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Tierkreismaskenball

Das Lied von der Glocke

Aber: Von Peter Robinson

Der alte Lerr, dessen Koffertasche von einer schützenden Lein-
wandhülle umgeben war, eine spießbürgerliche Maßnahme, die ihm
wohl von seiner Frau oder sonst einem weiblichen Wesen, das Ge-
walt über ihn hatte, aufgenötigt worden war, denn er hatte geflucht,
als er ein Buch aus der Tasche genommen und dabei umständlich die
Lülle hatte ausknöpfen müssen — dieser alte, aber rüstige und muntere
Lerr hatte den Schaffner gefragt, ob er wohl noch den Anschluß nach
Striepelshagen erreichen würde. Bei dem Morte Sti iepelshagen hatte
sein einziger Neisegenosse im Abteil, ein viel jüngerer Lerr, aufge-
merkt. Er schien etwas zu überlegen. And nun wandte er sich an den
alten Lerrn: „Verzeihung — Sie fahren nach Striepelshagen! Darf
ich fragen, ob Sie dort ansässig sind? Vielleicht schon lange?"

„Allerdings — schon lange, furchtbar lange! Aeber 40 Jahre!"
Der alte Lerr schien sich bei dieser Auskunft jetzt selbst zu wundern,
daß er schon so lange in Striepelshagen wohnte.

Der jüngere Lerr lächelte. Es war ein sogenanntes versonnenes
Lächeln, wie es einen bei manchen Bildern der Erinnerung über-
kommt. „Besteht wohl in Striepelshagen noch ein geselliger Verein
der besseren Kreise --ich glaube, er hieß: Larmonie?"

„O ja, die ,Larmonie" blüht immer noch! Mit einigen An-
Passungen an die Neuzeit; es wird jetzt sogar Bridge gespielt."

„And wird immer noch alljährlich ein Maskenball veranstaltet?"

„Aber gewiß! Das ist ja das große Iahresereignis der,Larmonie^.
Woher wissen Sie das denn?"

Der jüngere Lerr mußte
lachen. „Laha — ich bin mal aus
solch einem Ball gewesen. Aber
nicht geladen und gebeten. Ganz
frech eingedrungen! Es war eine
famose Sacbe I"

Der alte Lerrwurde aufmerk-
sam. „Das ist >a sehr interessant.

Wann ist das denn gewesen?"

„Das ist jetzt — na, wie lange
denn? — ja, I I Jahre ist das jetzt
her. Kurze Zeit vor jenem Ball der
,Larmonie' halte eine wandernde
Theatertruppe Striepelshagen
mit ihren nicht sehr bedeutenden,
aber wohlgemeinten Leistungen zu
erfreuen versucht. Der Direktor
hieß oder nannte sich: Rosee-Dultz.

Erinnern Sie sich?"

Der alte Lerr dachte nach.

„Rein, davon ist mir nichts be-
kannt."

„Sehr erklärlich! Die Gesell-
schaft von Striepelshagen küm-
merte sich nicht um die bedauerns-
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werte Truppe und ihren unglücklichen Direktor; vielleicht wollte man
vor dem großen Ball sich weiter keine Ausgaben machen. Jedenfalls
hatten wir das Laus immer leer und mußten abziehen."

„Ah, Sie gehörten zu jener Truppe? Sie sind Schauspieler?"

„Das erste — ja! Das zweite — nein! Dafür danke ich jetzt
meinem Schicksal. Ich war nur mal eine Zeit lang von Lause aus-
gelniffen, weil ich mir einbildete, ich könnte ein zweiter Matkowsky
werden oder Kainz. Es war aber eine blödsinnige Einbildung. Also
schön oder vielmehr nicht schön: wir mußten von Striepelshagen
weiterziehn. Nach Brummstedt gingen wir, das, wie Sie ja wissen
werden, ein Stück weiter an der gleichen Kleinbahnlinie liegt. In
Brummstedt erreichte mich ein Brief meines Vaters mit einer er-
heblichen Geldsendung. Die Geldsendung war liebenswürdig, der
Brief grob. Ich sollte aus der Stelle zurückkommen und wieder ins

Geschäft hinein-mein Vater hatte nämlich ein blühendes Anter-

nehmen, und ich war der einzige Sohn. Zum Glück hatte ich gerade
einen vernünftigen Tag, an dem ich mir sagte, daß ich verrückt wäre,
beim Theater zu sein, auf der Bühne stehen zu wollen, statt in einer
Loge zu sitzen, denn das hätte ich mir zu Lause leisten können. Ich
sagte also meinem Direktor Rosee-Dultz unter Verzicht auf die
wegen der schlechten Geschäfte in Striepelshagen rückständige Gage
Lebewohl, schenkte ihm meine ganze private Schauspielergarderobe
mit Ausnahme des zum Andenken behaltenen Kostüms eines genuesischen

Nobile, das ich mir angeschafft
hatte, weil ich durchaus den Fiesko
hatte spielen wollen, woraus aber

nichts geworden war-und

fuhr ab. Es war Anfang Feb-
ruar und grade ein furchtbarer
Schneesturm. In Striepelshagen
ging es nicht weiter; die Klein-
bahnstrecke war verweht, und
einen Schneepflug hatten sie
dort nicht. Ich mußte also
dort die Nacht bleiben. Nun-
mehr kein armer Wanderschau-
spieler, sondern ein junger Lan-
delsherr aus bemitteltem Lause,
begab ich mich in den ersten
Gasthof — —"

„Aha, in den ,Großen Kur-
fürsten', nicht wahr?"

„Richtig, so hieß er. Ich
bekam ein Zimmer im ersten
Stock und aß dann, so um 7 Ahr
herum, zu Abend. Aber ich
wurde miserabel bedient. Das
ganze Personal hatte an andere
Dinge zu denken — an den an

Schwieriger Fall

„Sie müssen den Mund öffnen!"

„Was wollen Sie denn, ich Hab ihn doch ganz offen!"
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Tierkreismaskenball" "Schwieriger Fall"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4722, S. 68

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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