9f.
„Mensch, was wachste bloß für ’n ängstliches Gesicht, bei so einer Siegeraufnahme?"
Ostereier und Mathematik
Von Peter Robinson
Der Studienrat Dr. Albin Bein-
Hammer, ein tüchtiger Mathematiker,
hat drei Kinder: Bruno, 12 Jahre,
Else, 10, und Kurt, 8 Jahre alt. Für
diese Kinder brachte am Vorabend des
Ostertages Frau Beinhammer eine Tüte
mit Ostereiern nach Lause. Es waren
solide Marzipaneier mit Schokoladen-
hülle, alle von gleicher Größe. Sie zeigte
sie dem Gatten, der sie zählte und stch
freute. „Wir werden die Eier aber nicht
verstecken," erklärte er. „Ich liebe das
aufs Geratewohl gestellte Lerumsuchen
in der Wohnung nicht. Es ist so schreck-
lich unmathematisch. Nein, die Ostereier
werden den Kindern ohne diesen, nur
bei den Kleinen, die noch nicht in die
Schule gehen, angebrachten Scherz ver-
abfolgt. Aber sie bekommen nicht gleich
viel, denn Kurt, der vier Jahre jünger
ist als Bruno, verträgt sicherlich weniger
Marzipan. And das bringt mich auf
eine hübsche Aufgabe, die Bruno als
der Aelteste lösen soll, ehe es die Eier
gibt." Damit nahm Dr. Beinhammer
die Tüte und verschloß sie in seinem
Schreibtisch. Die Gattin seufzte nur;
sie wußte: dagegen war nichts zu
machen.-
Am Ostermorgen nach dem Früh-
stück nahm sich der Mathematiker die
schon erwartungsvollen Kinder vor.
„Jetzt kommen also die süßen Ostereier,
liebe Kinder, auf die ihr, das gebe ich
zu, ein gewisses Recht habt. Aber du,
Bruno, mußt sie erst für dich und deine
Geschwister durch eine kleine Bemühung
erringen. Du bist, das war ja selbst-
verständlich, versetzt worden und wirst
nun bald mit einer sehr nützlichen Art
250
von Rechnungen dich beschäftige», die man
die algebraischen Gleichungen nennt. Eine
ganz leichte Aufgabe dieser Art wirst du aber
schon jetzt lösen können, wenn ich dir einige
Anleitung gebe. Aufgemerkt!"
„Paß gut auf!" sagte die Mutter sanft
und nickte Bruno, der Verdruß ahnte,
tröstend zu.
„Aufgemerkt! Du, Bruno, und Else — ihr
bekommt zusammen 9 Ostereier, Else und Kurt
zusammen 7, und Else allein erhält den dritten
Teil aller Ostereier. Lier ist Papier und Blei-
stift — jetzt wirst du ausrechnen: wieviel
Ostereier sind es im ganzen, und wieviel be-
kommt jeder von euch?"
„Das kann ich noch nicht, Vater!" erklärte
Bruno, schon etwas bockig.
„O, du wirst es gleich können. Löre
zu! Die Zahl der Ostereier ist dir also
unbekannt. Wenn du mit einer dir noch
unbekannten Zahl zu rechnen hast, so
nennst du diese Zahl vorläufig X. Es
sind also X Ostereier da, und davon
bekommt Else den dritten Teil, was
du durch einen Bruch darstellst, nämlich
Auf Else und dich zusammen sollen
9 Ostereier kommen; wieviel also auf
dich?"
Bruno zuckte nur die Achseln.
Das schmerzte den Vater. „Du über-
legst nicht. Junge! Du hörst nicht auf
deinen Verstand, der dir doch sagen niuß,
daß du 9 weniger Ostereier bekommst.
And wieviel erhält also Kurt?"
Bruno sah starr vor sich hin. Ihm
paßte diese Veranstaltung am Oster-
morgen nicht, und damit war er im
Recht.
Der Vater aber glaubte auch im
Recht zu sein. Er hob grollend die
Stimme. „Du willst nur nicht, du gibst
Oes gekeimte Weinberg
(Bei Bingen wird man in diesem Frühjahr, wenn Nacht-
fröste eintreten, einige Weinberge mit edleren Sorten
elektrisch heizen.)
Das Frühjahr bringt oft kalte Tage,
Und Frost gibt es in mancher Nacht.
Das ist dem Winzer eine Plage,
Weil es den Reben Schaden macht.
Er sucht dem Unheil vorzubeugen
Und läßt darum nach altem Brauch
Durch Feuer dichten Qualm erzeugen,
Der schützend wirkt, und vielen Rauch.
Unsicher doch bleibt die Methode.
Jetzt muß darum der Fortschritt her:
Die Reben vor dem Kältetode
Schützt man elektrisch doch wohl mehr,
Und so wirkt nun im Weingelände
Zum ersten Mal des Stromes Kraft,
Die durch erhitzte Widerstände
Erprobter Weise Wärme schafft.
Der Frost, der zu des Winzers Gram, o,
Gefährlich war so oft im Lenz,
Bleibt künftig nun durch die Dynamo-
Maschine ohne Konsequenz.
Man wird vielleicht ein Restchen merken;
Man fühlt sich mehr noch animiert,
Wenn einst uns diese Weine stärken,
Und, wie man sagt, elektrisiert.
—on.
„Aha, der Abschiedsbrief von deinem Emil!
Na, dann schneide man gleich die Zwiebeln,
das ist dann ein Weinen!"
„Mensch, was wachste bloß für ’n ängstliches Gesicht, bei so einer Siegeraufnahme?"
Ostereier und Mathematik
Von Peter Robinson
Der Studienrat Dr. Albin Bein-
Hammer, ein tüchtiger Mathematiker,
hat drei Kinder: Bruno, 12 Jahre,
Else, 10, und Kurt, 8 Jahre alt. Für
diese Kinder brachte am Vorabend des
Ostertages Frau Beinhammer eine Tüte
mit Ostereiern nach Lause. Es waren
solide Marzipaneier mit Schokoladen-
hülle, alle von gleicher Größe. Sie zeigte
sie dem Gatten, der sie zählte und stch
freute. „Wir werden die Eier aber nicht
verstecken," erklärte er. „Ich liebe das
aufs Geratewohl gestellte Lerumsuchen
in der Wohnung nicht. Es ist so schreck-
lich unmathematisch. Nein, die Ostereier
werden den Kindern ohne diesen, nur
bei den Kleinen, die noch nicht in die
Schule gehen, angebrachten Scherz ver-
abfolgt. Aber sie bekommen nicht gleich
viel, denn Kurt, der vier Jahre jünger
ist als Bruno, verträgt sicherlich weniger
Marzipan. And das bringt mich auf
eine hübsche Aufgabe, die Bruno als
der Aelteste lösen soll, ehe es die Eier
gibt." Damit nahm Dr. Beinhammer
die Tüte und verschloß sie in seinem
Schreibtisch. Die Gattin seufzte nur;
sie wußte: dagegen war nichts zu
machen.-
Am Ostermorgen nach dem Früh-
stück nahm sich der Mathematiker die
schon erwartungsvollen Kinder vor.
„Jetzt kommen also die süßen Ostereier,
liebe Kinder, auf die ihr, das gebe ich
zu, ein gewisses Recht habt. Aber du,
Bruno, mußt sie erst für dich und deine
Geschwister durch eine kleine Bemühung
erringen. Du bist, das war ja selbst-
verständlich, versetzt worden und wirst
nun bald mit einer sehr nützlichen Art
250
von Rechnungen dich beschäftige», die man
die algebraischen Gleichungen nennt. Eine
ganz leichte Aufgabe dieser Art wirst du aber
schon jetzt lösen können, wenn ich dir einige
Anleitung gebe. Aufgemerkt!"
„Paß gut auf!" sagte die Mutter sanft
und nickte Bruno, der Verdruß ahnte,
tröstend zu.
„Aufgemerkt! Du, Bruno, und Else — ihr
bekommt zusammen 9 Ostereier, Else und Kurt
zusammen 7, und Else allein erhält den dritten
Teil aller Ostereier. Lier ist Papier und Blei-
stift — jetzt wirst du ausrechnen: wieviel
Ostereier sind es im ganzen, und wieviel be-
kommt jeder von euch?"
„Das kann ich noch nicht, Vater!" erklärte
Bruno, schon etwas bockig.
„O, du wirst es gleich können. Löre
zu! Die Zahl der Ostereier ist dir also
unbekannt. Wenn du mit einer dir noch
unbekannten Zahl zu rechnen hast, so
nennst du diese Zahl vorläufig X. Es
sind also X Ostereier da, und davon
bekommt Else den dritten Teil, was
du durch einen Bruch darstellst, nämlich
Auf Else und dich zusammen sollen
9 Ostereier kommen; wieviel also auf
dich?"
Bruno zuckte nur die Achseln.
Das schmerzte den Vater. „Du über-
legst nicht. Junge! Du hörst nicht auf
deinen Verstand, der dir doch sagen niuß,
daß du 9 weniger Ostereier bekommst.
And wieviel erhält also Kurt?"
Bruno sah starr vor sich hin. Ihm
paßte diese Veranstaltung am Oster-
morgen nicht, und damit war er im
Recht.
Der Vater aber glaubte auch im
Recht zu sein. Er hob grollend die
Stimme. „Du willst nur nicht, du gibst
Oes gekeimte Weinberg
(Bei Bingen wird man in diesem Frühjahr, wenn Nacht-
fröste eintreten, einige Weinberge mit edleren Sorten
elektrisch heizen.)
Das Frühjahr bringt oft kalte Tage,
Und Frost gibt es in mancher Nacht.
Das ist dem Winzer eine Plage,
Weil es den Reben Schaden macht.
Er sucht dem Unheil vorzubeugen
Und läßt darum nach altem Brauch
Durch Feuer dichten Qualm erzeugen,
Der schützend wirkt, und vielen Rauch.
Unsicher doch bleibt die Methode.
Jetzt muß darum der Fortschritt her:
Die Reben vor dem Kältetode
Schützt man elektrisch doch wohl mehr,
Und so wirkt nun im Weingelände
Zum ersten Mal des Stromes Kraft,
Die durch erhitzte Widerstände
Erprobter Weise Wärme schafft.
Der Frost, der zu des Winzers Gram, o,
Gefährlich war so oft im Lenz,
Bleibt künftig nun durch die Dynamo-
Maschine ohne Konsequenz.
Man wird vielleicht ein Restchen merken;
Man fühlt sich mehr noch animiert,
Wenn einst uns diese Weine stärken,
Und, wie man sagt, elektrisiert.
—on.
„Aha, der Abschiedsbrief von deinem Emil!
Na, dann schneide man gleich die Zwiebeln,
das ist dann ein Weinen!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Siegeraufnahme" "Abschiedsbrief"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4681, S. 250
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg