Philipps Ansprache
nicht verlangen, aber Achtung wollte er spüren, große Achtung.
Sonst wurde er tückisch.
„Ich komme mit dir mit!" sagte Philipp. „Den Kerl muß ich
mir ansehn; solch eine Gelegenheit habe ich nie wieder." — Schön;
wir fuhren also zusammen los, und es wurde für Philipp ein loh-
nender Ausflug, von dem aber nichts Besonderes zu berichten ist.
Bis aus den Empfang bei Muata Ioambo! Da hat sich mein Freund
Philipp ein Stück geleistet, das mir das ganze Geschäft hätte ver-
masseln können, wenn ich mich nicht zusammengenommen hätte wie
noch niemals in meinem Leben. Man spricht doch von sogenannten
Lachinuskeln, was in anatomischer Einsicht wohl keine Berechtigung
hat. Welche ungeheure Anstrengung es kosten kann, diese Muskeln,
während sie geradezu angepeitscht werden, still zu halten-ja,
das habe ich damals gespürt.
Bei Muata Ioainbo konnte man nur angemeldet zu einer von
ihm festgesetzten Stunde erscheinen, teils wegen des erwähnten Re-
spekts, wenn er auch nur simuliert war; vor allem aber auch, damit
der Mann nicht gerade sinnlos betrunken war; aus diesem letzten
Grunde fanden Besuche gewöhnlich nur am Vormittag statt. Ich
ließ mich also bei Muata Ioambo ankündigen und hinzufügen, daß
ich einen Freund mitbringen würde, einen Neuling im Lande, der
den großen Somba zu begrüßen wünsche. Darauf ließ mir Muata
Ioambo bestellen, er würde sich freuen, den Fremdling zu sehen.
Natürlich war er sehr neugierig.
Der Empfang war auch feierlicher, als wenn ich allein gekom-
men wäre. Gesinde und Gesindel war in größerer Menge aufgebo-
ten, und Muata Ioambo saß, nur mäßig angetrunken, in großer
Würde da. Ich hatte mit Philipp verabredet, daß er — denn Muata
Ioambo erwartete das — eine kleine Begrüßungsansprache halten
sollte, wobei er seine deutschen Worte, die ja Ioambo nicht verstehen
konnte, durch feierlichen Ton und ernste Miene wenigstens dem Ge-
fühl des begrüßten Lerrn deutlich machen müßte. Darauf würde
ich der Dolmetscher sein; bei der Aebersetzung würde ich dann die
vielleicht gebotenen Aenderungen und Zusätze vornehmen. Philipp
hatte versprochen, so feierlich und ernst zu sein, als wenn es bei
seiner Trauung wäre.
Nun ging es los. Ich begrüßte Muata Ioambo und gab mei-
nem Vergnügen Ausdruck, ihn gesund und blühend zu finden, denn
das hörte auch er gern wie jedermann. Dann zeigte ich auf Philipp
und sagte, das wäre mein Freund Senhor Felipe, den keinerlei Ge-
schäfte ins Land geführt hätten; er wäre nur ein Reisender, der
Länder und Völker kennen lernen wollte und sich nun ganz besonders
freute, den Somba Muata Ioambo, von dem er durch mich schon
so viel Rühmenswertes erfahren hätte, begrüßen zu dürfen. Das
werde er jetzt tun; er könne es leider nur in der Sprache feines
eigenen Volkes, den» auch das Portugiesische sei ihm fremd, aber
erkennen."
„Dann hättest du dich auf intelligent zurechtmachen müssen."
ich würde es getreulich wiedergeben. And dann gab ich Philipp
eine» Wink.
And jetzt kam's. Mein lieber Philipp sah den Muata Ioambo
an wie ein Gesandter, der einem großen Monarchen sein Beglaubi-
gungsschreiben überreichen soll, und sprach mit einer Feierlichkeit,
die zu dem Berlinischen in seinen Worten in einem erschütternd
grotesken Gegensatz stand: „Juten Dag ooch! O du gewaltiges An-
getüm! Ich freue mich wahrhaftig, dich zu sehn; da hat mein Freund,
der dir das wohl eben in deiner Drecksprache
erzählt hat, nicht geschwindelt. Denn sowas von
einem menschlichen Mastschwein zu sehn —da sollte
man eigentlich einen Taler blechen müssen. Da
bleibt einem ja die Spucke weg; da kann man
nur noch flüstern: Sowat lebt ja nich' und zap-
pelt doch! Junge, Junge — feit wann hast du
dir den Bauch stehn lassen? Mensch, was mußt
du in deinen Fletschkasten 'ringeschoben haben!
Anker dir muß ja das Fett eimerweise weg-
schwimmen. And so fasse ich den» meine Loch-
achtung in die Worte zusammen: Dick, dumm,
faul und gefräßig!"
Das war eine reizende Szene. Der schwarze
Dickwanst lauschte mit Wohlgefallen den ihm
unverständlichen, aber süß klingenden Worten
und zeigte Philipp ein Grinsen, das große Luld
bedeuten sollte. Ich aber sollte nun Dolmetscher
sein. Elend gestottert habe ich, einige dort übliche
Versicherungen der Hochachtung in der ungefäh-
ren Zeitdauer von Philipps blödsinniger Rede
abgebend. Denn natürlich durfte ich nicht kürzer
115
„Immer ist die Kleine um mich; hat die nun ein Auge
aus mich, oder verwendet sie mich bloß als Windschutz?"
nicht verlangen, aber Achtung wollte er spüren, große Achtung.
Sonst wurde er tückisch.
„Ich komme mit dir mit!" sagte Philipp. „Den Kerl muß ich
mir ansehn; solch eine Gelegenheit habe ich nie wieder." — Schön;
wir fuhren also zusammen los, und es wurde für Philipp ein loh-
nender Ausflug, von dem aber nichts Besonderes zu berichten ist.
Bis aus den Empfang bei Muata Ioambo! Da hat sich mein Freund
Philipp ein Stück geleistet, das mir das ganze Geschäft hätte ver-
masseln können, wenn ich mich nicht zusammengenommen hätte wie
noch niemals in meinem Leben. Man spricht doch von sogenannten
Lachinuskeln, was in anatomischer Einsicht wohl keine Berechtigung
hat. Welche ungeheure Anstrengung es kosten kann, diese Muskeln,
während sie geradezu angepeitscht werden, still zu halten-ja,
das habe ich damals gespürt.
Bei Muata Ioainbo konnte man nur angemeldet zu einer von
ihm festgesetzten Stunde erscheinen, teils wegen des erwähnten Re-
spekts, wenn er auch nur simuliert war; vor allem aber auch, damit
der Mann nicht gerade sinnlos betrunken war; aus diesem letzten
Grunde fanden Besuche gewöhnlich nur am Vormittag statt. Ich
ließ mich also bei Muata Ioambo ankündigen und hinzufügen, daß
ich einen Freund mitbringen würde, einen Neuling im Lande, der
den großen Somba zu begrüßen wünsche. Darauf ließ mir Muata
Ioambo bestellen, er würde sich freuen, den Fremdling zu sehen.
Natürlich war er sehr neugierig.
Der Empfang war auch feierlicher, als wenn ich allein gekom-
men wäre. Gesinde und Gesindel war in größerer Menge aufgebo-
ten, und Muata Ioambo saß, nur mäßig angetrunken, in großer
Würde da. Ich hatte mit Philipp verabredet, daß er — denn Muata
Ioambo erwartete das — eine kleine Begrüßungsansprache halten
sollte, wobei er seine deutschen Worte, die ja Ioambo nicht verstehen
konnte, durch feierlichen Ton und ernste Miene wenigstens dem Ge-
fühl des begrüßten Lerrn deutlich machen müßte. Darauf würde
ich der Dolmetscher sein; bei der Aebersetzung würde ich dann die
vielleicht gebotenen Aenderungen und Zusätze vornehmen. Philipp
hatte versprochen, so feierlich und ernst zu sein, als wenn es bei
seiner Trauung wäre.
Nun ging es los. Ich begrüßte Muata Ioambo und gab mei-
nem Vergnügen Ausdruck, ihn gesund und blühend zu finden, denn
das hörte auch er gern wie jedermann. Dann zeigte ich auf Philipp
und sagte, das wäre mein Freund Senhor Felipe, den keinerlei Ge-
schäfte ins Land geführt hätten; er wäre nur ein Reisender, der
Länder und Völker kennen lernen wollte und sich nun ganz besonders
freute, den Somba Muata Ioambo, von dem er durch mich schon
so viel Rühmenswertes erfahren hätte, begrüßen zu dürfen. Das
werde er jetzt tun; er könne es leider nur in der Sprache feines
eigenen Volkes, den» auch das Portugiesische sei ihm fremd, aber
erkennen."
„Dann hättest du dich auf intelligent zurechtmachen müssen."
ich würde es getreulich wiedergeben. And dann gab ich Philipp
eine» Wink.
And jetzt kam's. Mein lieber Philipp sah den Muata Ioambo
an wie ein Gesandter, der einem großen Monarchen sein Beglaubi-
gungsschreiben überreichen soll, und sprach mit einer Feierlichkeit,
die zu dem Berlinischen in seinen Worten in einem erschütternd
grotesken Gegensatz stand: „Juten Dag ooch! O du gewaltiges An-
getüm! Ich freue mich wahrhaftig, dich zu sehn; da hat mein Freund,
der dir das wohl eben in deiner Drecksprache
erzählt hat, nicht geschwindelt. Denn sowas von
einem menschlichen Mastschwein zu sehn —da sollte
man eigentlich einen Taler blechen müssen. Da
bleibt einem ja die Spucke weg; da kann man
nur noch flüstern: Sowat lebt ja nich' und zap-
pelt doch! Junge, Junge — feit wann hast du
dir den Bauch stehn lassen? Mensch, was mußt
du in deinen Fletschkasten 'ringeschoben haben!
Anker dir muß ja das Fett eimerweise weg-
schwimmen. And so fasse ich den» meine Loch-
achtung in die Worte zusammen: Dick, dumm,
faul und gefräßig!"
Das war eine reizende Szene. Der schwarze
Dickwanst lauschte mit Wohlgefallen den ihm
unverständlichen, aber süß klingenden Worten
und zeigte Philipp ein Grinsen, das große Luld
bedeuten sollte. Ich aber sollte nun Dolmetscher
sein. Elend gestottert habe ich, einige dort übliche
Versicherungen der Hochachtung in der ungefäh-
ren Zeitdauer von Philipps blödsinniger Rede
abgebend. Denn natürlich durfte ich nicht kürzer
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„Immer ist die Kleine um mich; hat die nun ein Auge
aus mich, oder verwendet sie mich bloß als Windschutz?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Dumme Maske" "Windschutz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4673, S. 115
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg