Zeichnung von M. Bauer
Warum fahren diese beiden eigentlich in die Ferien?
j—-
Zu Lause
Auf der Reise
Im Gebirge
An der See
Ein außerordenlliüies Testament
ausgehn. Es muß also ein Testa-
ment gemacht werden. Aber wie?
Es selbst niederzuschreiben, dazu
ist Graf Roderich nicht mehr fähig.
Wenn zu einem ordentlichen Te-
stament kein Richter oder Notar
mehr herbeigeholt werden kann,
dann muß ein außerordentliches
Testament gemacht werden —
vor dem Gemeindevorsteher und
zwei Zeugen."
„Sehr richtig, gnädiges Fräu-
lein! Sie wissen ja gut Bescheid."
„Aber selbstverständlich — ich
werde doch nicht dummes Zeug
schreiben. Der sterbende Graf
Roderich läßt also den Gemeinde-
vorstand des Dorfes Kniefels
holen, der zwei Knechte mitbringt.
Mit schwacher Stimme, mit seinen
letzten Atemzügen gibt Gras Ro-
derich an: ,Unter "Ausschließung
meines Neffen Ottokar ernenne
ich meinen Neffen Lorst zum
Universalerben/ Das nimmt der
Gemeindevorstand zu Protokoll
und läßt es von den beiden Knech-
ten unterschreiben. Sie können
aber kaum ordentlich lesen; sie
setzen ohne weiteres ihre Namen
unter die paar flüchtig geschrie-
benen Zeilen. Das ist sehr wichtig.
Denn was soll geschehen sein?
Der Gemeindevorstand ist ein
Schurke, der schon lange mit Otto-
kar unter einer Decke steckt. Er
hat in dem Protokoll die beiden
Namen vertauscht. Graf Rode-
rich stirbt, Ottokar wird Univer-
salerbe, und nun wird der un-
glückliche brave Lorst viele Wi-
derwärtigkeiten dnrchmachen, bis
endlich doch die Wahrheit siegt:
Ottokar und der Gemeindevor-
stand werden entlarvt, und Lorst
kommt zu seinem Recht und kann
ein geliebtes Mädchen heim-
sühren. So sollte es sein, aber
es ist unmöglich. Denn was ist
mir geschehen, Lerr Doktor? Die
letzte Fortsetzung meines Romans
schloß mit der Verlesung des
Testaments. Und dabei habe ich
mich verschrieben; ich habe die
Namen verwechselt, und wie ich
nun heute das letzte Lest des
,Lausmmütterchens" ansehe, um weiter zu schreiben, da finde ich zu
ineinem Entsetzen, daß Lorst als Universalerbe genannt ist. Ein
schreckliches Versehen!"
„Aber begreiflich, gnädiges Fräulein!" meint Dr. Lecht. „Im
Unterbewußtsein war ja für Sie schon Lorst der rechte Erbe."
Minna Meyer alias Melanie Maienthal ringt die Lände. „Aber
was kann ich nun machen, Lerr Doktor? Der Roman ist ja aus,ganz und
gar aus. Wo bleiben all die Leide» des braven Lorst? Wo die Ent-
larvung des schurkischen Gemeindevorstandes, wo die Verjagung Otto-
kars von dem unrechtmäßig errungenen Erbe? Nein, es muß eine Mög-
lichkeit gefunden werden, daß zunächst doch Ottokar der Erbe wird."
Der Rechtsanwalt Dr. Lecht hat wenig Lust, Ottokar zu der
Erbschaft zu verhelfen. „Das dürfte sich kaum machen lasten, gnädiges
Fräulein. Ottokar könnte ja das Testament anfechten, aber selbst
wenn er — was ich für ganz ausgeschlossen halte — mit seiner
Klage durchdringt, würde er doch immer nur einen Teil der Erb-
schaft erhalten."-
Lier klopft es an der Bürotür, und herein tritt die Scheuerfrau
Katharine Wuppke mit einem Kübel Anthrazit für den Dauerbrand-
ofen, der dem Rechtsanwalt Dr. Lecht behagliche Wärme spendet.
„Entschuldigen die Lerrschaften man!" sagt Katharine Wuppke höf-
lich und macht sich daran, den Ofen zu versorgen.
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Warum fahren diese beiden eigentlich in die Ferien?
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Zu Lause
Auf der Reise
Im Gebirge
An der See
Ein außerordenlliüies Testament
ausgehn. Es muß also ein Testa-
ment gemacht werden. Aber wie?
Es selbst niederzuschreiben, dazu
ist Graf Roderich nicht mehr fähig.
Wenn zu einem ordentlichen Te-
stament kein Richter oder Notar
mehr herbeigeholt werden kann,
dann muß ein außerordentliches
Testament gemacht werden —
vor dem Gemeindevorsteher und
zwei Zeugen."
„Sehr richtig, gnädiges Fräu-
lein! Sie wissen ja gut Bescheid."
„Aber selbstverständlich — ich
werde doch nicht dummes Zeug
schreiben. Der sterbende Graf
Roderich läßt also den Gemeinde-
vorstand des Dorfes Kniefels
holen, der zwei Knechte mitbringt.
Mit schwacher Stimme, mit seinen
letzten Atemzügen gibt Gras Ro-
derich an: ,Unter "Ausschließung
meines Neffen Ottokar ernenne
ich meinen Neffen Lorst zum
Universalerben/ Das nimmt der
Gemeindevorstand zu Protokoll
und läßt es von den beiden Knech-
ten unterschreiben. Sie können
aber kaum ordentlich lesen; sie
setzen ohne weiteres ihre Namen
unter die paar flüchtig geschrie-
benen Zeilen. Das ist sehr wichtig.
Denn was soll geschehen sein?
Der Gemeindevorstand ist ein
Schurke, der schon lange mit Otto-
kar unter einer Decke steckt. Er
hat in dem Protokoll die beiden
Namen vertauscht. Graf Rode-
rich stirbt, Ottokar wird Univer-
salerbe, und nun wird der un-
glückliche brave Lorst viele Wi-
derwärtigkeiten dnrchmachen, bis
endlich doch die Wahrheit siegt:
Ottokar und der Gemeindevor-
stand werden entlarvt, und Lorst
kommt zu seinem Recht und kann
ein geliebtes Mädchen heim-
sühren. So sollte es sein, aber
es ist unmöglich. Denn was ist
mir geschehen, Lerr Doktor? Die
letzte Fortsetzung meines Romans
schloß mit der Verlesung des
Testaments. Und dabei habe ich
mich verschrieben; ich habe die
Namen verwechselt, und wie ich
nun heute das letzte Lest des
,Lausmmütterchens" ansehe, um weiter zu schreiben, da finde ich zu
ineinem Entsetzen, daß Lorst als Universalerbe genannt ist. Ein
schreckliches Versehen!"
„Aber begreiflich, gnädiges Fräulein!" meint Dr. Lecht. „Im
Unterbewußtsein war ja für Sie schon Lorst der rechte Erbe."
Minna Meyer alias Melanie Maienthal ringt die Lände. „Aber
was kann ich nun machen, Lerr Doktor? Der Roman ist ja aus,ganz und
gar aus. Wo bleiben all die Leide» des braven Lorst? Wo die Ent-
larvung des schurkischen Gemeindevorstandes, wo die Verjagung Otto-
kars von dem unrechtmäßig errungenen Erbe? Nein, es muß eine Mög-
lichkeit gefunden werden, daß zunächst doch Ottokar der Erbe wird."
Der Rechtsanwalt Dr. Lecht hat wenig Lust, Ottokar zu der
Erbschaft zu verhelfen. „Das dürfte sich kaum machen lasten, gnädiges
Fräulein. Ottokar könnte ja das Testament anfechten, aber selbst
wenn er — was ich für ganz ausgeschlossen halte — mit seiner
Klage durchdringt, würde er doch immer nur einen Teil der Erb-
schaft erhalten."-
Lier klopft es an der Bürotür, und herein tritt die Scheuerfrau
Katharine Wuppke mit einem Kübel Anthrazit für den Dauerbrand-
ofen, der dem Rechtsanwalt Dr. Lecht behagliche Wärme spendet.
„Entschuldigen die Lerrschaften man!" sagt Katharine Wuppke höf-
lich und macht sich daran, den Ofen zu versorgen.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Warum fahren diese beiden eigentlich in die Ferien?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4803, S. 119
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg