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Savarine V°» 3. s. R»s>er
Als Lugo Götte nach Lause kam, roch es schon im Stiegenhaus
nach Angebranntem. Dies war Lugo Götte ein vertrauter Geruch, und
er wußte nun, daß seine Frau in der Küche stand und sich um das
Mittageffen bemühte. And als er die Wohnungstür öffnete, lag ein
solch dicker Brasem über dem Gang, daß er seine junge Frau erst sah,
als sie ihm mit ganz verzweifeltem Schluchzen an die Brust sank.
„Ach, Lugo — ich bin ja so unglücklich I"
„Das Essen ?"
„3a."
„Was sollte es geben?"
„Schnitzel!"
Lugo Götte nahm seine junge Frau zärtlich an das offene
Fenster. „Liebste!" sagte er, „ich habe dich ja nicht wegen des Kochens
geheiratet!"
„Sch möchte doch so gern für dich kochen, Lugo!"
„Aber du kannst es nicht, Savarine!"
„Meine Mutter kann so gut kochen, Lugo!"
„Deine Mutter kocht herrlich, Savarine! Das ist eben einmal
etwas, was du nicht von ihr hast."
„Glaubst du nicht, Lugo, daß ich es noch lerne?"
„Nein," sagte Lugo ganz ehrlich.
„Pfui, Lugo!"
„Aber —"
„Das ist häßlich von dir! Ich kann
doch nicht dafür, daß ich noch nicht kochen
gelernt habe! Dann hätten wir eben
noch ein Jahr mit dem Leiraten warten
müssen."
„Wäre das nicht schade?"
„Sehr schade, Lugo!"
Männer finden ja immer einen Aus-
weg, wenn sie guten Willens sind. And
Männer sind immer guten Willens, wenn
sie erst vier Wochen mit einer so ent-
zückenden und jungen Frau verheiratet
sind.
„Ich weiß einen Rat, Liebste I" meinte
Lugo Götte nach kurzem Nachdenken,
„wir sind doch jeden Sonntag bei deiner
Mutter zum Mittageffen eingeladen?"
„Jeden Sonntag, Lugo!"
„Nun, des Rätsels Lösung ist nicht
fern: Du läßt dir von deiner Mutter
genau das Rezept geben und paßt am
Sonntag Vormittag beim Kochen genau
auf, und dann effen wir die ganze Woche
jeden Tag dasselbe Gericht, sechsmal
hintereinander."
„Eine entzückende Idee, Lugo!"
„Meine Idee!"
„Deine entzückende Idee, Lugo I Du bist eben ein ganz geliebter,
ein ganz goldiger Mann!"
And das war Lugo auch.
Am Sonntag gab es bei der Mutter Rindsrouladen. Die gute
Mutter nahm das Fleisch von zwei Rostbraten, bestrich es mit Speck
und einem ganzen Ei, salzte es ein wenig und legte es beiseite. Dann
wiegte sie Sardellen, Zwiebeln, etwas Schinken und eine in Milch
geweichte Semmel, gab etwas Petersilie, saure Sahne und ein wenig
Parmesankäse dazu und wickelte das ganze mit einem harten Gürk-
chen in eine Speckscheibe, wickelte um die Speckscheibe wieder die
zwei Rostbraten, umwand das Ganze mit einem dünnen Bindfaden
und legte es in eine Kasserolle mit in Butter angelausenen Zwiebeln,
Scheiben von gelben Rüben und ein wenig Fleischbrühe. Savarine
stand daneben und paßte gut auf. Nichts vergaß sie, und nichts blieb
ihr fremd.
Die Rindsrouladen dufteten köstlich und mundeten herrlich. Lugo
nahm sich dreimal von der reichgefüllten Platte, wenn er auch jedes-
mal ein wenig murrte und mit dem dünnen Bindfaden, der das
köstliche Gericht zusammenhielt, in Streit geriet. Einmal blieb ihm
der Faden am Messer hängen, einmal an den Zähnen, einmal ver-
fing sich der Faden in der Gabel und einmal gar in seiner Kra-
wattennadel. Aber sonst war Lugo höchst zufrieden, denn Rindsrou-
laden aß er für sein Leben gern.
So eilte er auch am Montag froh über den ihm bevorstehenden
Genuß schnell zum Mittagessen nach Lause.
And wie ein Wunder: es roch im Stiegen-
haus nicht nach Angebranntem, es lag kein
Brasem über dem Gang, Savarine eilte
ihm mit der herrlich duftenden Schüssel
freudig entgegen, man setzte sich zu Tisch
und —
Die gute Mutter fuhr erschrocken aus
ihrem wohlverdienten Mittagsschläfchen
auf. Draußen läutete jemand ganz auf-
geregt an der Flurtür. Nicht einmal,
nicht zweimal, nein, anhaltend, verzwei-
felt, wie jemand in der größten Not.
Die gute Mutter fuhr in die Pantoffeln
und fing ihr Kind, ihre Tochter herzzer-
brechend weinend in ihren Armen auf.
„Ich bin ja so unglücklich, Mama!"
„Was gibt es denn?"
„Lugo ist vom Mittagessen davon-
gelaufen !"
„Dein Mann?"
„Ja. Er warf die Gabel hin, fluchte
jämmerlich, sprang auf und warf die
Tür hinter sich zu. Jetzt ist er fort!"
„Was hast du denn gekocht, mein
Kind?"
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Savarine V°» 3. s. R»s>er
Als Lugo Götte nach Lause kam, roch es schon im Stiegenhaus
nach Angebranntem. Dies war Lugo Götte ein vertrauter Geruch, und
er wußte nun, daß seine Frau in der Küche stand und sich um das
Mittageffen bemühte. And als er die Wohnungstür öffnete, lag ein
solch dicker Brasem über dem Gang, daß er seine junge Frau erst sah,
als sie ihm mit ganz verzweifeltem Schluchzen an die Brust sank.
„Ach, Lugo — ich bin ja so unglücklich I"
„Das Essen ?"
„3a."
„Was sollte es geben?"
„Schnitzel!"
Lugo Götte nahm seine junge Frau zärtlich an das offene
Fenster. „Liebste!" sagte er, „ich habe dich ja nicht wegen des Kochens
geheiratet!"
„Sch möchte doch so gern für dich kochen, Lugo!"
„Aber du kannst es nicht, Savarine!"
„Meine Mutter kann so gut kochen, Lugo!"
„Deine Mutter kocht herrlich, Savarine! Das ist eben einmal
etwas, was du nicht von ihr hast."
„Glaubst du nicht, Lugo, daß ich es noch lerne?"
„Nein," sagte Lugo ganz ehrlich.
„Pfui, Lugo!"
„Aber —"
„Das ist häßlich von dir! Ich kann
doch nicht dafür, daß ich noch nicht kochen
gelernt habe! Dann hätten wir eben
noch ein Jahr mit dem Leiraten warten
müssen."
„Wäre das nicht schade?"
„Sehr schade, Lugo!"
Männer finden ja immer einen Aus-
weg, wenn sie guten Willens sind. And
Männer sind immer guten Willens, wenn
sie erst vier Wochen mit einer so ent-
zückenden und jungen Frau verheiratet
sind.
„Ich weiß einen Rat, Liebste I" meinte
Lugo Götte nach kurzem Nachdenken,
„wir sind doch jeden Sonntag bei deiner
Mutter zum Mittageffen eingeladen?"
„Jeden Sonntag, Lugo!"
„Nun, des Rätsels Lösung ist nicht
fern: Du läßt dir von deiner Mutter
genau das Rezept geben und paßt am
Sonntag Vormittag beim Kochen genau
auf, und dann effen wir die ganze Woche
jeden Tag dasselbe Gericht, sechsmal
hintereinander."
„Eine entzückende Idee, Lugo!"
„Meine Idee!"
„Deine entzückende Idee, Lugo I Du bist eben ein ganz geliebter,
ein ganz goldiger Mann!"
And das war Lugo auch.
Am Sonntag gab es bei der Mutter Rindsrouladen. Die gute
Mutter nahm das Fleisch von zwei Rostbraten, bestrich es mit Speck
und einem ganzen Ei, salzte es ein wenig und legte es beiseite. Dann
wiegte sie Sardellen, Zwiebeln, etwas Schinken und eine in Milch
geweichte Semmel, gab etwas Petersilie, saure Sahne und ein wenig
Parmesankäse dazu und wickelte das ganze mit einem harten Gürk-
chen in eine Speckscheibe, wickelte um die Speckscheibe wieder die
zwei Rostbraten, umwand das Ganze mit einem dünnen Bindfaden
und legte es in eine Kasserolle mit in Butter angelausenen Zwiebeln,
Scheiben von gelben Rüben und ein wenig Fleischbrühe. Savarine
stand daneben und paßte gut auf. Nichts vergaß sie, und nichts blieb
ihr fremd.
Die Rindsrouladen dufteten köstlich und mundeten herrlich. Lugo
nahm sich dreimal von der reichgefüllten Platte, wenn er auch jedes-
mal ein wenig murrte und mit dem dünnen Bindfaden, der das
köstliche Gericht zusammenhielt, in Streit geriet. Einmal blieb ihm
der Faden am Messer hängen, einmal an den Zähnen, einmal ver-
fing sich der Faden in der Gabel und einmal gar in seiner Kra-
wattennadel. Aber sonst war Lugo höchst zufrieden, denn Rindsrou-
laden aß er für sein Leben gern.
So eilte er auch am Montag froh über den ihm bevorstehenden
Genuß schnell zum Mittagessen nach Lause.
And wie ein Wunder: es roch im Stiegen-
haus nicht nach Angebranntem, es lag kein
Brasem über dem Gang, Savarine eilte
ihm mit der herrlich duftenden Schüssel
freudig entgegen, man setzte sich zu Tisch
und —
Die gute Mutter fuhr erschrocken aus
ihrem wohlverdienten Mittagsschläfchen
auf. Draußen läutete jemand ganz auf-
geregt an der Flurtür. Nicht einmal,
nicht zweimal, nein, anhaltend, verzwei-
felt, wie jemand in der größten Not.
Die gute Mutter fuhr in die Pantoffeln
und fing ihr Kind, ihre Tochter herzzer-
brechend weinend in ihren Armen auf.
„Ich bin ja so unglücklich, Mama!"
„Was gibt es denn?"
„Lugo ist vom Mittagessen davon-
gelaufen !"
„Dein Mann?"
„Ja. Er warf die Gabel hin, fluchte
jämmerlich, sprang auf und warf die
Tür hinter sich zu. Jetzt ist er fort!"
„Was hast du denn gekocht, mein
Kind?"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Lillis erster Reisauflauf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4779, S. 130
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg