„Das war das letzte Matz Max! Alles dreht sich um mich!"
„Na, der Meinung bist du doch immer."
Frischer Maitrank
Der Wirkwarenhändler Knoll, dem das ebenfalls ganz gleichgültig
ist, ergänzt Zimpels Frage: „Tatsächlich aus frischem Waldmeister?"
„Na gewiß doch! Aus frischem Wald — aus ganz frischem Wald-
meister!" Rauke ist nicht gleich beim ersten Anlauf über das Wort
Waldmeister hinweggekommen.
Die drei Stammgäste zwinkern einander zu; das Zwinkern bedeutet
eine Verabredung. And nun sagt der Kohlenhändler Mulank: „Lab'
schon lange keinen Waldmeister mehr gesehn! Ist an die 30 Jahre
her-wie ich ’rt junger Mann war und mit der Braut mal hinaus-
gesahren war in den Wald. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern
--wie sieht Waldmeister eigentlich aus?"
„Na, das sollten Sie eigentlich wissen," meint der Krämer Zimpel.
Er spricht sehr laut, damit Rauke jedes Wort höre, und erklärt: „Der
Waldmeister ist ein Schlinggewächs, er umklammert die Bäume. Daher
der Name-er bemeistert den Wald, wenn er in großen Mengen
auftritt. Seine Blätter sind sehr dick, beinahe wie beim Gummibaum,
und saftig, und der Saft hat eben den herrlichen Duft. Die Blüten
aber, die knallrot sind — die sind höchst übelriechend. Darin liegt eben
die große Schwierigkeit beim Waldmeister: wenn mang die abgeschnit-
tenen Blätter eine einzige Blüte geraten ist — — dann sind sie ver-
dorben, dann ist es aus mit dem Dust. Wenn da einer sich 'neu ganzen
Rucksack voll Waldmeister zum Maitrank geholt hat, und er hat 'ne
Blüte mit erwischt — dann kann er noch mal 'raus in den Wald."
Der Gastwirt Rauke vernimmt das mit Anbehagen; es wäre ihm
lieber, wenn seine Gäste nicht von» Waldmeister sprächen. Er mag nicht
zu ihnen Hinsehen; er stiert auf den Boden hinter der Theke. Da liegt
ein Schulranzen, den sein Junge dort hingeworfen hat. Rauke hebt den
Ranzen auf.
Der Wirkwarenhändler Knoll nimmt das Wort. „Ein Schlinggewächs?
Nee, da irre» Sie sich, Äerr Zimpel! Waldmeister ist ein Pilz, ein Pilz-
chen. Wächst ganz versteckt unter dem Moose, ist nur für den Kundigen
leicht zu finden. Er hat eine dunkelgraue Oberfläche mit kleinen gelben
Äöckern daraus, wie Pickel — und in denen sitzt das Aroma."
Der Gastwirt Rauke hat heimlich in dem Schulranzen gekramt; er
seht seine Lesebrille auf.
Der Kohlenhändler Mulank schüttelt heftig den Kopf. „Schling-
gewächs? Pilz? Sie haben ja weniger Ahnung als ich, meine Äerren.
298
Jetzt fällt mir's ein: wie ich damals mit der Braut durch den
Wald ging, da habe ich ihr ein Sträußchen Waldmeister ge-
pflückt. Es waren zierliche blaue Blüten, die den wundervollen
Duft spendeten. Wenn diese Blüten aber getrocknet sind, wird
der Duft strenger; dann hat man das bekannte wohlriechende
Mottenkraut."
Der Gastwirt Rauke hält sich verborgen hinter dem Aufbau
auf der Theke, in dem die Zigarren und Zigaretten liegen. Er hat
keine Ahnung, wie feine drei Gäste einander angrinsen.
„Ich bleibe bei meinem Schlinggewächs!" ruft der Krämer
Zimpel.
„Es ist ein Pilz!" schreit der Wirkwarenhändler Knoll.
„Aber meine Äerren, wir brauchen doch nicht zu streiten,"
beruhigt der Kohlenhändler Mulank. „Äerr Rauke kann das
entscheiden; er hat ja erst heute Waldmeister für feinen frischen
Maitrank gebraucht. Äerr Rauke, wie sieht Waldmeister aus?"
Der Gastwirt Rauke bleibt unsichtbar hinter seinem Schutz-
wall, aber er gibt sofort Auskunft, als wenn er schon darauf
gewartet hat. Diese Auskunft, schleppend hergesagt, etwas
leiernd vorgctragen, lautet: Der Waldmeister ist ein Kraut mit
kriechendem Wurzelstock. Der Stengel ist vierkantig; die unteren,
zu 6 gestellten Blätter sind spatenförmig, die oberen, zu 8,
lanzettlich. Die weißen Blüten sind dreiteilige Trugdolden."
Die drei Gäste grinsen nicht mehr, sie tun das Gegenteil.
Grinsen verbreitert die Gesichter, sie aber zeigen jetzt lange
Gesichter. „Also 'reingefallen!" brummt der Kohlenhändler
Mulank. And nun taucht auch der Gastwirt Rauke auf. Er sieht
mal nach dem Wetter; vom Waldmeister ist nicht mehr die Rede.
Drei Minuten später aber kommt Rauke junior, seinen Schul-
ranzen zu holen. Er bemerkt etwas. „Du hast ja mein Botanik-
buch 'rausgenommen, Vater! Was haste denn damit gewollt?"
And nun bestellen die drei Gäste doch noch eine Runde
Schnaps.
Regisseur: „Lilles nochmal! Der Kuß war viel zu lang!"
„Entschuldigen Sie, Äerr Regisseur, wir haben uns soeben verlobt."
„Na, der Meinung bist du doch immer."
Frischer Maitrank
Der Wirkwarenhändler Knoll, dem das ebenfalls ganz gleichgültig
ist, ergänzt Zimpels Frage: „Tatsächlich aus frischem Waldmeister?"
„Na gewiß doch! Aus frischem Wald — aus ganz frischem Wald-
meister!" Rauke ist nicht gleich beim ersten Anlauf über das Wort
Waldmeister hinweggekommen.
Die drei Stammgäste zwinkern einander zu; das Zwinkern bedeutet
eine Verabredung. And nun sagt der Kohlenhändler Mulank: „Lab'
schon lange keinen Waldmeister mehr gesehn! Ist an die 30 Jahre
her-wie ich ’rt junger Mann war und mit der Braut mal hinaus-
gesahren war in den Wald. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern
--wie sieht Waldmeister eigentlich aus?"
„Na, das sollten Sie eigentlich wissen," meint der Krämer Zimpel.
Er spricht sehr laut, damit Rauke jedes Wort höre, und erklärt: „Der
Waldmeister ist ein Schlinggewächs, er umklammert die Bäume. Daher
der Name-er bemeistert den Wald, wenn er in großen Mengen
auftritt. Seine Blätter sind sehr dick, beinahe wie beim Gummibaum,
und saftig, und der Saft hat eben den herrlichen Duft. Die Blüten
aber, die knallrot sind — die sind höchst übelriechend. Darin liegt eben
die große Schwierigkeit beim Waldmeister: wenn mang die abgeschnit-
tenen Blätter eine einzige Blüte geraten ist — — dann sind sie ver-
dorben, dann ist es aus mit dem Dust. Wenn da einer sich 'neu ganzen
Rucksack voll Waldmeister zum Maitrank geholt hat, und er hat 'ne
Blüte mit erwischt — dann kann er noch mal 'raus in den Wald."
Der Gastwirt Rauke vernimmt das mit Anbehagen; es wäre ihm
lieber, wenn seine Gäste nicht von» Waldmeister sprächen. Er mag nicht
zu ihnen Hinsehen; er stiert auf den Boden hinter der Theke. Da liegt
ein Schulranzen, den sein Junge dort hingeworfen hat. Rauke hebt den
Ranzen auf.
Der Wirkwarenhändler Knoll nimmt das Wort. „Ein Schlinggewächs?
Nee, da irre» Sie sich, Äerr Zimpel! Waldmeister ist ein Pilz, ein Pilz-
chen. Wächst ganz versteckt unter dem Moose, ist nur für den Kundigen
leicht zu finden. Er hat eine dunkelgraue Oberfläche mit kleinen gelben
Äöckern daraus, wie Pickel — und in denen sitzt das Aroma."
Der Gastwirt Rauke hat heimlich in dem Schulranzen gekramt; er
seht seine Lesebrille auf.
Der Kohlenhändler Mulank schüttelt heftig den Kopf. „Schling-
gewächs? Pilz? Sie haben ja weniger Ahnung als ich, meine Äerren.
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Jetzt fällt mir's ein: wie ich damals mit der Braut durch den
Wald ging, da habe ich ihr ein Sträußchen Waldmeister ge-
pflückt. Es waren zierliche blaue Blüten, die den wundervollen
Duft spendeten. Wenn diese Blüten aber getrocknet sind, wird
der Duft strenger; dann hat man das bekannte wohlriechende
Mottenkraut."
Der Gastwirt Rauke hält sich verborgen hinter dem Aufbau
auf der Theke, in dem die Zigarren und Zigaretten liegen. Er hat
keine Ahnung, wie feine drei Gäste einander angrinsen.
„Ich bleibe bei meinem Schlinggewächs!" ruft der Krämer
Zimpel.
„Es ist ein Pilz!" schreit der Wirkwarenhändler Knoll.
„Aber meine Äerren, wir brauchen doch nicht zu streiten,"
beruhigt der Kohlenhändler Mulank. „Äerr Rauke kann das
entscheiden; er hat ja erst heute Waldmeister für feinen frischen
Maitrank gebraucht. Äerr Rauke, wie sieht Waldmeister aus?"
Der Gastwirt Rauke bleibt unsichtbar hinter seinem Schutz-
wall, aber er gibt sofort Auskunft, als wenn er schon darauf
gewartet hat. Diese Auskunft, schleppend hergesagt, etwas
leiernd vorgctragen, lautet: Der Waldmeister ist ein Kraut mit
kriechendem Wurzelstock. Der Stengel ist vierkantig; die unteren,
zu 6 gestellten Blätter sind spatenförmig, die oberen, zu 8,
lanzettlich. Die weißen Blüten sind dreiteilige Trugdolden."
Die drei Gäste grinsen nicht mehr, sie tun das Gegenteil.
Grinsen verbreitert die Gesichter, sie aber zeigen jetzt lange
Gesichter. „Also 'reingefallen!" brummt der Kohlenhändler
Mulank. And nun taucht auch der Gastwirt Rauke auf. Er sieht
mal nach dem Wetter; vom Waldmeister ist nicht mehr die Rede.
Drei Minuten später aber kommt Rauke junior, seinen Schul-
ranzen zu holen. Er bemerkt etwas. „Du hast ja mein Botanik-
buch 'rausgenommen, Vater! Was haste denn damit gewollt?"
And nun bestellen die drei Gäste doch noch eine Runde
Schnaps.
Regisseur: „Lilles nochmal! Der Kuß war viel zu lang!"
„Entschuldigen Sie, Äerr Regisseur, wir haben uns soeben verlobt."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Alles dreht sich um mich" "Verlobt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4684, S. 298
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg