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Ein unglücklicher Lotteriespieler

Bis dahin war das ein ganz ver-
nünftiges Verfahren. Aber nun war
ich auch in dem „Kanarienvogellieb-
haberverein Las Palmas", und in
dem war ein gewisser Bratengeiger.

Der hatte noch viel mehr Glück als
Kapsel. Mit ihm konnte man über-
haupt nicht Karten spielen; wenn er
eine Badereise machte, dann wurde
er irgendwo der 5000. oder 10000.

Badegast und wurde umsonst aus-
genommen, und wenn er mit der
Straßenbahn fahren wollte, dann
kam sicherlich ein Bekannter mit
einem Auto vorbei und nahm ihn
mit. Was habe ich getan, meine
Lerren? Es hat mich gekitzelt, mich
mit dem Glücksvogel Bratengeiger
zu verbünden. Ich habe mit ihm
genau die gleiche Vereinbarung ge-
troffen wie mit Kapsel; er spielte
auch ein ganzes Los, das bisher
immer mit 1000 Mark 'rausgekom-
men war. Bratengeiger war auch
gleich einverstanden; er hatte das
Los Nummer 62473. — O, ich Esel,
ich ungeheures Rindvieh!"

Der Lausierer kippte wieder
einen Kognak, es war der siebente.

„Ein Idiot war ich, der ohne jede
Aeberlegung eine blödsinnige Ver-
einbarung getroffen hatte. O meine
Lerren — ich Ochse erhielt eine
furchtbare Lehre! Die Lauptziehung
kam. Kapsel kriegte nicht mal den
Einsatz 'raus, Bratengeiger auch
nicht. Und doch hatten die beiden
Glückspilze wieder Schwein, gewal-
tigen Dusel hatten sie. Meine Lerren:
ein Gewinn von 200000 Mark fiel
auf das Los Nummer 23719- Auf
mein Los! Ich bekam also nach Ab-
zug der herkömmlichen 20 Prozent
160000 Mark ausbezahlt. Aber was
mußte ich dann tun? Ich mußte
Kapsel die Lälfte meines Gewinns
abgeben —

ihm hinlegen. And Bratengeiger
mußte ich auch die Lälfte meines
Gewinns abgeben — auch ihm mußte
ich 80000 Mark hinlegen. Welch ein
Schlag, meine Lerren! Da hatte mir
Fortuna die volle Schale oder viel-
mehr— denn sie hat ja ein Lorn —das
volle Lorn hingehalten, aber gleich
war es grausam wieder fortgeriffen
worden. Ich mußte danach auf ein
halbes Jahr in eine Leilanstalt.

Inzwischen ging mein Geschäft zu
gründe, und nun stehe ich da, ein ge-
schorener Lamme!, der im kalten,
rauhen Leben jämmerlich friert, ein
entlaubter Stamm, ein — — —"

Er fand keinen weiteren Vergleich. Aber die Kognakflasche fand er.

Dem Baumeister war die Sache nicht ganz klar geworden. „Sie
hatten doch nicht nötig, alles herzugeben. Sie waren drei Spieler.
Also hätten Sie jedem der beiden andern Lerren den dritten Teil

ihres Gewinns auszahlen müssen.
Dann hätten Sie doch immer noch
— warten Sie mal! — ja, dann
hätten Sie noch 53333 Mark und
33 Pfennige übrig behalten, und das
wäre doch ein ganz netter Gewinn
gewesen."

„Nein, nein — es stimmt schon!"
erklärte der Rendant. „Die Verein-
barung war ja nicht unter den drei
Spielern gemeinsam getroffen wor-
den. Dieser unglückliche Mann hier
hatte mit jenem Lerrn Kapsel verab-
redet, auf Lalbpart zu spielen, und
dann ebenso mit jenem Lerrn Braten-
geiger. Vielleicht wußten Kapsel
und Bratengeiger gar nichts von-
einander."

Der Lausierer schüttelte den Kops.
„Nicht die Spur! Der,Gesangverein
Orpheus" und der ,Kanarienvogel-
liebhaberverein Las Palmas" waren
einander spinnefeind, weil die Ka-
narienvogelliebhaber behaupteten,
ihre Vögel sängen besser als der
ganze Orpheus. Es war ein un-
glücklicher Zufall, daß ich in beiden
Vereinen war. Ich konnte wirklich
nichts dagegen machen; ich mußte
das Geld an Kapsel und Braten-
geiger 'rausrücken, sonst hätten fle
mich verklagt."

„Ganz richtig!" sagte der Ren-
dant. „Aber es hätte ja noch schlim-
mer sein können. Wenn Sie auch
noch mit einem Dritten die gleiche
Vereinbarung getroffen hätten, dann
hätten Sie nicht allein den ganzen
Gewinn herausgeben müssen — nein,
dann hätten Sie noch aus eigenem
Vermögen 80000 Mark auszahlen
müssen. Oder Sie wären sie wenig-
stens schuldig gewesen."

Der Lausierer war überrascht.
„Daran habe ich noch gar nicht ge-
dacht. Aber dieser Gedanke könnte
mich beinahe trösten. Ich danke Ihnen
dafür, mein Lerr."

Da aber der Trost doch nicht zu
genügen schien, trank er noch schnell
die Kognakflasche aus. And dann
marschierte er ab. Oder wenigstens
versuchte er, zu marschieren — um
sich über einiges Schwanken des
Körpers und Zittern der Beine da-
durch hinwegzuhelsen.

Drei Tage später erzählte dem
Baumeister ein Bekannter: „Gestern
Abend habe ich einem Lausierer ein
Lotterielos abgekauft. Der Kerl hat
mir eine tolle Geschichte erzählt. Er
hat mal in der Lotterie gespielt und
ganze 160000 Mark gewonnen. Er

hatte aber ein Spiel auf Lalbpart verabredet, und da mußte er-"

„Aha!" rief der Baumeister. „Er mußte jedem der beiden andern
80000 Mark geben."

„Nein, es war noch schlimmer! Er hatte das mit drei andern

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Da8 Stelldichein

Zeichnung von W.-Mron

80000 Mark mußte ich
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Stelldichein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Wawra-Wiron, Josef
Entstehungsdatum
um 1936
Entstehungsdatum (normiert)
1931 - 1941
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 184.1936, Nr. 4743, S. 407

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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