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„Das is en Sommer dies Jahr, nu
fängt's schon wieder zu regnen an!"

Weiße Schokolade

Von Laos Breitenetchner

Batson ist eine der größten Schokoladefabriken
des amerikanischen Kontinents. Man hatte mir
schon vor längerer Zeit empfohlen, ich solle ein-
mal die Batson-Werke ansehen, sie seien der groß-
artigste, der modernste Betrieb ihrer Art. Nach
einem Rundgang, und aus der ungeheuren Menge
von Schokolade zu schließen, die man dabei steht,
müsse man nicht nur glauben, die ganze Welt
esse nur Batson Schokolade, sondern auch außer
Batson Schokolade nichts anderes. Kurz und gut,
ich würde überrascht sein, sagte man mir.

Die Aeberraschung begann damit, daß Lerr
Batson persönlich mich führte. Ich hatte mir
Batson jünger vorgestellt, er war ein alter Mann
mit weißen Laaren, schmalen, ruhigen Länden
und einem so sanften Blick, als hätten diese Augen
noch niemals Geld gezählt. Wir schritten durch
riesige Säle, und Lerr Batson schwieg. Ich wollte
mich dankbar erweisen und sprach nur in Worten
höchster Anerkennung. Je weiter wir kamen, um
so begeisterter äußerte ich mich über die riesigen
Stapel von Schokolade. Lerr Batson sah mich
von der Seite an. Dann sagte er: „Unser Absatz
ist nicht nur seit Monaten schon ins Stocken ge-
raten, wir erhalten auch noch täglich große Sen-
dungen wieder zurück." Ich zweifle nicht daran,
daß ich sehr verlegen war. Sbm Batson lächelte
nachsichtig und erklärte, ich sähe tatsächlich die
größten Vorräte, die Batson jemals besessen
habe. Im Uebrigen sei ich wohl der einzige
Mensch weit und breit, der nicht weiß, daß Bat-
son vor dem Bankrott steht.

In der Tat, ich war überrascht. Die Worte
der Verheißung meiner Freunde hatten sich auf
das Trefflichste erfüllt, und niemand hätte sich
darüber, daß ich wieder einmal zu spät gekommen
war, auch nur die leiseste Bemerkung erlauben
dürfen. Selbst Lerr Batson schien diesem Umstand
keine weitere Bedeutung beizumessen. Wir unter-
hielten uns
dann noch
sehr angeregt
in seinem

Büro.

Lerr Batson

„ich glaube, jetzt habe ich annähernd das Treffende
gefunden, um mich auszudrücken I Der Kontakt!
Ich habe keinen Kontakt mehr mit meinen Käufern."
Er dachte eine Weile nach und sagte dann
traurig lächelnd: „Als Zuckerbäcker, ja, da habe
ich mit meinen Käufern noch den richtigen
Kontakt gehabt, da wußte ich genau, daß sie
nicht einfach eine Zuckerstange wollten, sondern daß
es eine rote, eine blaue und eine grüne Zucker-
stange sein mußte. Niemals sonst hätte ich dieses
Werk aufbauen können. Leute allerdings, da ich
diesen Kontakt verloren habe, ist die Fabrik ohne
ihn tot."

Ich gestehe, Lerr Batson verwirrte mich ein
wenig mit seinen vielen Worten. Mir schien, das
Wort „Kontakt" habe ihn plötzlich berauscht. Ich
habe noch niemals Schokolade verkaufen können,
es wäre also anmaßend gewesen, Lerrn Batson
zu widersprechen. Wenn ich trotzdem mit großer
Aufmerksamkeit Lerrn Batsons weiteren Aus-
führungen zuhörte, war es dem Umstand zuzu-
schreiben, daß Lerrn Batsons Stimme in ihrer
leichten Erregung einen äußerst wohlklingenden
Ton besaß, als er anfing, mir auseinanderzuseyen,
daß zum Beispiel viele Schokoladenverkaufsstellen
dre Lieferungen zurückschickten mit dem Ein-
wand, daß Batson Schokolade nach längerem
Lagern sogar eine leichte weißliche Färbung an-
nähme. „Niemals, solange Batson Schokolade
die begehrteste Schokolade war, hat auch nur ein
einziger Kunde daran Anstoß genommen," sagte
Lerr Batson mit erhobener Stimme. „Berge von
Schokolade," fuhr er fort, „die größten Vorräte,
die Batson jemals besessen hat, liegen jetzt hier
mit einer weißlichen Färbung." Und er fragte mich:
„Glauben Sie, daß ich jemals wieder diese Schoko-
lade verkaufen kann?"

„Nein, Lerr Batson!" sagte ich aufrichtig.

„Und wenn ich den Kontakt mit meinen Käu-
fern wieder gefunden habe?"

lgorisetzung auf Sette 311)

hatte als kleiner Zuckerbäcker seine Laufbahn begon-
nen. Er freute sich, dies zu gestehen. Er erzählte mir
vom Aufbau seines großen Werkes, bewies mir an
Land von Statistiken die gewaltige Produktion und
die riesigen Umsätze und sprach dann mit einer etwas
leiseren Stimme von dem plötzlichen Verfall.

„And die Ursachen, Lerr Batson?" fragte ich.

Lerr Batson zuckte mit den Achseln. „Anergründ-
bar," sagte er, „niemand mehr will Batson Schoko-
lade kaufen. Das ist alles." Lerr Batson beteuerte,
daß die Qualität seiner Schokolade keinesfalls schlech-
ter geworden sei. And doch behaupteten die Käufer
dies plötzlich. In Wirklichkeit also, erklärte mir
Lerr Batson, sei nicht allein die Qualität das Aus-
schlaggebende, es gehöre noch etwas anderes, ganz
Bestimmtes dazu, um Millionen Käufer zu finden.
Dieses Bestimmte sei nicht Reklame allein, Reklame
nur als Apparat, dahinter noch müsse dieses Bestimmte
sein. Sicherlich könnte man hierfür „Idee" sagen,
aber dies allein würde immer noch nicht genügen.
„Sehen Sie," sagte Lerr Batson plötzlich erregt,
308

„Dös schon, aber net rund." — „Wieso?"

„Na, bal S' 3 Minuten gradaus fahren, Ham S' scho alles g'sehgn."
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das is en Sommer dies Jahr, nu fängt's schon wieder zu regnen an!" "Machen Sie auch Rundfahrten durch den Ort?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4790, S. 308

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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