Fliegende Blätter (187.1937 (Nr. 4796-4822) = 93. Jahrg.)

Die Patzenburg

wieder nach Deutschland
zurückgekommen und hatte
den ihm passenden Beruf
beim Zirkus gefunden. Ja,
und nun war er in Pogg-
stedt! Was aus dem Bet-
ter geworden war, wußte
er nicht anzugeben. Daß
man wenigstens von die-
sem nichts mehr Horen
würde, hoffte der Pogg-
stedter Magistrat; man
hatte an dem einen ganz
genug und schickte ihn in
die Patzenburg.

Da hausten damals sie-
ben alte Männer und vier
alte Weiblein. „Here I
am!" sprach John, der von
Amerika, aber mehr wohl
noch vom Zirkus her ge-
wöhnt war, englische
Brocken in seine Rede
zu mischen, zu der versam-
melte» Gesellschaft, zog
seinen Nock aus, was aber
keineswegs als Aufforde-
rung zu einer Schlägerei
anzusehen er die Männer
ersuchte,trennte eine Naht
auf und holte ein verbor-
gen gewesenes Goldstiick
hervor. Damit wurde»
zwei der Frauen in die
Stadt geschickt, „Naß und
Trocken" einzukaufen, zu
einem strammen Einzugs-
mahl und Gelage. Es
wurde ein Fest, und als
um 10 Ahr der Nachtwächter am Friedländer Tor hinaushorchte,
vernahm er aus der sonst um diese Zeit längst dunklen und ruhigen
Pahenburg fröhliche Gesänge. John unterhielt die übersatte und
halb betrunkene Gesellschaft noch mit allerlei Zirkusscherzen und kleinen
Kunststücken, teils um sich angenehm einzuführen, teils zu dem prak-
tischen Zweck, das beste Zimmer der Patzenburg zu ergattern, indem
er es dem bisherigen Inhaber, einem hitzigen Wüifelbruder, mit
einigen Kartenmanövern abgewann. Das gelang ihm; er bezog es

und trat am nächsten Tage
eine nicht bestrittene Lerr-
schaft über die Patzen-
burg an.

Es war aber auch eine
ganz wohltätige Lerr-
schaft, welche die Lage
der ihr Anterworfenen —
und das ist ja der Zweck
jeder Lerrschaft — etwas
verbesserte. John — so
wünschte er genannt zu
werden — hatte seine Er-
fahrungen und war ei»
anschlägiger Kopf. Er
brachte einen flotteren
Zug in die kleine Betrieb-
samkeit der Patzenburg,
besorgte Strickaufträge
für die alten Frauen und
fandAbsatz bei den Länd-
lern,die mitLolzpantinen
auf dem Lande handelten.
Daneben gab es, wenn
auch für eine Aufbesse-
rung der Verpflegung in
der Pahenburg, freilich
Landlungen, die über die
von den Gesetzen gezo-
genen Grenzen etwas
hinausgingen. Daß die
Leute der Pahenburg im
Poggstedter See Krebse
suchten, verargte ihnen
niemand; daß sie aber
auch angelten und schließ-
lich gar mit Netzen sich
die prächtigsten Fische
holte», durfte nicht gelil-
ligt werden. Daß sie Jagd
aus Krähen machte», die übrigens einen delikaten Braten geben
sollen, war nicht zu beanstanden; daß sie aber auch Lasen in Schlingen
erwischten, war gegen die Jagdgesetze. And bei der Beschaffung von
Leizmaterial für den Winter gaben sie dem Begriff Reisig, das zü
sammeln ihnen gestattet war, eine immer weiter gehende und endlich
ganz phantastische Ausdehnung. Ernste Verwarnungen ergingen, aber
sie hatten nur zur Folge, daß man in der Patzenburg vorsichtiger
wurde und unschuldig tat, aber es weniger war als zuvor.-

Zeichnungen von E. Croissant

„And du hast das schönste Wetter vorausgesagt, Emil! Deine Prophezeiungen
treffen nie ein."

„Na, dann prophezeie ich jetzt, daß wir alle 'nen Schnupfen kriegen werden."

„Werden wir durchkomme», Philipp?" — „Pah, ich bin schon durchgekommen, als mir das Wasser bis an den Lals ging."

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