Ersatz „Komm' do' schnell mit deiner Mistgabel ausfi, Seppl,
unser Sommergast kan» sei Stimmgabel net find'».!"
Gegen Fliederdiebe
Kahlmeier hat ein unbebautes Grundstück vor der Stadt. Viel-
leicht wird er es einmal verlausen, vielleicht wird er selber darauf
bauen — das weiß er noch nicht. Vorläufig hat er keinen andern
Nutzen davon, als daß er einige Male im Sommer mit seiner Familie
und Freundschaft dort hinauswandert, zu einem kleinen Picknick im
Grünen.
Za, und dann im Frühling der Flieder, der herrliche Flieder!
Eine Menge Fliedersträucher sind auf dem Grundstück, und wenn die
Tage des Flieders kommen, ist das auf Kahlmeicrs Besitz eine Pracht
für die Augen und eine Wonne für die Nase. Dann fährt Frau
Kahlmeier mit einigen Freundinnen hinaus, um Flieder zu ernten,
gewaltige Fliedersträuße, die in dumpfe Stadtwohnungen die duf-
tenden Grüße des Frühlings tragen. Aber leider sind dabei oft
betrübende Feststellungen zu machen: es sind schon andere Leute,
fremde Besucher da gewesen und haben sich Flieder angeeignet. And
meist haben sie ihn nicht schonend abgeschnitten, sondern roh und
gewaltsam abgerissen und auch sonst häßliche Verwüstungen ange-
richtet. Da kommen viele Ausflügler vorbei, und diejenigen unter
ihnen, die etwas robustere Gemüter haben, und das sind wohl nicht
wenige, halten sich umsomehr für berechtigt, das einsame Grundstück
zu betreten und sich Flieder zu holen, als es nur zum Teil noch einge-
zäunt ist. Denn hier und dort und gerade nach der Landstraße zu
ist von Stürmen der primitive Lattenzaun umgeworfen und das
Lolz dann von Leuten, die dafür Verwendung hatten, fortgetragen
worden. Kahlmeier hat den Zaun nicht erneuern lassen. Er wollte
sich keine Kosten machen — weil er das Grundstück vielleicht doch
verkauft. —
Jetzt ist es wieder einmal so weit. Kahlmeier sitzt am Sonnabend
mit einigen Freunden zusammen und schimpft. „Morgen ist Sonntag,
und bei mir draußen blüht der Flieder. Da wird schon in aller
Lerrgottsfrühe geplündert werden. Wie die Wilden werden sie
unter meinem schönen Flieder Hausen, wie die Nilpferde werden
sie alles zerknicken und die jungen Schößlinge zertrampeln. Am Nach-
mittag wollen wir hinaus; mir graut schon, wie es da aussehen wird."
314
„Selbstschüsse!" rät Apotheker Zwiebler, der ein strenger Mann ist.
Aber davon will Kahlmeier nichts wissen. „Kommt nicht in
Frage! Dazu braucht man wohl auch, glaube ich, eine polizeiliche
Erlaubnis, und die würde ich jedenfalls gar nicht kriegen — bloß
wegen Flieder. And überhaupt: wenn einer auch Flieder stiehlt, darf
er deshalb doch nicht totgeschossen werden. Das stände doch in keinem
Verhältnis." Kahlmeier ist ein gerecht denkender Mensch.
„Fußangeln!" schlägt ein anderer vor.
„Geht auch nicht! Da ckäme womöglich ein unschuldiges Tier
hinein, ein Lund oder eine Katze. Das wäre doch schrecklich!" Kahl-
meier ist auch ein guter Mensch. „Ich werd's mal mit einem Plakat
versuchen: ,Das Betreten dieses Grundstücks ist verboten/ Aber das
wird nicht viel helfen. Die Fliederbanditen kommen ja in ganzen
Lorden, die kehren sich nicht daran."
„Nein, das hätte keinen Zweck," erklärt der Buchhändler Dopp-
ler, der inzwischen über den Fall nachgedacht hat. „Aber ich habe
einen Gedanken, den ich vortrefflich nennen würde, wenn das nicht
Eigenlob wäre. Aber Sie werden ihn so nennen, Lerr Kahlmeier.
Ich werde Sie überraschen. Morgen früh fahre ich hinaus und bringe
eine Warnung an. And dann wird kaum ein Mensch Ihr Grundstück
betreten."
„Eine Warnung? Wovor denn? Da müßten Sie doch schwindeln."
„Nicht der geringste Schwindel wird dabei sein. Ich werde nur
eine offenkundige Tatsache seststellen, und dann allerdings eine War-
nung vor dem Betreten des Grundstücks hinzufügen. Aber das wird
wirken! Ich wette!"
„Schön! Wenn's wirkt, trinken wir allesamt eine Bowle," sagt
Kahlmeier.-
Am Sonntag nachmittag ziehen Kahlmeiers und Freunde hinaus-
Lundert Meter vor dem Grundstück macht man halt, läßt sich im
Grase nieder und beobachtet. Lerrlich blüht dort drüben der Flieder,
und die Ausflügler, die auf der Straße neben dem Grundstück dahin-
wandern, blicken verlangend danach. Aber an einigen stehengeblie-
benen Pfosten des einstigen Zauns hängen auffallende Plakate, und
wenn sie die gelesen haben, gehen sie weiter. Ja, manche beschleu-
nigen ersichtlich ihre Schritte, als ob sie vor irgendetwas Angst haben.
„Ist doch wirklich merkwürdig!" wundert sich Kahlmeier. And
dann läuft er allen andern voraus und sieht sich eins der Plakate
an. Da steht:
Achtung!
Aus diesem Grundstück kommt in Massen Zyringa vulgaris vor.
Wer das Grundstück betritt, tut das auf eigene Gefahr.
Der Eigentümer.
„Sie haben ja doch geschwindelt," meint Kahlmeier zu dem Buch-
Händler Doppler. „Zyringa vulgaris— was ist das? Eine Schlange?
Oder eine unangenehme Spinne? Gibt's hier ja nicht, ist also
Schwindel."
„Nein — die lautere Wahrheit. Syringa vulgaris heißt der
Flieder." —on.
Beschnuppern „Sie halten mit Ihrer wahren Meinung zurück,
Lerr Rumpel." — „Sie aber auch!"
„Na also-dann sind wir ja einer Meinung."
unser Sommergast kan» sei Stimmgabel net find'».!"
Gegen Fliederdiebe
Kahlmeier hat ein unbebautes Grundstück vor der Stadt. Viel-
leicht wird er es einmal verlausen, vielleicht wird er selber darauf
bauen — das weiß er noch nicht. Vorläufig hat er keinen andern
Nutzen davon, als daß er einige Male im Sommer mit seiner Familie
und Freundschaft dort hinauswandert, zu einem kleinen Picknick im
Grünen.
Za, und dann im Frühling der Flieder, der herrliche Flieder!
Eine Menge Fliedersträucher sind auf dem Grundstück, und wenn die
Tage des Flieders kommen, ist das auf Kahlmeicrs Besitz eine Pracht
für die Augen und eine Wonne für die Nase. Dann fährt Frau
Kahlmeier mit einigen Freundinnen hinaus, um Flieder zu ernten,
gewaltige Fliedersträuße, die in dumpfe Stadtwohnungen die duf-
tenden Grüße des Frühlings tragen. Aber leider sind dabei oft
betrübende Feststellungen zu machen: es sind schon andere Leute,
fremde Besucher da gewesen und haben sich Flieder angeeignet. And
meist haben sie ihn nicht schonend abgeschnitten, sondern roh und
gewaltsam abgerissen und auch sonst häßliche Verwüstungen ange-
richtet. Da kommen viele Ausflügler vorbei, und diejenigen unter
ihnen, die etwas robustere Gemüter haben, und das sind wohl nicht
wenige, halten sich umsomehr für berechtigt, das einsame Grundstück
zu betreten und sich Flieder zu holen, als es nur zum Teil noch einge-
zäunt ist. Denn hier und dort und gerade nach der Landstraße zu
ist von Stürmen der primitive Lattenzaun umgeworfen und das
Lolz dann von Leuten, die dafür Verwendung hatten, fortgetragen
worden. Kahlmeier hat den Zaun nicht erneuern lassen. Er wollte
sich keine Kosten machen — weil er das Grundstück vielleicht doch
verkauft. —
Jetzt ist es wieder einmal so weit. Kahlmeier sitzt am Sonnabend
mit einigen Freunden zusammen und schimpft. „Morgen ist Sonntag,
und bei mir draußen blüht der Flieder. Da wird schon in aller
Lerrgottsfrühe geplündert werden. Wie die Wilden werden sie
unter meinem schönen Flieder Hausen, wie die Nilpferde werden
sie alles zerknicken und die jungen Schößlinge zertrampeln. Am Nach-
mittag wollen wir hinaus; mir graut schon, wie es da aussehen wird."
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„Selbstschüsse!" rät Apotheker Zwiebler, der ein strenger Mann ist.
Aber davon will Kahlmeier nichts wissen. „Kommt nicht in
Frage! Dazu braucht man wohl auch, glaube ich, eine polizeiliche
Erlaubnis, und die würde ich jedenfalls gar nicht kriegen — bloß
wegen Flieder. And überhaupt: wenn einer auch Flieder stiehlt, darf
er deshalb doch nicht totgeschossen werden. Das stände doch in keinem
Verhältnis." Kahlmeier ist ein gerecht denkender Mensch.
„Fußangeln!" schlägt ein anderer vor.
„Geht auch nicht! Da ckäme womöglich ein unschuldiges Tier
hinein, ein Lund oder eine Katze. Das wäre doch schrecklich!" Kahl-
meier ist auch ein guter Mensch. „Ich werd's mal mit einem Plakat
versuchen: ,Das Betreten dieses Grundstücks ist verboten/ Aber das
wird nicht viel helfen. Die Fliederbanditen kommen ja in ganzen
Lorden, die kehren sich nicht daran."
„Nein, das hätte keinen Zweck," erklärt der Buchhändler Dopp-
ler, der inzwischen über den Fall nachgedacht hat. „Aber ich habe
einen Gedanken, den ich vortrefflich nennen würde, wenn das nicht
Eigenlob wäre. Aber Sie werden ihn so nennen, Lerr Kahlmeier.
Ich werde Sie überraschen. Morgen früh fahre ich hinaus und bringe
eine Warnung an. And dann wird kaum ein Mensch Ihr Grundstück
betreten."
„Eine Warnung? Wovor denn? Da müßten Sie doch schwindeln."
„Nicht der geringste Schwindel wird dabei sein. Ich werde nur
eine offenkundige Tatsache seststellen, und dann allerdings eine War-
nung vor dem Betreten des Grundstücks hinzufügen. Aber das wird
wirken! Ich wette!"
„Schön! Wenn's wirkt, trinken wir allesamt eine Bowle," sagt
Kahlmeier.-
Am Sonntag nachmittag ziehen Kahlmeiers und Freunde hinaus-
Lundert Meter vor dem Grundstück macht man halt, läßt sich im
Grase nieder und beobachtet. Lerrlich blüht dort drüben der Flieder,
und die Ausflügler, die auf der Straße neben dem Grundstück dahin-
wandern, blicken verlangend danach. Aber an einigen stehengeblie-
benen Pfosten des einstigen Zauns hängen auffallende Plakate, und
wenn sie die gelesen haben, gehen sie weiter. Ja, manche beschleu-
nigen ersichtlich ihre Schritte, als ob sie vor irgendetwas Angst haben.
„Ist doch wirklich merkwürdig!" wundert sich Kahlmeier. And
dann läuft er allen andern voraus und sieht sich eins der Plakate
an. Da steht:
Achtung!
Aus diesem Grundstück kommt in Massen Zyringa vulgaris vor.
Wer das Grundstück betritt, tut das auf eigene Gefahr.
Der Eigentümer.
„Sie haben ja doch geschwindelt," meint Kahlmeier zu dem Buch-
Händler Doppler. „Zyringa vulgaris— was ist das? Eine Schlange?
Oder eine unangenehme Spinne? Gibt's hier ja nicht, ist also
Schwindel."
„Nein — die lautere Wahrheit. Syringa vulgaris heißt der
Flieder." —on.
Beschnuppern „Sie halten mit Ihrer wahren Meinung zurück,
Lerr Rumpel." — „Sie aber auch!"
„Na also-dann sind wir ja einer Meinung."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ersatz" "Beschnuppern"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1935
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 183.1935, Nr. 4685, S. 314
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg