Der Osterspaziergang
Schleppe treibt, und was für ein Mensch
er sein mag. Und Schleppe wird es in Be-
zug auf Tiburtius wohl ebenso gehen.
„Ah, guten Morgen, Lerr Tiburtius!"
grüßt Schloppe jetzt. „Schöner Ostertag,
nicht wahr?"
„Sehr schön! Das rechte Wetter zum
Osterspaziergang," entgegnet Tiburtius.
Und nun bemerkt er einige Schritte hinter
Schloppe einen mittelgroßen braunen Lund,
den er keiner besonderen Raffe zuteilen
kan». Dieser Lund scheint ihm nicht un-
wichtig. Er hat schon öfter erwogen, sich
solch einen Wächter anzuschaffen, weil er
doch im Erdgeschoß wohnt. Wenn nun
Schloppe das getan hat, würde er schließ-
lich auch einigen Vorteil davon haben —
wegen der doch anzunehmenden Wachsam-
keit des Lundes. Deshalb ei kündigt er
sich: „Laben Sie jetzt einen Lund, Lerr
Schloppe?"
Schloppe schüttelt den Kops. „Nein, o
nein! Denken Sie: der Lund ist unterwegs
aus mich zugekommen uud hat durchaus
bei mir bleiben wollen. Ich habe ihm immer-
zu gesagt: ,Such Lerrchenb aber er scheint
nicht zu wissen, wo er hingehört. Passen
Sie mal auf!" Schloppe geht nun langsam weiter, und Tiburtius,
der ja das gleiche Ziel hat, bleibt an seiner Seite. Der Lund folgt.
„Sehen Sie: er will mich nicht verlassen," sagt Schloppe.
„Ja, er scheint mitkommen zu wollen," meint Tiburtius. Und
dann — wegen des Osterspaziergangs — seht er lächelnd hinzu:
„Nun, zum Glück ist es ja kein schwarzer Pudel."
Schloppe scheint sich zu wundern. „Warum sagen Sie: zum
Glück? Pudel sind doch sehr gute Lunde. Aber davon abgesehen —
ich werde den Lund doch nicht behalten; im Notfall bringe ich
ihn ins städtische Tierasyl; da kann ihn sein Eigentümer abholen.
Einem Pudel wäre das überhaupt nicht passiert, so herumirren
zu müssen; das sind ja so gescheite Lunde. Was haben Sie denn
gegen Pudel?"
„Gar nichts, Lerr Schloppe, nicht das geringste!" Tiburtius
will nicht in den Verdacht kommen, ein Feind der Pudel zu sein.
Deshalb erklärt er: „Ich dachte nur an Faust."
„Ah so-an Faust! Latte der einen
schwarzen Pudel?" Schloppe fragt das mit
einer gewissen Liebenswürdigkeit; er will
Interesse zeigen für eine Geschichte, die ihm
der Lerr Nachbar Tiburtius doch wohl er-
zählen möchte.
Tiburtius fühlt sich in Verlegenheit. Es
ist ihm peinlich, daß Schloppe ihn nicht gleich
verstanden hat; er hat doch vorausgesetzt,
Schloppe würde auf seine Bemerkung, daß
es sich zum Glück nicht um einen schwarzen
Pudel handele, mit Verständnis eingehen
und etwa sagen: „Na, davor soll mich der
Deiwel bewahren!" oder etwas Aehnlichcs.
Er schweigt jetzt und hofft, Schloppe werde
von etwas anderm zu reden anfangen.
Aber nein, Schloppe läßt nickt nach.
„Was war das also mit dem Pudel?"
„Er lief doch dem Faust nach, Lerr
Schloppe. Gerade so wie Ihnen der Lund
da, und deshalb kam ich darauf." Tiburtius
sagt das etwas gequält.
„Ah so, der schwarze Pudel lief ihm nach.
Wann war das denn?"
Tiburtius schaut Schloppe an, als wolle er ihn um Gnade
bitten. „Erinnern Sie sich doch, Lerr Schloppe: auf dem Oster-
spaziergang!"
„Laha, auf dem Osterspaziergang!" Schloppe freut sich. „Merk-
würdig! Die Lunde scheinen sich immer zu Ostern herumzutreibe».
Also, der-wie sagten Sie?-der Faust machte auch einen
Osterspaziergang-"
„Aber ja, Lerr Schloppe! Ich meine doch den Osterspaziergang
mit Wagner!"
„Pah — so lange ist die Geschickte schon her!" Schloppe ist
etwas enttäuscht. „Das muß ja vor 60 Jahren gewesen sein oder
»och früher."
Tiburtius ist ratlos. „Nein, nein-"
„Na, Eie sagen doch, Wagner wäre dabei gewesen. And der
Richard Wagner ist doch schon so lange tot."
Tiburtius möchte schreien. Er bezwingt sich und gurgelt: „Ich
meine doch Faustens Famulus Wagner."
„Famulus? Da bin ich nicht im Bilde.
Was verstehen Sie unter Famulus?"
„Das ist — — na, sagen wir: ein Assi-
stent."
„Ein Assistent? Aha, jetzt wird mir die
Sache klar. Es handelt sich jedenfalls um
Lerren von der Tierärztlichen Lochschule,
nicht wahr? And der Pudel war da wohl
schon mal in Behandlung gewesen. And jetzt
fehlte ihm wieder was, und da wollte er
sich, weil er doch ein gescheiter Lund war,
an die Lerren hcranmachen, nicht wahr?
Ja, das gibt es! Aber erzählen Sie weiter,
Lerr Tiburtius! Solche Geschichten höre ich
sehr gern."
Die Lerren sind jetzt vor ihrem Lause
angelangt. And nun schreit Tiburtius wirk-
lich etwas. „Ich habe gar nichts zu erzählen,
Lerr Schloppe! Ich habe nur an Goethe
gedacht!" Er hofft, mit dieser Eröffnung
Schloppe für einen Augenblick stumm zu
machen und entweichen zu können.
iFortsctzung auf Seite 231)
229
„Eigentlich Hab ich vom Leben soviel gar
nicht verlangt!"
Schleppe treibt, und was für ein Mensch
er sein mag. Und Schleppe wird es in Be-
zug auf Tiburtius wohl ebenso gehen.
„Ah, guten Morgen, Lerr Tiburtius!"
grüßt Schloppe jetzt. „Schöner Ostertag,
nicht wahr?"
„Sehr schön! Das rechte Wetter zum
Osterspaziergang," entgegnet Tiburtius.
Und nun bemerkt er einige Schritte hinter
Schloppe einen mittelgroßen braunen Lund,
den er keiner besonderen Raffe zuteilen
kan». Dieser Lund scheint ihm nicht un-
wichtig. Er hat schon öfter erwogen, sich
solch einen Wächter anzuschaffen, weil er
doch im Erdgeschoß wohnt. Wenn nun
Schloppe das getan hat, würde er schließ-
lich auch einigen Vorteil davon haben —
wegen der doch anzunehmenden Wachsam-
keit des Lundes. Deshalb ei kündigt er
sich: „Laben Sie jetzt einen Lund, Lerr
Schloppe?"
Schloppe schüttelt den Kops. „Nein, o
nein! Denken Sie: der Lund ist unterwegs
aus mich zugekommen uud hat durchaus
bei mir bleiben wollen. Ich habe ihm immer-
zu gesagt: ,Such Lerrchenb aber er scheint
nicht zu wissen, wo er hingehört. Passen
Sie mal auf!" Schloppe geht nun langsam weiter, und Tiburtius,
der ja das gleiche Ziel hat, bleibt an seiner Seite. Der Lund folgt.
„Sehen Sie: er will mich nicht verlassen," sagt Schloppe.
„Ja, er scheint mitkommen zu wollen," meint Tiburtius. Und
dann — wegen des Osterspaziergangs — seht er lächelnd hinzu:
„Nun, zum Glück ist es ja kein schwarzer Pudel."
Schloppe scheint sich zu wundern. „Warum sagen Sie: zum
Glück? Pudel sind doch sehr gute Lunde. Aber davon abgesehen —
ich werde den Lund doch nicht behalten; im Notfall bringe ich
ihn ins städtische Tierasyl; da kann ihn sein Eigentümer abholen.
