigens gestatten

Sie, mein Name ist Zirrdübel. Ich bin Versicherungsmathematiker."

Ich murmelte meinen Namen. Dann ließ ich einen Stadtplan
kommen und stellte fest, daß die Sielmeierstraße ganz weit draußen lag.

„Sie werden eine Stunde brauchen, um hinzukommen."

„Das ist einerlei. Ich muß hin. Meine Frau würde mir einen
schönen Krach machen, meine zweite Frau nämlich. Sie hat es sich
in den Kopf gesetzt, diesen Lerrn — wie hieß er doch gleich-?"

„Lechtsuppe," fügte ich ein.

„Also, diesen Lechtsuppe heute einzuladen. Es war ein verschol-
lener Jugendfreund von ihr, und sie hat auf irgend eine Weise er-
fahren, daß er hier lebt."

„Wenn Sie nichts dagegen haben," sagte ich, „so begleite ich
Sie und helfe Ihnen, Ihre Pakete tragen." Ich war in weicher
Schenkerlaune.

„Lechtsuppe," sagte in der Sielmeierflraße eine mürrische Stim-
me durch den Briefkastenschlitz, „den habe ich rausgeschmissen."

„Machen Sie doch mal auf!" sagte ich.

„Warum?" kam es aus dem Schlitz. Aber dann öffnete sich die
Türe doch, und eine Frau in buntem Morgenrock erschien im Spalt.

„Können Sie mir nichts über Lerrn Lechtsuppe sagen?" fragte
Zirrdübel.

„O ja, das kann ich. Fünfzig Mark ist er mir noch schuldig,
und sein Koffergrammophon steht noch bei mir. Das habe ich zurück-
behalten. Wenn Sie aber das Geld dalaffcn, können Sie es mitnehmen."

„Das ist eigentlich eine Idee," sagte Zirrdübel. „Können Sie
das Ding noch tragen?"

zehn Pferde
mit fürchter-

Stille Nacht

Das Lokal, in dem ich meinem Iunggesellen-Weihnachtsabend entgegendäm-
merte, war trostlos leer. Nur draußen vor den Scheiben hasteten die Menschen in
ununterbrochenem Strom vorbei, stauten sich Autos und versperrten Straßenbahnen
einander den Weg. Wie lange noch, und auch auf der Straße würde kein Leben
mehr fein. Mir wurde unbehaglich. Junggesellen sind das ganze Jahr zu beneiden,
bloß am Weihnachtsabend nicht. Ich zahlte und beschloß, mir in der nächsten
Apotheke ein Schlaspulver zu spendieren und um sieben zu Bett zu gehen. Wenn
ich nur jemand zu bescheren gehabt hätte! Aber ich hatte niemand zu bescheren.

Ich zog schon den Mantel an, da stolperte ein Mann herein. Das heißt, es
war eigentlich ein Bündel von Paketen mit Beinen daran. Das Bündel stieß
einen Marmortisch um und streifte in gefährlicher Weise einen Tortenständer.
Dann machte es Miene, durch die Spiegelscheibe auf die Straße zurückzugehen.
Ich warf mich dazwischen, wies ihm den Weg zu einem Sofa und half beim Ab-
legen der Pakete. Der zum Vorschein kommende Mann trug sehr scharfe Brillen-
gläser, die jetzt stark beschlagen waren.

„Vielen Dank, mein Lerr," sagte der Mann, putzte sich die Gläser und streckte
dann ächzend die vom Tragen steif gewordenen Arme.

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Undank
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der lange Onkel" "Undank"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinhardt, Franz
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 182.1935, Nr. 4716, S. 388

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