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Wie ich uff'm Felsen stehe oder sonst in einer gefährlichen Situation!"

„Gefährliche Situation? Da hätte ich vorhin knipsen müssen,
wie du die Kellnerin küssen wolltest und die Ohrfeige bekamst."

Klingeln

Lerr Schiebetrost unterwies das neue Mädchen. Von diesem
neuen Mädchen ist einstweilen nicht viel zu sagen, dagegen einiges
von Lerrn Ottomar Schiebetrost.

Er ist Junggeselle und natürlich ein Sonderling. Das ist die
Strafe des Limmels, daß er alle Junggesellen zu Sonderlingen
werden läßt. Er sammelt Insekten. Jeden Freitag abend begibt
er sich ins Dübenbräu, wo sich die Insektensammler treffen. Lier
werden außer Ansichten auch Schmetterlinge und Käfer ausge-
tauscht. Schiebetrost ist ein Mann der Ordnung. Das sieht man
ihm schon an, wenn man ihm ins Antlitz schaut. Er sieht aus
wie ein Registrierschrank mit Schnauzbart und Brille. Wenn
er irgendwo in der Wohnung ein Spinngewebe findet, dann
schreibt er das Datum des Fundtages auf einen kleinen Zettel,
von denen er einen Vorrat in einem bestimmten Fach seines
Schreibtisches verwahrt, steckt den Zettel in das Spinngewebe
und führt dann zu gegebener Zeit seine Lausgehilfin an der
Land hin, um ihr so an Land von Daten einwandfrei zu demon-
strieren, was für eine Schlampe sie ist. Außerdem ist Ottomar
Schiebetrost ein Organisator. Mangels andrer Organisations-
möglichkeiten hat er das Klingelwesen in seinem Laushalt bis
ins letzte hinein organisiert. Und nun ist er eben dabei, dem
neuen Mädchen diese Dinge zu erklären.

„Wir haben fünf Klingeln, Frieda," sagte er, „die Laustor-
klingel, die Korridortürklingel, drei Zimmerklingeln, die aber den-
selben Apparat betätigen, die Klingel vom Bad und schließlich
das Telephon. Sie unterscheiden sich durch ihre Tonhöhe. Das

Telephon hat außer-
dem das besondere,
daß cs alle zehn Se-
kunden läutet.Läutet
dieLaustorglocke,so
müssen Sie aus die-
sen Knopf drücken,
dann springt die
Laustüre auf. Sind
die Leute oben an-
gelangt, so läuten
sie wieder an der
Korridortüre — das
ist so, Passen Sie auf!
Und nun merken Sie
Ein herrenloser Schatz sich: die Zeitungs-

frau läutet dreimal, der Buttermann viermal, die Milchsrau fünfmal
und der Briefträger sechsmal, das ist so ausgemacht. Jetzt die
Klingel vom Badl"

Schiebetrost öffnete das Badezimmer und drückte auf einen Knopf.

„Lören Sie, Frieda? Eine Terz höher! Wenn ich einmal aus dem
Bad läute, dann heißt das, ich wünsche eine feuchte Kompresse für
den Kopf. Natürlich kommen Sie nicht herein, sondern reichen mir die
Kompresse auf der Spitze dieser Stange, die gleich neben der Türe
steht, herein. Klingle ich zweimal, so fehlt mir ein Landtuch — das
brauchen Sie nur durch den geöffneten Türspalt hereinzuwerfen. Weitere
Einzelheiten erkläre ich Ihnen später, um Sie nicht zu verwirren."

Lierauf entfernte sich Ottomar Schiebetrost auf den Speicher,
um die dort befindlichen Insektenkästen einzumotten.

Als er wieder zurückkam, dauerte es ziemlich lange, bis ihm
Frieda öffnete. Sie hatte einen hochroten Kopf.

„Es ist ein Lerr gekommen," sagte sie, „der hat einundzwanzig
mal geklingelt — —"

„Ansinn," belehrte sie Lerr Schiebetrost, „das ist der Lerr Doktor
Finkensieb, der läutet siebenmal. Einundzwanzig geteilt durch drei
gibt sieben. Er hat also dreimal geklingelt. Wahrscheinlich haben Sie
ihm nicht gleich aufgemacht. Wo ist der Lerr Doktor?"

„Fort."

„Wie? Fort?"

„Ja. Als er da war, hat es siebenmal geläutet. Ich konnte nicht
herausbringen, wo. Ich bin dreimal auf die Straße hinunter gelaufen,

Eigennutz „Da steht es angekündigt: Leute große Rundfahrt! Also muß
der Wagen fahren; das kann man verlangen." — „Aber Tante — bei dem
Wetter findet sich doch kein Mensch ein! And was hätten wir schon davon?"
„Großartig wär's! Wir hätten den ganzen Wagen allein für uns."

aber es war weder der Briefträger noch der Buttermann. Wie ich
wieder oben war, hat er mich gefragt, wo Brehms Tierleben bleibt."

»Ja, Frieda, das habe ich Ihnen wohl noch nicht gesagt. Wenn der
Lerr Doktor Finkensieb da ist und im Lerrenzimmer klingelt, dann be-
deutet das, er will einen bestimmten Band von Brehms Tierleben
haben. In diesem Falle, da er siebenmal läutete, den siebenten Band."
„Ach so," sagte Frieda, „und ich habe ihm nacheinander siebön Landtücher
ins Zimmer geworfen — da ist er gegangen."

Lerr Schiebetrost seufzte. In diesem Augenblick klingelte es wieder.
Er öffnete selber. Es war der Gasmann, der den Zähler ablesen wollte.
Lerr Schiebetrost Pflegte ihn immer persönlich ins Bad zu begleiten, wo
die Gasuhr stand, und sich von ihm die Anzahl der Kubikmeter sagen
zu lassen.

Während der Gasmann ablas, ging das Telephon.

„Mal sehen, was Frieda tun wird!" dachte Lerr Schiebetrost,
während er mit dem Gasmann über den auf dem Boden stehenden
Zähler gebeugt war. Plötzlich fuhr der Gasmann hoch. Frieda hatte
ihn mit einem nassen Lappen auf der Stange gerade in den Nacken gekickst.

Er verhielt sich allen Erklärungsversuchen gegenüber unzugänglich
und entfernte sich wütend. Einen Beamten im Dienst so zu beleidigen,
sei allerhand, sagte er, und er würde sich bei der Verwaltung beschweren.

Dann übte Ottomar Schiebetrost den ganzen Nachmittag mit Frieda.
Lohe Schule des Klingelns. Dreimal — Schnaps ins Lerrenzimmer,
viermal — Aschenbecher ins Wohnzimmer, fünfmal — geputzte Schuhe

(Fortsetzung Seite 358)

356
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Du mußt mal ein Bild von mir für meine Braut machen" "Eigennutz" "Ein herrenloser Schatz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 186.1937, Nr. 4793, S. 356

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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