Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
o

Die Bezahlung der Gepäckträger

Von Peter Robinson

Drei Wochen war Tante Lermine bei ihrem Neffen Felix Fiedler
und seiner jungen Frau zu Besuch gewesen, drei lange Wochen.
Denn zweifellos wären Fiedlers die Wochen kürzer vorgekommen,
wenn die Tante nicht dagewesen wäre. Die Zeit scheint einem länger,
wenn man ihre Abschnitte zählt, in diesem Fall die Tage. „Noch
20, noch 19, noch 18 Tagei" usw. hatten Fiedlers gezählt. Aber
heute fuhr nun Tante Lermine ab — am 1. April, wie sie das von
Anfang an vorgehabt hatte. Denn am 2. wollte sie anfangen, in
ihrem ansehnlichen, nur unbedeutend belasteten Lause die zahlreichen
Mieten einzukassieren. Das tat sie immer selbst, denn sie war ein
tüchtiges altes Fräulein.

Am 12 Ahr 43 ging Tante Lermines Zug. Man hatte deshalb
früher gegeffen, und während nun Tante Lermine die letzte Feile
an ihre Reisevorbereitungen legte, machte die junge Frau ihr noch
etwas Obstproviant zurecht, und Felix stand müßig dabei. Er mußte
die Tante nach dem Bahnhof bringen; seine Frau aber durfte nicht
mit; das hatte sich Tante Lermine verbeten, sie wünschte keinen
großen Aufwand an Abschiedsstimmung.

„Ach, Bruno, du wirst mich sicher durchs Leben führen!"

„Gewiß, Liebste! Deine Loffnungen sollen nicht zu Wasser werden."
194

Frau Fiedler packte also Obst ein. Sie besaß ein Gebilde aus
Seife, das einem edlen Apfel täuschend ähnlich war — bis auf den
Geschmack natürlich. „Was meinst du, Felix?" fragte sie. „Soll ich
das Ding dazu packen? Leute ist doch der 1. April."

Aber Felix wehrte ab. „Pscht — kein Wort vom 1. April! And
ja nicht sowas machen! Tante darf nicht daran denken, daß heute
der 1. April ist. Ich habe nämlich was vor."

„Was denn?"

„Nachher — wenn's geglückt ist. Zch sage bloß ein Wort: Ge-
päckträger!" Aber dann sagte er doch noch einige Worte mehr.
„Als sie ankam — was war das für ein Spektakel wegen des Ge-
päckträgers I Für ihre drei Koffer wollte sie dem Mann 20 Pfennige
zahlen, und als ich ihm dann eine Mark gab, sagte sie, ich wäre
wahnsinnig, denn der Mann wäre ja nur 5 Minuten in Anspruch
genommen worden, und ich billigte ihm also einen Stundenlohn von
12 Mark zu. And jedesmal ist das so gewesen, wenn sie irgendwo
einen Gepäckträger genommen hat."

Allerdings — das hatte Felix Fiedler schon öfter mit Tante
Lermine erlebt. Sie war eine genau rechnende Dame, aber was
von Rechtswegen gezahlt werden mußte, das zahlte sie auch ohne
Murren. Nur die Entlohnung von Gepäckträgern machte eine Aus-
nahme, da scheute sie das häßlichste Linunterdrücken nicht. Einige
Verwandte glaubten, den Grund zu wiffen. Tante Lermine hätte
einmal vor langer Zeit, in ihren jungen Jahren, in einem Zuge
gesessen und noch auf ihr einem Träger anvertrautes Gepäck ge-
wartet. Der Mann hätte sich aber verbummelt, und da hätte Tante
Lermine wieder aussteigen und den Zug abfahren lassen müssen.
Zn dem Zuge aber hätte ein liebenswürdiger Lerr gesessen,der bereits
ein Gespräch mit ihr angeknüpft hätte, und so hätte die Bummelet
des Gepäckträgers vielleicht den Verlust einer schönen Loffnung für
sie bedeutet. Aber am Ende war an dieser Geschichte nichts Wahres;
unter Verwandten wird ja so viel dummes Zeug geklatscht.-

Ein Gepäckträger stand bereit, als man am Bahnhof vorfuhr;
es war Nummer 17, wie Felix feststellte. „Nach Berlin!" sagte
Tante Lermine. „Aber Sie müssen gleich an den Zug mitkommen;
ich will nicht auf mein Gepäck warten müssen, das macht mich ner-
vös." Diese Aeußerung schien also das verwandtschaftliche Gemunkel
zu bestätigen.

In der Eingangshalle machte Felix die Tante auf den Stand
des Buchhändlers aufmerksam. „Ah ja — ich werde mir was zu
lesen kaufen. Bleibe hier mal stehn!"

Tante Lermine wünschte nicht, bei der Wahl ihrer Reiselektüre
beobachtet zu werden. Damit hatte Felix gerechnet, und jetzt konnte
er dem Gepäckträger 3 Mark in die Land drücken. „Liebe Nummer 17
— nun passen Sie mal auf!"

Nummer 17 paßte auf. Aber dann machte sie, nämlich die
Nummer, oder er, nämlich der Mann, ein bedenkliches Gesicht; es
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Sicher durchs Leben führen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Niemeyer-Moxter, E.
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4678, S. 194

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen