Fliegende Blätter (187.1937 (Nr. 4796-4822) = 93. Jahrg.)

o

Zeichnung von G. Traub

„Warum soll denn der Junge schon Unterricht haben? Verrät er schon
musikalische Anlagen ?"

„Meine Frau und ich sind davon überzeugt, Lerr Profeffor. Jedesmal,
wenn unsere Tante Lermine Klavier spielt, läuft der Bengel weg."

Junger Mann ohne Uhr

Ein Erlebnis in der Etscnbah»
Von G. W. S charkin

Der Zug fuhr durch östliche Land-
schaft. Die beiden Insassen des
Abteils saßen einander gegenüber,
blickte» aus dem Fenster und betrach-
teten die verschneiten Telegraphen-
stangen, die am Limmel ziehen-
den Schneewolken und gähnten hie-
rauf mächtig und ausgiebig. Beson-
ders der jüngere der beiden Männer
schien sich über die Maßen zu lang-
weilen und wäre sicher schon gern
am Ziel seiner Fahrt gewesen.

„Bitte sehr, Väterchen, sagen Sie
mir, wie spät es wohl sein mag,"
sagte er in höflichem und devotem
Ton.

Der ältere Mann, über dessen
gewölbtes Bäuchlein eine mächtige
Uhrkette baumelte, sah unbeteiligt
zum Fenster hinaus und antwor-
tete nicht.

Vielleicht ist er beleidigt, weil ich
ihn nur Väterchen genannt habe,
dachte der junge Mann bestürzt,
am Ende ist er ein wichtiger Mann,
hat einen Titel? Er überlegte eine
Weile und seyte dann schüchtern
von neuem an:

„Erlauben Sie, dürfte ich mir
ehrerbietig die Bitte gestatten, zu
fragen, wieviel Uhr es ist?"

Der Angeredete veränderte keine
Miene, er schien nichts gehört zu
haben und antwortete so wenig, als
habe eine Fliege gehustet. Vielleicht
ist er schwerhörig, dachte der junge
Mann, ich muß ein wenig lauter
mit ihm sprechen. Er wiederholte
also seine Anfrage mit erhöhter
Stimme. Im Nebenabteil konnte
man ihn vorzüglich verstehen. Der
Schaffner steckte besorgt seinen Kopf
durch die Türspalte, zog ihn aber
wieder zurück, als er sah, daß die
Sache ohne Blutvergießen abging.

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