Osterhasen = Ballade
Osterhase Herbert Meier
Sptach zu seiner Frau: „Ein Graus!
Alle unsre Ostereier
Kommen immer weiß heraus.
Sie mit Farben zu versehen,
Kostet mich so manche Nacht.
Sowas muß doch technisch gehen —
Na, das war denn doch gelacht!“
„Herbert," sprach die Frau Mathilde,
„Technisch? das sei von uns fern!
Aber ich bin jetzt im Bilde:
Herbert, du wirst zu modern."
Herbert sagte, etwas schroffer:
„Technik ist der Zug der Zeit."
Darauf packt er seine Koffer
Und reist Riditung Gladbach=Rheydt.
Reisefremd, sitzt er sich Narben
Und sucht drum im Stehn sein Heil.
Vis-a-vis von I. G. Farben
Springt er keß aus dem Abteil.
Rennt durch einen Wiesensektor,
Wo „Betreten untersagt",
Glattwegs hin zu dem Direktor,
Dem er seine Sorgen sagt.
Der Direktor denkt erst: Foppen
Ist etwas, was mir nicht paßt!
Aber dann lädt er zum Schoppen
Diesen prominenten Gast.
Und bei einer Rheinwein-Serie
(Hinterher gab es noch Korn)
Sprachen sie dann die Materie
Gründlich durch von hint und vorn.
Doch nach dieser seltnen Feier
War dann leider — laut Bericht —
Osterhase Herbert Meier
Blau wie ein Vergißmeinnicht.
Und beim nächsten Morgengrauen
Wacht er auf zu früher Stund.
Selber mußt' er staunend schauen:
Eier legte er — und bunt.
Später bat beim Abschiednehmen
Er: „Kein Wort zu meiner Frau!
Denn ich müßte mich sonst schämen:
Audi die Eier waren — blau."
Und zu Hause angekommen,
Hat er still in seiner Not
Sich die Farben vorgenommen,
Aber nur Grün, Gelb und Rot.
180
Ostergeschichten
Eine fertige Sache
Der Zuckerwarenhändler Keichel hat für
die Tage vor Ostern hinten auf seinen Laden-
tisch eine große Glasschale gestellt, in die
manchmal die eine oder die andere seiner beiden
Verkäuferinnen etwas hineinwerfen muß, und
hin und wieder auch er selbst, obwohl er das
nur mit Widerstreben tut. Denn in die Schale
kommen jene Ostereier hinein, die mehr oder
Die erste Mahlzeit
„Du kannst ja ausgezeichnet kochen. Klär-
chen! Wenn ich das geahnt hätte, da hätten
wir ja schon ein Jahr früher heiraten können."
minder beschädigt sind und also leider nicht ver-
kauft werden können. Das ist nun einmal bei
dem Geschäft nicht anders; Ostereier, sofern sie
hohl sind, neigen dazu, zerbrechlich zu sein. Immer-
hin — sie sind nicht ganz verloren; das Material
kann ja wieder verarbeitet werden.
In Keichels Laden kommt Kupferknecht. Er
hat die Absicht, einige Ostereier zu erstehen, denn
er ist der Bruder einer verheirateten Schwester
mit vier Kindern und kann sich gewissen Ver-
pflichtungen als Oheim nicht entziehen. O, was
das doch für lästige Verpflichtungen sind! Alles,
was Geld kostet, ist Kupferknecht sehr lästig.
Kupferknecht muß warten, denn es ist noch
andere Kundschaft zu bedienen. Er sieht sich im
Laden um und bemerkt jene schon recht gefüllte
Glasschale, in die gerade wieder etwas geworfen
wird oder sogar geschmissen, denn es kommt ja
nicht mehr darauf an. „Sieh mal an!" denkt
Kupferknecht. „Das ist ja großartig!" And fünf
Minuten später verläßt er den Laden mit einer
ganz ansehnlichen Tüte voll Ostereierbruch, wofür
er nur 20 Pfennige bezahlt hat.--
Am Ostersonntag kommt Kupferknecht erst sehr
spät am Vormittag zu den kleinen Nichten und
Neffen. Seine Blicke strahlen Güte; liebevoll
tätschelt er die Kleinen. „Nun, Kinderchen, ihr
habt wohl schon eure Ostereier gesucht, nicht
wahr? Oho — eine ganze Stunde lang! Da müßt
ihr ja sehr müde sein, Kinderchen. Nun zeigt mal
her, was ihr gefunden habt! Ah, das sind ja
wundervolle Ostereier! Aber da müßt ihr wohl
noch recht lange warten, bis ihr sie euch mal zu
Gemüte führen könnt, nicht wahr? Die dürft ihr
vorläufig noch nicht zerbrechen."
Nein, das dürften sie noch nicht, geben die
Kinder zu. Nicht ohne Bedauern.
Kupserknecht tätschelt wieder. And nun macht
er seine Tüte auf. „Da, Kinderchen — ich lasse
euch nicht mehr suchen, weil ihr schon müde seid.
And warte» sollt ihr auch nicht, bis ihr naschen
dürft. Nein — ich bringe euch die Ostereier gleich
fertig zum Schlecken. Nun macht euch mal 'ran!"
Der Osterschinken
„Mein Magen ist seit einiger Zeit nicht in
Ordnung," klagt Roderich dem Vetter Balduin.
Balduin horcht auf. Das wäre ja eine Gelegen-
heit. Er muß den Vetter Roderich doch wieder
einmal in den Familienkreis bitten, aber er tut
das sonst nicht gern; er schiebt es immer wieder
auf. Denn der Vetter Roderich paßt schlecht an
einen sparsamen Familientisch; wenn man ihn zu
Mittag hat, behält die sorgende Lausfrau nichts
mehr — und daran liegt ihr doch! — für das
Abendbrot übrig.
„Wird wohl nicht so schlimm sein," sagt also
Balduin. „Du kannst doch am Ostersonntag bei
uns zu Tisch sein, nicht wahr? Wir haben einen
prachtvollen Osterschinken bekommen, von einem
Onkel meiner Frau."
„O, da komme ich mit Vergnügen!" erklärt
der Vetter Roderich.
And er kommt nicht nur mit Vergnügen, er
itzt auch mit Vergnügen, mit einem geradezu un-
bändigen Vergnügen. Immer wieder muß von
dem köstlichen Schinken eine Scheibe nach der
andern für ihn heruntergesäbelt werden.
(Fortsetzung Sette 185)
Osterhase Herbert Meier
Sptach zu seiner Frau: „Ein Graus!
Alle unsre Ostereier
Kommen immer weiß heraus.
Sie mit Farben zu versehen,
Kostet mich so manche Nacht.
Sowas muß doch technisch gehen —
Na, das war denn doch gelacht!“
„Herbert," sprach die Frau Mathilde,
„Technisch? das sei von uns fern!
Aber ich bin jetzt im Bilde:
Herbert, du wirst zu modern."
Herbert sagte, etwas schroffer:
„Technik ist der Zug der Zeit."
Darauf packt er seine Koffer
Und reist Riditung Gladbach=Rheydt.
Reisefremd, sitzt er sich Narben
Und sucht drum im Stehn sein Heil.
Vis-a-vis von I. G. Farben
Springt er keß aus dem Abteil.
Rennt durch einen Wiesensektor,
Wo „Betreten untersagt",
Glattwegs hin zu dem Direktor,
Dem er seine Sorgen sagt.
Der Direktor denkt erst: Foppen
Ist etwas, was mir nicht paßt!
Aber dann lädt er zum Schoppen
Diesen prominenten Gast.
Und bei einer Rheinwein-Serie
(Hinterher gab es noch Korn)
Sprachen sie dann die Materie
Gründlich durch von hint und vorn.
Doch nach dieser seltnen Feier
War dann leider — laut Bericht —
Osterhase Herbert Meier
Blau wie ein Vergißmeinnicht.
Und beim nächsten Morgengrauen
Wacht er auf zu früher Stund.
Selber mußt' er staunend schauen:
Eier legte er — und bunt.
Später bat beim Abschiednehmen
Er: „Kein Wort zu meiner Frau!
Denn ich müßte mich sonst schämen:
Audi die Eier waren — blau."
Und zu Hause angekommen,
Hat er still in seiner Not
Sich die Farben vorgenommen,
Aber nur Grün, Gelb und Rot.
180
Ostergeschichten
Eine fertige Sache
Der Zuckerwarenhändler Keichel hat für
die Tage vor Ostern hinten auf seinen Laden-
tisch eine große Glasschale gestellt, in die
manchmal die eine oder die andere seiner beiden
Verkäuferinnen etwas hineinwerfen muß, und
hin und wieder auch er selbst, obwohl er das
nur mit Widerstreben tut. Denn in die Schale
kommen jene Ostereier hinein, die mehr oder
Die erste Mahlzeit
„Du kannst ja ausgezeichnet kochen. Klär-
chen! Wenn ich das geahnt hätte, da hätten
wir ja schon ein Jahr früher heiraten können."
minder beschädigt sind und also leider nicht ver-
kauft werden können. Das ist nun einmal bei
dem Geschäft nicht anders; Ostereier, sofern sie
hohl sind, neigen dazu, zerbrechlich zu sein. Immer-
hin — sie sind nicht ganz verloren; das Material
kann ja wieder verarbeitet werden.
In Keichels Laden kommt Kupferknecht. Er
hat die Absicht, einige Ostereier zu erstehen, denn
er ist der Bruder einer verheirateten Schwester
mit vier Kindern und kann sich gewissen Ver-
pflichtungen als Oheim nicht entziehen. O, was
das doch für lästige Verpflichtungen sind! Alles,
was Geld kostet, ist Kupferknecht sehr lästig.
Kupferknecht muß warten, denn es ist noch
andere Kundschaft zu bedienen. Er sieht sich im
Laden um und bemerkt jene schon recht gefüllte
Glasschale, in die gerade wieder etwas geworfen
wird oder sogar geschmissen, denn es kommt ja
nicht mehr darauf an. „Sieh mal an!" denkt
Kupferknecht. „Das ist ja großartig!" And fünf
Minuten später verläßt er den Laden mit einer
ganz ansehnlichen Tüte voll Ostereierbruch, wofür
er nur 20 Pfennige bezahlt hat.--
Am Ostersonntag kommt Kupferknecht erst sehr
spät am Vormittag zu den kleinen Nichten und
Neffen. Seine Blicke strahlen Güte; liebevoll
tätschelt er die Kleinen. „Nun, Kinderchen, ihr
habt wohl schon eure Ostereier gesucht, nicht
wahr? Oho — eine ganze Stunde lang! Da müßt
ihr ja sehr müde sein, Kinderchen. Nun zeigt mal
her, was ihr gefunden habt! Ah, das sind ja
wundervolle Ostereier! Aber da müßt ihr wohl
noch recht lange warten, bis ihr sie euch mal zu
Gemüte führen könnt, nicht wahr? Die dürft ihr
vorläufig noch nicht zerbrechen."
Nein, das dürften sie noch nicht, geben die
Kinder zu. Nicht ohne Bedauern.
Kupserknecht tätschelt wieder. And nun macht
er seine Tüte auf. „Da, Kinderchen — ich lasse
euch nicht mehr suchen, weil ihr schon müde seid.
And warte» sollt ihr auch nicht, bis ihr naschen
dürft. Nein — ich bringe euch die Ostereier gleich
fertig zum Schlecken. Nun macht euch mal 'ran!"
Der Osterschinken
„Mein Magen ist seit einiger Zeit nicht in
Ordnung," klagt Roderich dem Vetter Balduin.
Balduin horcht auf. Das wäre ja eine Gelegen-
heit. Er muß den Vetter Roderich doch wieder
einmal in den Familienkreis bitten, aber er tut
das sonst nicht gern; er schiebt es immer wieder
auf. Denn der Vetter Roderich paßt schlecht an
einen sparsamen Familientisch; wenn man ihn zu
Mittag hat, behält die sorgende Lausfrau nichts
mehr — und daran liegt ihr doch! — für das
Abendbrot übrig.
„Wird wohl nicht so schlimm sein," sagt also
Balduin. „Du kannst doch am Ostersonntag bei
uns zu Tisch sein, nicht wahr? Wir haben einen
prachtvollen Osterschinken bekommen, von einem
Onkel meiner Frau."
„O, da komme ich mit Vergnügen!" erklärt
der Vetter Roderich.
And er kommt nicht nur mit Vergnügen, er
itzt auch mit Vergnügen, mit einem geradezu un-
bändigen Vergnügen. Immer wieder muß von
dem köstlichen Schinken eine Scheibe nach der
andern für ihn heruntergesäbelt werden.
(Fortsetzung Sette 185)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Sehnsucht des Zuckerbeckers" "Die erste Mahlzeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4782, S. 180
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg