o
Zwei gleiche Fälle
i.
Dr. Erwin Kränzlein ist ein noch junger, aber schon wohlerfahrener
Arzt. Allerdings — seine Erfahrungen hat er bisher in Kranken-
häusern gesammelt; eine Privatpraxis hatte er bis vor einem Monat
noch nicht. Die will er sich jetzt aufbauen, und da gilt es, wieder
neue Erfahrungen zu sammeln — nämlich, wie man mit manchen
Privatpatienten umgehen muß.
Dr. Kränzlein wird zu Frau Agathe Schleusenheber gerufen, der
Gemahlin des ungemein begüterten Konsuls Schleusenheber. Die
Dame liegt wie eine halbtote Fliege auf der Couch, vormals Chaise-
longue, noch früher Ottomane. Sie klagt über dies und das und
noch etwas.
Dr. Kränzlein untersucht und erklärt: „Gnädige Frau — Ihnen
fehlt eigentlich gar nichts. Das werden Sie selber auch bald mer-
ken, wenn Sie Ihre Lebensweise etwas ändern, wenn Sie sich mehr
Bewegung machen, weniger Pralinen effen — da haben Sie ja
gleich zwei Schachteln liegen! — und dazu sich vielleicht noch eine
nützliche Beschäftigung suchen. Packen Sie mal im Laushalt mit an,
oder arbeiten Sie in Ihrem Garten! Das wird Ihnen sehr gut tun."
Darauf zeigt Frau Agathe
Schleusenheber eine sehr un-
gnädige Miene. „Ich danke
Ihnen, Lerr Doktor. Aber Sie
beurteilen meinen Zustand wohl
doch nicht richtig. Da werde ich
mich lieber an einen andern
Arzt wenden."
Damit ist Dr. Kränzlein ent-
laffen. „Ich bin ein Esel ge-
wesen!" denkt er. „Nicht in
Bezug aus diesen angeblichen
Krankheitsfall; da habe ich ganz
recht. Aber ich hätte der alber-
nen Pute den Willen tun sollen.
Sie will ja durchaus krank sein.
Schön — darauf hätte ich ein-
gehen und sie vier Wochen lang
in die Kur nehmen sollen. Dann
wäre sie beschäftigt und zufrie-
den gewesen, und ich hätte was
verdient. Aber ich werde mir
das merken."
II.
Zwei Wochen später. Dr.
Kränzlein wird zu Frau Ler-
mine Grothans gerufen, der
Gemahlin des Generaldirektors
Grothans. Die Dame jammert,
322
„Ja. gnä' Frau, leichtere Möbelstücke befördern wir immer so!"
sie könne nicht leben und nicht sterben, und zählt drei Dutzend
Symptome auf.
Dr. Kränzlein untersucht. „Aha, gerade so wie neulich!" denkt er.
„Fährt natürlich immer nur im Auto, geht kaum hundert Schritte
im Tag, hockt im Bridgeklub, im Theater, im Kino, und weil sie
nun was andres zum Zeitvertreib haben will, bildet sie sich ein, krank
zu sei». Aber ich werde mich hüten, ihr das zu sagen." And deshalb
spricht Dr. Kränzlein von einem nervösen Erschöpfungszustände, ver-
schreibt zunächst eine unschuldige Kleinigkeit, kündigt weitere Besuche
an und empfiehlt sich.
In der Diele aber wird er vom Generaldirektor Grothans ab-
gefangen, der auf ihn gewartet hat.
„Nun, was sagen Sie dazu, Lerr Doktor? Einbildung, nischt
wie Einbildung-nicht wahr?"
„Aber durchaus nicht, Lerr Generaldirektor!" sagt Dr. Kränz-
lein. „Es ist zwar nichts Bedenkliches, aber immerhin handelt es
sich -
„O weh, also ist doch was los!" unterbricht ihn der General-
direktor. „Ja, wenn der Fall so liegt, Lerr Doktor, dann danke
ich Ihnen für Ihre heutige Bemühung, aber für die weitere Be-
handlung möchte ich mich dann
doch lieber an eine Kapazität
wenden." —on.
Lakonisch
„Fräulein Paula, für Sie
ginge ich bis an's Ende derWelt!"
„Ach, gehen S'I"
Schreckliche Möglichkeit
„Der steife Lals kam ur-
plötzlich — 'n Glück, daß ich
mich nicht gerade umsah!"
Das Asyl
Der Vortrag sollte von 3 bis
4 Ahr nachmittags dauern, aber
es war schon halb 5, als der
Redner nach überaus langwei-
ligen Ausführungen endlich er-
klärte: „Ietztaber,mcine Damen
und Lerren, will ich Ihre Ge-
duld nicht länger in Einspruch
nehmen und zum Schluffe
kommen."
Da rief jemand: „Reden Sie
nur noch weiter-es regnet
grade furchtbar!"
Zwei gleiche Fälle
i.
Dr. Erwin Kränzlein ist ein noch junger, aber schon wohlerfahrener
Arzt. Allerdings — seine Erfahrungen hat er bisher in Kranken-
häusern gesammelt; eine Privatpraxis hatte er bis vor einem Monat
noch nicht. Die will er sich jetzt aufbauen, und da gilt es, wieder
neue Erfahrungen zu sammeln — nämlich, wie man mit manchen
Privatpatienten umgehen muß.
Dr. Kränzlein wird zu Frau Agathe Schleusenheber gerufen, der
Gemahlin des ungemein begüterten Konsuls Schleusenheber. Die
Dame liegt wie eine halbtote Fliege auf der Couch, vormals Chaise-
longue, noch früher Ottomane. Sie klagt über dies und das und
noch etwas.
Dr. Kränzlein untersucht und erklärt: „Gnädige Frau — Ihnen
fehlt eigentlich gar nichts. Das werden Sie selber auch bald mer-
ken, wenn Sie Ihre Lebensweise etwas ändern, wenn Sie sich mehr
Bewegung machen, weniger Pralinen effen — da haben Sie ja
gleich zwei Schachteln liegen! — und dazu sich vielleicht noch eine
nützliche Beschäftigung suchen. Packen Sie mal im Laushalt mit an,
oder arbeiten Sie in Ihrem Garten! Das wird Ihnen sehr gut tun."
Darauf zeigt Frau Agathe
Schleusenheber eine sehr un-
gnädige Miene. „Ich danke
Ihnen, Lerr Doktor. Aber Sie
beurteilen meinen Zustand wohl
doch nicht richtig. Da werde ich
mich lieber an einen andern
Arzt wenden."
Damit ist Dr. Kränzlein ent-
laffen. „Ich bin ein Esel ge-
wesen!" denkt er. „Nicht in
Bezug aus diesen angeblichen
Krankheitsfall; da habe ich ganz
recht. Aber ich hätte der alber-
nen Pute den Willen tun sollen.
Sie will ja durchaus krank sein.
Schön — darauf hätte ich ein-
gehen und sie vier Wochen lang
in die Kur nehmen sollen. Dann
wäre sie beschäftigt und zufrie-
den gewesen, und ich hätte was
verdient. Aber ich werde mir
das merken."
II.
Zwei Wochen später. Dr.
Kränzlein wird zu Frau Ler-
mine Grothans gerufen, der
Gemahlin des Generaldirektors
Grothans. Die Dame jammert,
322
„Ja. gnä' Frau, leichtere Möbelstücke befördern wir immer so!"
sie könne nicht leben und nicht sterben, und zählt drei Dutzend
Symptome auf.
Dr. Kränzlein untersucht. „Aha, gerade so wie neulich!" denkt er.
„Fährt natürlich immer nur im Auto, geht kaum hundert Schritte
im Tag, hockt im Bridgeklub, im Theater, im Kino, und weil sie
nun was andres zum Zeitvertreib haben will, bildet sie sich ein, krank
zu sei». Aber ich werde mich hüten, ihr das zu sagen." And deshalb
spricht Dr. Kränzlein von einem nervösen Erschöpfungszustände, ver-
schreibt zunächst eine unschuldige Kleinigkeit, kündigt weitere Besuche
an und empfiehlt sich.
In der Diele aber wird er vom Generaldirektor Grothans ab-
gefangen, der auf ihn gewartet hat.
„Nun, was sagen Sie dazu, Lerr Doktor? Einbildung, nischt
wie Einbildung-nicht wahr?"
„Aber durchaus nicht, Lerr Generaldirektor!" sagt Dr. Kränz-
lein. „Es ist zwar nichts Bedenkliches, aber immerhin handelt es
sich -
„O weh, also ist doch was los!" unterbricht ihn der General-
direktor. „Ja, wenn der Fall so liegt, Lerr Doktor, dann danke
ich Ihnen für Ihre heutige Bemühung, aber für die weitere Be-
handlung möchte ich mich dann
doch lieber an eine Kapazität
wenden." —on.
Lakonisch
„Fräulein Paula, für Sie
ginge ich bis an's Ende derWelt!"
„Ach, gehen S'I"
Schreckliche Möglichkeit
„Der steife Lals kam ur-
plötzlich — 'n Glück, daß ich
mich nicht gerade umsah!"
Das Asyl
Der Vortrag sollte von 3 bis
4 Ahr nachmittags dauern, aber
es war schon halb 5, als der
Redner nach überaus langwei-
ligen Ausführungen endlich er-
klärte: „Ietztaber,mcine Damen
und Lerren, will ich Ihre Ge-
duld nicht länger in Einspruch
nehmen und zum Schluffe
kommen."
Da rief jemand: „Reden Sie
nur noch weiter-es regnet
grade furchtbar!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ja, gnä' Frau, leichtere Möbelstücke befördern wir immer so!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4816, S. 322
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg