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Zeichnung von E. Niemeyer-Moxter

DaS gezeichnete Markstück
Tierarzt, der aber über
den Fall schwieg, hätte
vielleicht gesagt: auf-
geschwatzt.

„Mag sein, daß ich
mehr Dusel habe als
andere," sagte der Tier-
arzt gelaffen. „Wie sich
Verdienst und Glück
verketten — na, und so
weiter."

„Sie würden also
auch ein Geldstück wie-
derkriegen, nicht wahr?

Und vielleicht gar nicht
mal 30 Jahre dazu
brauchen."

„Aber nein — auf
so lange Zeit würde ich
mich auch gar nicht ein-
lasten wollen. Sagen
wir: ein Jahr."

„Wie? In einem
Jahr wollen Sie einen
gezeichneten Groschen
wiederfinden! Das ist
unmöglich I" schrie der
Baumeister. „Da wette
ich mit Ihnen."

„Ich würde Ihnen
gönnen, daß ich die
Wette verliere, damit
Sie nicht noch einmal
einen Beweis meines
Dusels erleben," sagte
der Tierarzt verbindlich.

„Aber wirklich: ich bin
überzeugt, in einem
Jahre würde ich ein
Geldstück wieder erhal-
ten. Auf einen Groschen
würde ich mich freilich
nicht einlaffen wollen;
jedes Zehnpfennigstück
genau ansehn zu müssen,
käme mir etwas lächerlich vor. Aber ein Markstück könnte es sein.

Da-"er holte eine Mark heraus — „ein blankes neues Stückl

Ich gebe es heute aus, Lerr Baumeister, und spätestens in einem
Jahre lege ich es Ihnen wieder vor."

„Sie legen es mir nicht vor! Ich wette um 100 Mark."

„Abgemacht!" Der Tierarzt nahm sein Taschenmesser und murkste
mit der Spitze der kleinen Klinge auf dem Markstück herum. „So —
da habe ich zwei R eingekratzt: Richard Röder. Das dürfte zur
Kennzeichnung genügen, Lerr Baumeister."

„Genügt vollkommen!" — „Das können Sie aber mit jedem an-
dern Markstück ebensogut machen," meckerte der Apotheker Kniewel.

„Könnte ich, meine Lerren — es würde aber keinen Zweck haben.
Denn nunmehr ersuche ich den Lerrn Baumeister, zur Kontrolle auf
der Rückseite gleichfalls ein Merkzeichen anzubringen. Darf ich bitten?
Wenn mir Ihr Zeichen nicht, damit eine betrügerische Unterschiebung
meinerseits ausgeschlossen sei, ganz unbekannt bleiben müßte, würde
ich ein L Vorschlägen nebst einer Maurerkelle oder sonst einem Zei-
chen des Bauwesens."

Der Baumeister knurrte wegen der Maurerkelle, obwohl keine
Veranlassung dazu vorlag, und kratzte auf dem Markstück herum,
wobei ihm der Apotheker als Zeuge zusah. Aber dann reichte er dem
Tierarzt nur das Taschenmesser, nicht die damit behandelte Münze

zurück; für diese hän-
digte er ihm vielmehr
ein Markstück aus eige-
nem Besitz ein. „Sie er-
lauben doch, daß ich
selber die Mark in die
weite Welt schicke?"

Der Sparkassenvor-
stand grinste den Tier-
arzt an. „Jetzt braucht
er die Mark bloß ein
Jahr lang einzusperren,
dann sind Sie 'reinge-
fallen." Er wandte sich
an den Baumeister:
„Zahlen Sie die Mark
bei mir ein! Sie be-
kommen dafür ein Spar-
kassenbüchlein für Ihren
Jüngsten."

„Lassen Sie nur! Der
Lerr Baumeister kann
ja mit der Mark gleich
hier zahlen," meinte der
Tierarzt gelassen. „Er
wollte doch ohnehin

heute-"

Der Baumeister
sprang auf. „Donner-
wetter ja-ich bat

die Lerren doch, mich
daran zu erinnern I Ich
muß ja auf die Bahn,
meine Frau abzuholen.
Gustav — Gustav!"

Der alte Kellner der
„Grauen Ente" kam an.

„Zwei kleine Grog,
Gustav — macht 80.
Söier haben Sie eine
Mark! Guten Abend,
meine Lerren!" And
dann stürzte er davon. —
„Loffentlich kommt er
noch zur Zeit," meinte
der Apotheker. „Die
Frau ist so leicht gereizt." — „Er hatte ordentlich Angst," lachte
der Sparkassenvorstand. „Deshalb darf man es ihm nicht verargen,
daß er eigentlich eben etwas unbesonnen gehandelt hat." — „Pst,
meine Lerren, pst!" machte der Tierarzt. And dann rief er: „Gustav!"

Gustav hörte nicht; er war gerade aus einer andern Ecke des
Lokals gerufen worden. Vielleicht wollte man dort zahlen. Donner-
wetter! Der Tierarzt sprang auf, jagte Gustav nach und schleppte ihn
an den Stammtisch. „Lassen Sie die Lerrschaften einen Augenblick
warten, Gustav! Sie müssen mir einen Gefallen tun. Wieviel Wech-
selgeld haben Sie? Suchen Sie alles zusammen!"

Gustav zählte. „48 Mark 70, Lerr Doktor!"

„Geben Sie her, Gustav! Kier haben Sie einen Fuffzigmarkschein
dafür — weil Sie nachher vielleicht Schwierigkeiten beim Leraus-
geben haben. So — danke!" — Der Tierarzt schaufelte das Geld
ein, ohne die Miene zu verziehen. „Ich brauche nämlich morgen in
aller Frühe kleines Geld, meine Lerren."

„Das kann Vorkommen," sagte der Sparkassenvorstand. „Zu uns
kommen auch oft Leute danach, wenn die Sparkasse eben ausgemacht hat."

„O weh, o weh!" jammerte der Apotheker Kniewel. „Das wird
heute mal wieder spät werden!"

„Da dürften Sie recht haben," lachte jetzt der Tierarzt. „Sie meinen
doch: weil ich uns jetzt eine große Punschbowle brauen lassen werde."

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Der sparsame Romantiker
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der sparsame Romantiker"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Niemeyer-Moxter, E.
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
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Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4788, S. 279

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