Ergebnis der Preisaufgabe 352 (Nr. 4781)
„Die tollste Lüge"
Wie das schon manchmal geschehen ist, saßen also drei Wander-
gesellen zusammen und überlegten, wem von ihnen eine zufällige
Gabe des Glücks zufallen sollte. Diesmal war es eine Flasche Schnaps,
die aber nur klein gewesen sein muß, denn sonst hätten die Drei sie
ja gemeinsam geleert. Sie beschlossen also, daß jener die Flasche
allein für sich haben sollte, der die tollste Lüge erzählen würde. Dar-
auf fabelte der erste Geselle eine Geschichte zusammen von einem
Onkel, der Zeitungsreporter gewesen, aber gerade deshalb durch
Lande! mit Elfenbein reich geworden war, weil er nämlich aus jeder
Mücke einen Elefanten zu machen wußte. Der zweite Geselle kam
auch mit einem reich gewordenen Onkel an. Der konnte noch besser
schwindeln als der Reporter, und außerdem pflegte er fürchterlich
zu rauchen; er log das Blaue vom Limmel herunter, bis dichter
Nebel da war, der dann durch den Rauch schwarz und schwärzer
wurde, und schließlich konnte er den dicken schwarzen Nebel als
Kohle verkaufen. Nun sollte der dritte Geselle erzählen, und für ihn
war die tollste Lüge zu erfinden; es mußte aber auch eine lustige
Lüge sein.
Es ist wirklich toll darauflos gelogen worden. Nicht wenige Einsen-
der haben freilich gar zu weit ausgeholt; sie haben uns die längsten
Geschichten geschickt und nicht erwogen, daß doch die drei mit den
Geldpreisen bedachten Einsendungen auch veröffentlicht werden müssen,
und schon deshalb eine Begrenzung des Amfangs geboten war. Da-
bei hat sich viel Altbekanntes eingefunden, von dem aus Argroß-
vätertagen stammenden Scherzrezept an, Silber zu gewinnen (indem
man in eine Allee von Silberpappeln geht und Schweigen gebietet,
woraus das „Pappeln" aufhört und das Silber frei wird) bis zu
dem bekannten Mann mit der kräftigen Lunge, der das in völliger
Windstille fefiliegende Segelschiff rettet, indem er mächtig gegen die
Segel pustet. Da sind die Bären, die jemandem aufgebunden werden
und dann schon dem Verhungern nahen Forschungsreisenden köstliche
Bärenschinken liefern; da ist der riesige Golvschatz, gewonnen durch
jahrelanges Trinken von Danziger Goldwasser, wovon wohl zuerst
Johannes Trojan erzählt hat; da ist der Sänger, der unaufhörlich
die Tonleiter singt und so zum Monde hinausklettert, und dergleichen
mehr. Ja, sogar Geschichten vom alten Baron Münchhausen sind
erzählt worden. Von dem beliebten Trick, Lügner zu übertrumpfen
mit der Versicherung, man habe selbst noch nie gelogen, ist hundert-
fach Gebrauch gemacht worden, und ebensowenig gefehlt hat der
Trumpf, Lügengeschichten mit der Erklärung zu übersteigern, das
seien ja nicht Lügen, sondern wahre Erlebnisse, denn man sei selber
als Zeuge dabei gewesen. Das alles mußte ausscheiden.
Das Ergebnis:
Erster Preis von 60 Mark:
Der dritte Geselle erzählte: „Ich will mich kurz fassen, denn in
der Kürze liegt die Würze. Ein Großonkel von mir war Seemann,
gab diesen Beruf auf, hielt Vorträge, spann dabei Seemannsgarn,
verkaufte es und wurde reich. Bei seinen Vorträgen redete er außer-
dem viel Blech, das er zu hohen Preisen an den Mann brachte.
Ein Stück Blech behielt er und ließ sich daraus eine Trompete an-
fertigen, der er so falsche Töne entlockte, daß es jedem, der ihn
blasen hörte, die Stiesel auszog. Diesen Amstand machte sich mein
Großonkel zunutze. Blasend zog er durch die belebtesten Straßen
der großen Städte, gefolgt von einigen Vertrauenspersonen, die
sofort die Stiefel, die das miserable Spiel den Leuten auszog, sam-
melten und sortschafften, um sie gleich zu verkaufen. So wurde mein
Großonkel immer reicher."
Einsender: Karl Kompter, Leipzig S. 3, Nibelu.ngenring 15.
Zweiter Preis von 30 Mark:
„Ich weiß auch eine Geschichte!" begann der dritte Geselle. Aber
dann sagte er kurz: „Nämlich eine Geschichte von zwei faulen
Schuldnern, und die seid ihr. Vor acht Wochen habe ich jedem von
euch 1000 Mark gepumpt, aber ihr denkt nicht daran, mir mein
Geld wiederzugeben."
Einsender: Gerhard Drummer, stud. ing., Köthen,
Aribertstraße 6.
Dritter Preis von 20 Mark:
Der dritte Geselle erzählte: „Ich habe einen Onkel, der in den
Vereinigten Staaten zu Geld gekommen ist, als es dort mit der
berühmten Prosperity auf einmal aus war. Da schwammen doch
überall den Leuten die Felle weg. Mein Onkel aber spannte in allen
Flußmündungen Netze aus, fing die weggeschwommenen Felle auf
und wurde der größte Fellhändler.
Einsender: Konrad Allrich, Lamburg-Altona, Nachtigallenstr. 4.
Außerdem sind 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je
drei Mark verschickt worden.
„Wollen wir uns nicht lieber in den Schatten setzen, Oskar?"
„Nee, Berta! Im vorigen Sommer hat uns hier die Stunde
Sonnenschein zwanzig Mark gekostet — — das müssen wir
wieder einbringen."
Bei Anfragen oder Bestellungen wollen Sie sich gefl. auf die „Fliegenden Blätter“ beziehen.
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„Die tollste Lüge"
Wie das schon manchmal geschehen ist, saßen also drei Wander-
gesellen zusammen und überlegten, wem von ihnen eine zufällige
Gabe des Glücks zufallen sollte. Diesmal war es eine Flasche Schnaps,
die aber nur klein gewesen sein muß, denn sonst hätten die Drei sie
ja gemeinsam geleert. Sie beschlossen also, daß jener die Flasche
allein für sich haben sollte, der die tollste Lüge erzählen würde. Dar-
auf fabelte der erste Geselle eine Geschichte zusammen von einem
Onkel, der Zeitungsreporter gewesen, aber gerade deshalb durch
Lande! mit Elfenbein reich geworden war, weil er nämlich aus jeder
Mücke einen Elefanten zu machen wußte. Der zweite Geselle kam
auch mit einem reich gewordenen Onkel an. Der konnte noch besser
schwindeln als der Reporter, und außerdem pflegte er fürchterlich
zu rauchen; er log das Blaue vom Limmel herunter, bis dichter
Nebel da war, der dann durch den Rauch schwarz und schwärzer
wurde, und schließlich konnte er den dicken schwarzen Nebel als
Kohle verkaufen. Nun sollte der dritte Geselle erzählen, und für ihn
war die tollste Lüge zu erfinden; es mußte aber auch eine lustige
Lüge sein.
Es ist wirklich toll darauflos gelogen worden. Nicht wenige Einsen-
der haben freilich gar zu weit ausgeholt; sie haben uns die längsten
Geschichten geschickt und nicht erwogen, daß doch die drei mit den
Geldpreisen bedachten Einsendungen auch veröffentlicht werden müssen,
und schon deshalb eine Begrenzung des Amfangs geboten war. Da-
bei hat sich viel Altbekanntes eingefunden, von dem aus Argroß-
vätertagen stammenden Scherzrezept an, Silber zu gewinnen (indem
man in eine Allee von Silberpappeln geht und Schweigen gebietet,
woraus das „Pappeln" aufhört und das Silber frei wird) bis zu
dem bekannten Mann mit der kräftigen Lunge, der das in völliger
Windstille fefiliegende Segelschiff rettet, indem er mächtig gegen die
Segel pustet. Da sind die Bären, die jemandem aufgebunden werden
und dann schon dem Verhungern nahen Forschungsreisenden köstliche
Bärenschinken liefern; da ist der riesige Golvschatz, gewonnen durch
jahrelanges Trinken von Danziger Goldwasser, wovon wohl zuerst
Johannes Trojan erzählt hat; da ist der Sänger, der unaufhörlich
die Tonleiter singt und so zum Monde hinausklettert, und dergleichen
mehr. Ja, sogar Geschichten vom alten Baron Münchhausen sind
erzählt worden. Von dem beliebten Trick, Lügner zu übertrumpfen
mit der Versicherung, man habe selbst noch nie gelogen, ist hundert-
fach Gebrauch gemacht worden, und ebensowenig gefehlt hat der
Trumpf, Lügengeschichten mit der Erklärung zu übersteigern, das
seien ja nicht Lügen, sondern wahre Erlebnisse, denn man sei selber
als Zeuge dabei gewesen. Das alles mußte ausscheiden.
Das Ergebnis:
Erster Preis von 60 Mark:
Der dritte Geselle erzählte: „Ich will mich kurz fassen, denn in
der Kürze liegt die Würze. Ein Großonkel von mir war Seemann,
gab diesen Beruf auf, hielt Vorträge, spann dabei Seemannsgarn,
verkaufte es und wurde reich. Bei seinen Vorträgen redete er außer-
dem viel Blech, das er zu hohen Preisen an den Mann brachte.
Ein Stück Blech behielt er und ließ sich daraus eine Trompete an-
fertigen, der er so falsche Töne entlockte, daß es jedem, der ihn
blasen hörte, die Stiesel auszog. Diesen Amstand machte sich mein
Großonkel zunutze. Blasend zog er durch die belebtesten Straßen
der großen Städte, gefolgt von einigen Vertrauenspersonen, die
sofort die Stiefel, die das miserable Spiel den Leuten auszog, sam-
melten und sortschafften, um sie gleich zu verkaufen. So wurde mein
Großonkel immer reicher."
Einsender: Karl Kompter, Leipzig S. 3, Nibelu.ngenring 15.
Zweiter Preis von 30 Mark:
„Ich weiß auch eine Geschichte!" begann der dritte Geselle. Aber
dann sagte er kurz: „Nämlich eine Geschichte von zwei faulen
Schuldnern, und die seid ihr. Vor acht Wochen habe ich jedem von
euch 1000 Mark gepumpt, aber ihr denkt nicht daran, mir mein
Geld wiederzugeben."
Einsender: Gerhard Drummer, stud. ing., Köthen,
Aribertstraße 6.
Dritter Preis von 20 Mark:
Der dritte Geselle erzählte: „Ich habe einen Onkel, der in den
Vereinigten Staaten zu Geld gekommen ist, als es dort mit der
berühmten Prosperity auf einmal aus war. Da schwammen doch
überall den Leuten die Felle weg. Mein Onkel aber spannte in allen
Flußmündungen Netze aus, fing die weggeschwommenen Felle auf
und wurde der größte Fellhändler.
Einsender: Konrad Allrich, Lamburg-Altona, Nachtigallenstr. 4.
Außerdem sind 30 Trostpreise in Büchern im Werte von je
drei Mark verschickt worden.
„Wollen wir uns nicht lieber in den Schatten setzen, Oskar?"
„Nee, Berta! Im vorigen Sommer hat uns hier die Stunde
Sonnenschein zwanzig Mark gekostet — — das müssen wir
wieder einbringen."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wollen wir uns nicht lieber in den Schatten setzten"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4792, S. 345
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg