Belohnte Prosa „Wundervoll! Ah! märchenhaft!"
„Tja! And stellen Sie sich vor —* in diese herrliche Erde wollte
meine Frau Rosenstöcke pflanzen!"
Miniaturen
Pünkermann sitzt verzweifelt vor seinem Radio. Schraubt,
dreht, bastelt stundenlang. Schließlich ruft er telephonisch
seinen Radiohändler herbei.
„Ru sagen Sie mal, was ist mit dem Apparat, den ich
vorgestern bei Ihnen für teures Geld gekauft habe? Ich
kann mache», was ich will — immer höre ich nur ein häß-
liches Geräusch."
„Lm! Was denn für ein Geräusch?"
„Wie soll ich Ihnen das beschreiben? Es klingt wie
,Ras — Ras — Ras!"'
„Aha!" lächelt der Elektromann. „Da haben Sie Abes-
sinien erwischt." *
Zum Kurarzt Dr. Siedespecht kommt ein Mann in die
Sprechstunde.
„§>err Doktor," sagt der Patient, „ich weiß nicht, was
das ist, aber Ihre Mittel helfen nichts, es geht immer
schlechter mit mir." — „Soso! Wie ist denn der Name?"
„Ich heiße Knurrfink, Sebastian Knurrfink."
„Lm! Sonderbar! Ich kann mich gar nicht entsinnen —
aber ich werde mal in meinen Büchern nachsehen. Wann
waren Sie denn das letzte Mal hier?"
„Sie waren bei mir, Äerr Doktor, in der Pension
Quisisana."
„In der Pension Quisisana? Aber dann heißen Sie doch
nicht Knurrfink, sondern Plünne."
„Nein, Lerr Doktor. Plünne ist mein Zimmernachbar,
und wenn Sie bei ihm sind, dann höre ich immer alles
durch die Türe und mache genau dasselbe, was Sie drüben
verordnen."
Frau Scheinbaum kommt zum Nervenarzt.
„Lerr Doktor, kann das eine Krankheit bei meinem Manne
sein? Er spricht oft tagelang kein einziges Wort mit mir."
„Gnädige Frau, haben Sie schon einmal versucht, ab-
wechselnd zu reden?"
Die weißen und die schwarzen Natten
Eine chinesische Geschichte von Otto Moreno.
Der berühmte Professor Pang-koo-khen saß zur Frühstückszeit
auf der Bambusveranda und putzte die große runde Äornbrille.
Titata, seine liebreizende Tochter, nestelte einer jungen weißen Ratte
ein rosa Seidenbändchen um den Lals. Da trat Schang-fö ein, ein
schöner junger Mann.
„Ich habe dich rufen lassen," begann der Gelehrte, „um mit dir
zu sprechen. Erstens wegen des Examens, zweitens wegen meiner
Tochter Titata. Du kannst sie nicht zur Frau bekommen, weil du
im Examen durchgefallen bist. Wie kann man überhaupt durchfallew
junger Mann, wie geschah das?"
„Ich gestehe," entgegnete Schang-fö, „daß meine Gedanken fast
immer bei Titata waren."
„Das ist erklärlich, aber nicht entschuldbar. Jegliche Liebhaberei
ist geeignet, den Sinn von den Wissenschaften abzulenken. Auch ich
habe eine Liebhaberei, die Zucht und Pflege gezähmter Ratten. Aber
ich habe trotzdem stets die Wissenschaften gepflegt und niemals ein
Examen vernachlässigt. Du aber weißt keinen Entschuldigungsgrund
für deinen Durchsall."
„Oh", rief Schang-fö, „mein Examinator hat ebenfalls ein Auge
auf Titata geworfen, und deshalb hat er mich durchfallen lassen."
„Wer gut vorbereitet ins Examen geht, für den existieren dort
weder Wolfsgruben noch Fußangeln."
„Doch, großer Meister, denn nicht so sehr, was man fragt, als
wie man fragt, macht es aus, ob dem Prüfling eine Leine zur Ret-
tung oder ein Strick zum Aufhängen in die Land gegeben wird."
„Schang-fö," meinte jetzt der Gelehrte eifrig, „wenn du es fertig
bringst, mir eine einzige Frage aus den Naturwissenschaften vorzu-
legen, die ich nicht beantworten kann, lasse ich dir meine Tochter
ohne jedes weitere Examen."
Schang-fö hatte inzwischen den Rattenkäfig betrachtet und
dabei bemerkt, daß sich dort neben den weißen Ratten auch
einige Meerschweinchen und sogar ein paar schwarze Ratten be-
fanden.
„Bist du bereit?" fragte der Gelehrte. Schang-fö nickte. „So
stelle deine Frage."
„Welche von deinen Ratten fressen am meisten, die schwarzen
oder die weißen?"
Der Gelehrte blickte den Schang-fö erst sprachlos an. Dann
gab er verschiedene wissenschaftliche Erklärungen, die von dem jungen
Mann teils widerlegt, teils als berechtigt nicht anerkannt wurden.
Da erhob sich der große Gelehrte und ging wohl eine Viertelstunde
auf den geräuschlosen Reisstrohmatten auf und ab. Endlich blieb er
dicht vor Schang-fö stehen und blickte ihn über die Brille hinweg
durchbohrend an. „Deine Frage ist sehr sonderbar. Ich kann keine
anderen Antworten geben, als ich schon gab. Kein Gelehrter kann
es und keine Fakultät der alten und der neuen Welt. Oder kannst
du es vielleicht?"
Schang-fö trat unwillkürlich einige Schritte der Türe näher.
Dann entschied er: „Die weißen fressen mehr."
„Beweis" schrie der Gelehrte.
„Unter deinen 42 Raiten," sprach Schang-fö mit großer Ruhe,
„sind nur sechs schwarze. Also müssen die weißen mehr fressen!"
Der Gelehrte sank in seinen Sessel, wie vom Schlag getroffen.
Dann sprach er matt: „Du hast recht, Schang-sö, es ist nicht immer
leicht auf eine dumme Frage eine gescheite Antwort zu geben.
Doch eines versprich mir: Sage keinem, wie du zu deiner Frau
gekommen bist."
309
„Tja! And stellen Sie sich vor —* in diese herrliche Erde wollte
meine Frau Rosenstöcke pflanzen!"
Miniaturen
Pünkermann sitzt verzweifelt vor seinem Radio. Schraubt,
dreht, bastelt stundenlang. Schließlich ruft er telephonisch
seinen Radiohändler herbei.
„Ru sagen Sie mal, was ist mit dem Apparat, den ich
vorgestern bei Ihnen für teures Geld gekauft habe? Ich
kann mache», was ich will — immer höre ich nur ein häß-
liches Geräusch."
„Lm! Was denn für ein Geräusch?"
„Wie soll ich Ihnen das beschreiben? Es klingt wie
,Ras — Ras — Ras!"'
„Aha!" lächelt der Elektromann. „Da haben Sie Abes-
sinien erwischt." *
Zum Kurarzt Dr. Siedespecht kommt ein Mann in die
Sprechstunde.
„§>err Doktor," sagt der Patient, „ich weiß nicht, was
das ist, aber Ihre Mittel helfen nichts, es geht immer
schlechter mit mir." — „Soso! Wie ist denn der Name?"
„Ich heiße Knurrfink, Sebastian Knurrfink."
„Lm! Sonderbar! Ich kann mich gar nicht entsinnen —
aber ich werde mal in meinen Büchern nachsehen. Wann
waren Sie denn das letzte Mal hier?"
„Sie waren bei mir, Äerr Doktor, in der Pension
Quisisana."
„In der Pension Quisisana? Aber dann heißen Sie doch
nicht Knurrfink, sondern Plünne."
„Nein, Lerr Doktor. Plünne ist mein Zimmernachbar,
und wenn Sie bei ihm sind, dann höre ich immer alles
durch die Türe und mache genau dasselbe, was Sie drüben
verordnen."
Frau Scheinbaum kommt zum Nervenarzt.
„Lerr Doktor, kann das eine Krankheit bei meinem Manne
sein? Er spricht oft tagelang kein einziges Wort mit mir."
„Gnädige Frau, haben Sie schon einmal versucht, ab-
wechselnd zu reden?"
Die weißen und die schwarzen Natten
Eine chinesische Geschichte von Otto Moreno.
Der berühmte Professor Pang-koo-khen saß zur Frühstückszeit
auf der Bambusveranda und putzte die große runde Äornbrille.
Titata, seine liebreizende Tochter, nestelte einer jungen weißen Ratte
ein rosa Seidenbändchen um den Lals. Da trat Schang-fö ein, ein
schöner junger Mann.
„Ich habe dich rufen lassen," begann der Gelehrte, „um mit dir
zu sprechen. Erstens wegen des Examens, zweitens wegen meiner
Tochter Titata. Du kannst sie nicht zur Frau bekommen, weil du
im Examen durchgefallen bist. Wie kann man überhaupt durchfallew
junger Mann, wie geschah das?"
„Ich gestehe," entgegnete Schang-fö, „daß meine Gedanken fast
immer bei Titata waren."
„Das ist erklärlich, aber nicht entschuldbar. Jegliche Liebhaberei
ist geeignet, den Sinn von den Wissenschaften abzulenken. Auch ich
habe eine Liebhaberei, die Zucht und Pflege gezähmter Ratten. Aber
ich habe trotzdem stets die Wissenschaften gepflegt und niemals ein
Examen vernachlässigt. Du aber weißt keinen Entschuldigungsgrund
für deinen Durchsall."
„Oh", rief Schang-fö, „mein Examinator hat ebenfalls ein Auge
auf Titata geworfen, und deshalb hat er mich durchfallen lassen."
„Wer gut vorbereitet ins Examen geht, für den existieren dort
weder Wolfsgruben noch Fußangeln."
„Doch, großer Meister, denn nicht so sehr, was man fragt, als
wie man fragt, macht es aus, ob dem Prüfling eine Leine zur Ret-
tung oder ein Strick zum Aufhängen in die Land gegeben wird."
„Schang-fö," meinte jetzt der Gelehrte eifrig, „wenn du es fertig
bringst, mir eine einzige Frage aus den Naturwissenschaften vorzu-
legen, die ich nicht beantworten kann, lasse ich dir meine Tochter
ohne jedes weitere Examen."
Schang-fö hatte inzwischen den Rattenkäfig betrachtet und
dabei bemerkt, daß sich dort neben den weißen Ratten auch
einige Meerschweinchen und sogar ein paar schwarze Ratten be-
fanden.
„Bist du bereit?" fragte der Gelehrte. Schang-fö nickte. „So
stelle deine Frage."
„Welche von deinen Ratten fressen am meisten, die schwarzen
oder die weißen?"
Der Gelehrte blickte den Schang-fö erst sprachlos an. Dann
gab er verschiedene wissenschaftliche Erklärungen, die von dem jungen
Mann teils widerlegt, teils als berechtigt nicht anerkannt wurden.
Da erhob sich der große Gelehrte und ging wohl eine Viertelstunde
auf den geräuschlosen Reisstrohmatten auf und ab. Endlich blieb er
dicht vor Schang-fö stehen und blickte ihn über die Brille hinweg
durchbohrend an. „Deine Frage ist sehr sonderbar. Ich kann keine
anderen Antworten geben, als ich schon gab. Kein Gelehrter kann
es und keine Fakultät der alten und der neuen Welt. Oder kannst
du es vielleicht?"
Schang-fö trat unwillkürlich einige Schritte der Türe näher.
Dann entschied er: „Die weißen fressen mehr."
„Beweis" schrie der Gelehrte.
„Unter deinen 42 Raiten," sprach Schang-fö mit großer Ruhe,
„sind nur sechs schwarze. Also müssen die weißen mehr fressen!"
Der Gelehrte sank in seinen Sessel, wie vom Schlag getroffen.
Dann sprach er matt: „Du hast recht, Schang-sö, es ist nicht immer
leicht auf eine dumme Frage eine gescheite Antwort zu geben.
Doch eines versprich mir: Sage keinem, wie du zu deiner Frau
gekommen bist."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Belohnte Prosa"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4737, S. 309
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg