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Die Bezahlung der Gepäckträger

Wäre vielleicht sogar abweisend gewesen, wenn er nicht schon die drei
Mark in der Land gehabt hätte. „Ja, Lerr, das kann ich eigentlich
nicht machen. Wenn aber niemand im Abteil sitzt, und auch sonst keiner
zuhört-"

„Sehen Sie zu, Nummer 17, sehen Sie zu! Ich warte dann noch
an der Sperre auf Sie."

Vis zur Sperre, das wußte er schon, durste Felix überhaupt nur
mitkommen. Begleitung bis an den Zug liebte Tante Lermine nicht; sie
sagte, man müßte dann so dumm am Fenster steh» und sich quälen,
noch was zu reden, und dabei kämen doch bloß Albernheiten heraus. Es
war also ein kurzer Abschied. „Vielen Dank, Felix! And grüße noch
mal die kleine Frau recht herzlich von mir. And vielleicht könnt ihr bald
einmal zu mir kommen."

Tante Lermine fand ein leeres Abteil. „So, das ist ja schön! And
was haben Sie nun für die kleine Mühe zu verlangen?"

Kein Schaffner war in der Nähe, kein anderer Reisender —
Nummer 17 wollte seine 3 Mark verdienen. Er nahm seine Mütze ab, was
höflich aussah, aber den Zweck hatte, die Nummer an dieser Mütze ver-
bergen zu können. „Was meint die Dame?"

„Ich habe gefragt, was Sie für das Koffertragen bekommen, was
Sie höchstens zu beanspruchen haben." Tante Lermine sprach das ziem-
lich scharf; hinter der scheinbaren Begriffsstutzigkeit des Mannes ver-
mutete sie ein tückisches, auf Eroberung größerer Beute zielendesManöver.

„Aber ich habe doch gar nichts zu bekommen."

„Gar nichts?" Tante
Lermine glaubte, dem
ersten wahnsinnigen
Gepäckträger zu be-
gegnen, obwohl sie
früher schon manchem
gesagt hatte, er wäre
wohl verrückt.

„Die Dame weiß wohl

noch nicht Bescheid-

wir Gepäckträger be-
kommen jetzt unser festes
Gehalt von der Eisen-
bahn."

„Alle Achtung! Das
ist sehr vernünftig. Ich
habe schon längst gesagt,
das müßte eingcführt
werden." Kein Mensch
im ganzen Lande war

wohl in diesem Augenblick so zufrieden mit der Reichsbahn
wie Tante Lermine.

Aus dem Nebengleis stand auch ein Zug zur Abfahrt be-
reit. Da lohnte gerade ein mit großer Familie reisender Vater
einen Gepäckträger ab. Nummer 17 sah das, aber er war
nicht ungewandt. „Aber wenn mal jemand noch ein kleines
Trinkgeld geben will — das dürfen wir nehmen."

„Aber selbstverständlich, lieber Mann! Da haben Sie 10
Pfennige!" sagte Tante Lermine großmütig.

Nummer 17 beeilte sich, fortzukommen. An der Sperre
stand Felix Fiedler. „Geglückt, Nummer 17?"

„Alles in Ordnung, Lerr! Aber bitte" — er nahm seine
Mütze ab, als wollte er den Schweiß von der Stirn wischen
— „sagen Sie doch nicht immer Nummer 17 zu mir!"

„Ah so — Sie sind ja Nummer 583, nicht wahr?"

„Jawohl, Lerr!"

Aber solch eine hohe Nummer gab es natürlich nicht auf
dem Bahnhof.

Der Zug fuhr mit Tante Lermine ab, und da nun eine
mit jeder Minute wachsende Entfernung sie von der Verwandt-
schaft trennte, tritt auch ihre Beziehung als Tante zurück, und

„Leute sind wir sehr reich bestellt. Wir haben
nämlich ein Essen für einen Verein, aber die
föälfte der Mitglieder ist nicht gekommen."
„Lat wohl Krach gegeben?"

„Ja, die wollten in ein anderes Restaurant."

Frühjahrsputz! Die Möbel werden „verrückt"

wir müssen sie als Fräulein Lermine Fiedler ansehen, wie das
auch bei jedem ihrer drei Koffer angegeben war, auf kleinen
Bammelschildchen.

Sie blieb lange allein in ihrem Abteil. Erst in Weimar stieg
ein Lerr zu, der auch drei Koffer hatte, aber keine Schilder dar'
auf, was unvorsichtig von ihm war und leider auch zur Folge
hat, daß man seinen Namen nie erfahren wird. Er wird für uns
der unbekannte Lerr bleibe» müssen.

Der unbekannte Lerr schien ein Mann von munterem Gemüt
zu sein. Er hatte wohl einige Zeit mit dem Gepäckträger, der
ihm jetzt seine Koffer hineinbrachte, wartend auf dem Bahnsteig
gestanden und eine freundschaftliche Anterhaltung mit ihm ange-
knüpft, denn jetzt schärfte er ihm noch ein: „Also, wie ich Ihnen
sagte — einfach SenfspiritusI Tüchtig zwischen den Schulterblät-
tern einreiben — lassen Sie das von Ihrer Frau mache»! And
hier — Taxe macht ü0 Pfennige, nicht wahr? Da haben Sie eine
Mark, mein vieber! Also Senfspiritus! Lat auch mir mal sofort
geholfen!"

Tante Lermine oder vielmehr Fräulein Lermine Fiedler
hatte aufgehorcht und zugeschaut. Also wirklich der Lerr be-
zahlte eine Mark! Er schien noch nichts von der Reform im Ge-
päckträgerdienst zu wissen. Es war nicht ihre Art, sich in fremde
Angelegenheiten zu mischen, aber hier handelte es sich um eine
Sache der Allgemeinheit oder wenigstens des reisenden Publikums.
Vor einigen Jahren noch hätte sie einen fremden Lerrn nicht
angeredet, aber nun war sie selbst überzeugt, in Jahren zu sein.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Krach" "Frühjahrsputz! Die Möbel werden "verrückt"" "Erlösung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4678, S. 195

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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