Einem Pudel wäre das überhaupt nicht passiert, so herumirren
zu müssen; das sind ja so gescheite Lunde. Was haben Sie denn
gegen Pudel?"
„Gar nichts, Lerr Schloppe, nicht das geringste!" Tiburtius
will nicht in den Verdacht kommen, ein Feind der Pudel zu sein.
Deshalb erklärt er: „Ich dachte nur an Faust."
„Ah so-an Faust! Latte der einen
schwarzen Pudel?" Schloppe fragt das mit
einer gewissen Liebenswürdigkeit; er will
Interesse zeigen für eine Geschichte, die ihm
der Lerr Nachbar Tiburtius doch wohl er-
zählen möchte.
Tiburtius fühlt sich in Verlegenheit. Es
ist ihm peinlich, daß Schloppe ihn nicht gleich
verstanden hat; er hat doch vorausgesetzt,
Schloppe würde auf seine Bemerkung, daß
es sich zum Glück nicht um einen schwarzen
Pudel handele, mit Verständnis eingehen
und etwa sagen: „Na, davor soll mich der
Deiwel bewahren!" oder etwas Aehnlichcs.
Er schweigt jetzt und hofft, Schloppe werde
von etwas anderm zu reden anfangen.
Aber nein, Schloppe läßt nickt nach.
„Was war das also mit dem Pudel?"
„Er lief doch dem Faust nach, Lerr
Schloppe. Gerade so wie Ihnen der Lund
da, und deshalb kam ich darauf." Tiburtius
sagt das etwas gequält.
„Ah so, der schwarze Pudel lief ihm nach.
Wann war das denn?"
Tiburtius schaut Schloppe an, als wolle er ihn um Gnade
bitten. „Erinnern Sie sich doch, Lerr Schloppe: auf dem Oster-
spaziergang!"
„Laha, auf dem Osterspaziergang!" Schloppe freut sich. „Merk-
würdig! Die Lunde scheinen sich immer zu Ostern herumzutreibe».
Also, der-wie sagten Sie?-der Faust machte auch einen
Osterspaziergang-"
„Aber ja, Lerr Schloppe! Ich meine doch den Osterspaziergang
mit Wagner!"
„Pah — so lange ist die Geschickte schon her!" Schloppe ist
etwas enttäuscht. „Das muß ja vor 60 Jahren gewesen sein oder
»och früher."
Tiburtius ist ratlos. „Nein, nein-"
„Na, Eie sagen doch, Wagner wäre dabei gewesen. And der
Richard Wagner ist doch schon so lange tot."
Tiburtius möchte schreien. Er bezwingt sich und gurgelt: „Ich
meine doch Faustens Famulus Wagner."
„Famulus? Da bin ich nicht im Bilde.
Was verstehen Sie unter Famulus?"
„Das ist — — na, sagen wir: ein Assi-
stent."
„Ein Assistent? Aha, jetzt wird mir die
Sache klar. Es handelt sich jedenfalls um
Lerren von der Tierärztlichen Lochschule,
nicht wahr? And der Pudel war da wohl
schon mal in Behandlung gewesen. And jetzt
fehlte ihm wieder was, und da wollte er
sich, weil er doch ein gescheiter Lund war,
an die Lerren hcranmachen, nicht wahr?
Ja, das gibt es! Aber erzählen Sie weiter,
Lerr Tiburtius! Solche Geschichten höre ich
sehr gern."
Die Lerren sind jetzt vor ihrem Lause
angelangt. And nun schreit Tiburtius wirk-
lich etwas. „Ich habe gar nichts zu erzählen,
Lerr Schloppe! Ich habe nur an Goethe
gedacht!" Er hofft, mit dieser Eröffnung
Schloppe für einen Augenblick stumm zu
machen und entweichen zu können.
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„Eigentlich Hab ich vom Leben soviel gar
nicht verlangt!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"1836 - 1936" "Der Ehemann denkt:"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4732, S. 229
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg