Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeichnung von I. Mauder

Der „junge" Hahn

Q3cfftc(f Von Alfred Semerau

„Unmöglich, Dora, ich sage dir, es ist unmöglich!"

„And ich wiederhole, Franz, es ist die einfachste Geschichte von
der Welt. Jede Frau mit etwas gesundem Menschenverstand ist
schlauer als ihr sämtlichen Detektive zusammen!"

„Liebes Kind, du vergißt dich entschieden," erklärte der Detektiv
Franz .Härtung, „du vergißt, daß ich mich für meinen Beruf jahre-
lang ausgebildet habe. Ich möchte mich nun aber nicht weiter mit
dir streiten."

Frau Dora lächelte leicht. „Wie es dir beliebt. Aber Worte
beweisen nichts, nur die Tat. Du sagst also, daß es für mich unmög-
lich ist, einen Gegenstand so zu verstecken, daß man ihn nicht finden
kann? Wollen wir es auf einen Versuch ankommen lassen? Eine
ganz einfache Probe! Ich ziehe also meinen Trauring vom Finger"
sie streifte ihn ab „und nun gehen wir in das Vorzimmer. Ich kehre
dann allein in dies Zimmer hier zurück, und eine Minute später
kommst du nach . . . wenn du den Ring in einer halben Slunde
findest, hast du gewonnen und darfst deine Bedingungen stellen. Wenn
du ihn nicht findest, hast du verloren, und als Reugeld bedinge ich
mir aus, daß wir heute die Oper besuchen und danach in einem
guten Restaurant essen."

Hartung lächelte. „Nun, ich glaube, daß du auf beide Genüsse
wohl verzichten müssen wirst. Also bitte! Aber ich stelle die Be-
dingung, daß du den Ring nicht in eine Dielenritze steckst und auch
nicht an dir selbst verbirgst."

Sie nickte. „Angenommen. Ich gewinne ja doch, du wirst sehen."

„And du bringst den Ring sofort wieder zum Vorschein, wenn
ich ihn nicht finde?"

„In zwei Sekunden."

„Das ist unmöglich, Dora, unmöglich."

„Es ist wohl möglich, mein guter Franz," sagte sie und warf
ihm einen Siegesblick zu.

Sie hielt den Ring hoch, öffnete die Tür, trat ein und schloß
sie hinter sich.

Er zog die Ahr, sah auf den Sekundenzeiger und lauschte dabei.

Er hörte das Rascheln einer Zeitung, hörte die Ofentür klappern,
hörte ihr geschäftiges Auf- und Abgehen und lächelte spöttisch.

Die Minute war um, und er klopfte scharf an die Tür.

Auf das helle Herein trat er ein. Sie stand schon auf der Schwelle,
legte die Arme um seine Schultern und sagte: „Ich hoffe, du kannst
es dir leiste», mich in die Oper zu führen."

„Komm, du Frechdachs! Wo ist der Ring?"

Er suchte. Er ging zum Tisch. Da war aus der Zeitung eine
Ecke herausgerissen. Im Ofen fand er das 'zusammengeknüllte Pa-
pierstückchen, aber der Ring war nicht darin. Er glättete es und
bemerkte, daß noch ein Stückchen daran fehlte.

Er sah Dora an. Sie saß an ihrem Nähtisch und sah ihn spitz-
bübisch an. „Mach dir doch die Lände nicht schmutzig. Der Ring
ist nicht im Ofen. Ich sitze auch nicht darauf", sie stand auf, „bitte,
sieh! Der Ring ist auch nicht unter dem Teppich. Du brauchst dich
nicht abzumühen, es macht nur Staub."

Er sah sie zweifelnd an. Ob er ihrer Versicherung wohl trauen
konnte?

Sie nickte ihm zu: „Du kannst es glauben."

Er untersuchte die Bandschleife an ihrem Nähkorb, das Nadel-
kissen, das Metermaßkästchen, stülpte den Korb endlich um, dann ging
er zu dem Schränkchen, wo sie allerlei Putz verwahrte.

„Bringe doch erst nichts in Anordnung, Lieber, der Ring ist im
Zimmer, aber nicht dort, wo du suchst."

Er suchte immer nervöser, kehrte die Polsterstühle um, fuhr mit
der Land über den Diwan, trat zu ihrem Bücherbrett, sah unter die
Seidenschirme der elektrischen Lampen, unter den Tisch, betrachtete
genau die Nippsache», wendete die Wiener Porzellanfigürchen und
brummte ärgerlich vor sich hin.

„Du hast nicht mehr viel Zeit," stellte Dora mit einem Blick
auf die Ahr fest, „nur noch fünf Minuten. Nun, was habe ich gesagt
von den klugen Detektiven und der noch gescheiteren Fra»? Ich freue
mich schon auf die Oper. Es gibt die Meistersinger," sagte sie mit
einem Blick auf die Zeitung, „und eine feine Besetzung. Guter Gott,
nun bist du schon beim Flickkorb angelangt . . . Aber, Franz, auch
dort ist der Ring nicht."

Aber er ließ sich nicht beirren und wühlte alles durcheinander.
Er war noch nicht mit der Durchsuchung fertig, da rief sie: „Deine
Zeit ist um. Bitte, sieh!" And sie hielt ihm die Ahr hin.

179
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der "junge" Hahn"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4677, S. 179

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen