Fliegende Blätter (187.1937 (Nr. 4796-4822) = 93. Jahrg.)

Zeichnung von G. Traub

Ein halbes Jahr danach nun kam,
Weil grad* das Wetter schlecht gewesen,
Der Sultan auf den Einfall mal,

Die Hofhaltsrechnungen zu lesen.

Da stieß er auf den Posten auch:
„Für Hammeltalg, als anwendbare
Heilsalbe ärztlich ordiniert,
Einhunderttausendfünf Dinare.“

llcim kam der Sultan von der Jagd.
Er stieg mit lahmen, breiten Schritten
Die Stufen des Palasts empor.
Weil er sich etwas wund geritten.
Dafür ließ er den Marstallschef
Die Strafe fühlen auf den Sohlen
Und dann zu weitrer Linderung
Sich den erprobten Leibarzt holen.

Der Sultan dachte: „Das ist toll!
Wie kann denn das Zusammenhängen?“
Den Leibarzt hat er dann befragt.
Der mußte erst den Hopf anstrengen,
Bis er des Jagdmalörs gedacht.
„Den Hammeltalg für die Beschwerden —
Der Diener Chalid holte ihn;

Der Herl muß mal vernommen werden.'

Der Hammerdiener Hassan kam:
„Verzeih, o Herr, daß ich verwegen
Vom Schloßaufseher Mamun mir
Fünfzehn Dinare ließ erlegen!“ —
Der Schloßaufseher Mamun ächzt*:
Viel gilt es, wenn der Sultan leidet!
Dem Oberschloßaufseher hab*

Ich fünfundfünfzig angekreidet.**

Der Diener Chalid rief voll Angst
Den Herrscher nun um seine Huld an
„Ein Hupferstück hab* ich bezahlt
Für jenen Hammeltalg, mein Sultan.
Doch weil mir das zu wenig schien
Bei eines großen Fürsten Qualen,
So ließ ich fünf Dinare mir
Vom Hammerdiener Hassan zahlen“

Der Oberschloßaufscher hat
Dann hundertfünf Dinar genommen;
Beim Hausmarschall ist dann der Talg
Auf tausendfünf Dinar gekommen ;
Mehr nahm der Oberhausmarschall;
Der Hofrendant schlug auf am Baren,
Und endlich kam dann der Wesir
Mit hunderttausendfünf Dinaren.

Der Sultan, als der Fall geklärt,
Fällt* nun ein Urteil voll Verstände:
„ Verdrescht die Puckel gründlich mal
Der ganzen, so infamen Bande!
Die Wunden soll ein jeder dann
Mit Hammeltalg zur Heilung pflegen,
Und was er selbst berechnet hat.
Muß jeder für den Talg erlegen /“

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