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Heizung «una.®.

„Nein," sagte Lerr Pintsch, als er mittags nach Lause kam, „die
Frechheit geht denn doch zu weit! Gib mir mal Tinte und Papier,
ich werde dem Lerrn einen ganz geharnischten Brief schreiben."

„Was ist denn, Ludwig?" erkundigte sich Frau Mathilde.

„Ach, dieser Lerr Schnappig im zweiten Stock! Vorgestern hat
er mich schon im Büro angerufen. Ich bin doch Leizungsvorstand
im Laus. Er will geheizt haben. Es sei zu kalt, und seine Frau
friere. And dabei haben wir doch Juni — lächerlich! Es ist ja natür-
lich ein abnormer Sommer, aber wo käme man denn hin, wenn man
das ganze Jahr durchheizen wollte!"

„Du hast doch natürlich glatt abgelehnt? Fanny sagt, die Frau
Schnappig läuft den ganzen Tag in seidenen Morgenröcken herum.
Kein Wunder, wenn sie friert! Sie kann sich ja einen Pullover über-
ziehen und unten was richtiges. Das müssen andere Leute auch."

„Das werde ich auch schreiben. Aber nun höre mal! Eben sagt
mir die Lausmeisterin, daß Schnappig auf seinem Plan besteht. Er sagt,
er hat im Mietskontrakt eine garantierte Temperatur, und die will
er haben. And er soll sogar gesagt haben, ich solle durch Mehrheits-
beschluß als Leizungsvorstand abgesetzt werden. Es ist doch unglaub-
lich! Zwanzig Jahre mache ich nun den Dreck, und da kommt dieser
Kerl, der seit vier Wochen im Laus wohnt, und macht solche
Stänkereien!"

„Es ist übrigens ein Brief an dich durch den Schlitz gesteckt
worden, Ludwig," sagte die Gattin. „Sollte mich wundern, wenn
er nicht auch von diesem-"

Lcrr Pintsch riß den Brief auf.

„Aha! Er versuchts mit der Löflichkeit — weist auf die Gesund-
heitsschädlichkeit von Antertemperatur hin — Abstimmung will er her-
beiführen und hofft auf meine Stimme —

Gomanns sind dafür — Wenkers wollen
sich der Mehrheit anschließen — also
kommt es jetzt allein auf uns an. Sagen
wir »ein, dann ist er mit seiner Leizerei
durchgefallen."

Lin und her gingen die Briefe. Die
Kampfstimmung im Lause wuchs. Viele
Leute, die sich immer freundlich begeg-
net waren, grüßten sich nicht mehr.

Aber auch die Kälte wuchs. Als drei
Tage später Lerr Pintsch mittags nach
Lause kam, lag seineFrau imBett, und der
alte Sanitätsrat zog sich gerade im Gang
den Mantel an. Einen Wintermantel!

„Aeble Sache, lieber Lerr Pintsch!

Die unglaublich niedrigen Temperaturen.

Man müßte unbedingt Heizen!" sagte
der Sanitätsrat und rieb sich fröstelnd
die Lände.

Lerr Pintsch verabschiedete sich kurz
und mißgelaunt. Im Schlafzimmer war
seine Frau in Wärmeflasche» eingepackt,
und der Lichtkegel einer Wintersonne
war auf ihr Bett gerichtet.

„Mathilde," sagte ÄerrPintsch, „was
bedeutet das?"

Mathilde Pintsch hustete erst einmal
ausgiebig. Das machte Lerrn Pintsch

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immer nervös. Er ging an de» Medizinschrank und stopfte sich heim-
lich eine Röhre mit desinfizierenden Tabletten in die Westentasche.

„Ich bin schwer erkältet," sagte Mathilde Pintsch. „Der Sanitäts-
rat ist für Leizung."

Ludivig Pintsch holte einmal tief Atem.

„Der Sanitätsrat ist von der alten Schule," sagte er.

„Aber er hat mich immer kuriert!" warf Mathilde ein.

„Mathilde," sagte Lerr Pintsch beschwörend, „die Erkältung wird
zurückgehen — ich werde nötigenfalls einen elektrischen Ofen an-
schaffen — aber, Mathilde, jetzt heize» — es wäre eine Niederlage
— Mathilde, halte die Fahne hoch!"

Mathilde hielt auch hoch, aber nicht die Fahne, sondern ein
Taschentuch, in das sie unzählige Male hineinnieste.

Diese Nacht tat Ludwig Pintsch weder das eine noch das andere
Auge zu, denn die Gattin hustete wie ein Polarwvlf. Früh um acht,
als der geplagte Leizungsvorstand endlich eingedämmert war, klingelte
es scharf und schneidend. Fanny, das Dienstmädchen, war offenbar
zu Einkäufen unterwegs, deshalb mußte Lerr Pintsch selber in Bade-
mantel und Pantoffel schlupfen. Ein lächelndes Mädchen gab eine
Flasche ab.

„Für die gnädige Frau gegen den Lüsten," sagte es, „mit einer
schönen Empfehlung von Lerrn Schnappig."

Eine Woche noch kam der Sanitätsrat jeden Mittag, und eine
Woche noch wurde es täglich kälter. Es war schon kaum »och aus-
zuhalten. Aber geheizt wurde nicht.

„Er scheint den Kampf aufgegebenzu haben!" triumphierte Lerr
Pintsch frohlockend.

Am neunten Tage endlich stellte der Sanitätsrat Lerrn Pintsch vor die
Alternative: entweder sofortige Leizung oder die Frau ins Krankenhaus!

Lerr Pintsch trank drei große Kognaks und ging dann persönlich zu
Schnappigs hinunter. Liber es wurde
nicht geöffnet. Der Briefträger, der
gerade kam, wußte aber Bescheid.

„Schnappigs?" sagte er, „die sind seit
drei Tagen in Italien, fllassio an der
Riviera di ponente."

„Anerhört!" keuchte Lerr Pintsch.
„Woher wissen Sie das?"

„Na, ich muß das ja wissen. Die
haben ja einen Nachsendungsantrag
gestellt. Lier ist übrigens 'ne Karte für
Sie, Lerr Pintsch. Nehmen Sie sie
gleich mit? Dann brauche ich nicht die
Treppe rauf!"

Ludwig Pintsch besah sich die Karte.
Sie zeigte eine üppige Palmenlandschaft
am Meer unter strahlend blauem Limmel.

Er drehte sie um. Sie trug eine
italienische Marke.

Der Text lautete: „Lerrn Leizungs-
vorstand Ludwig Pintsch.

Sehr geehrter Lerr! Am Zweifel
auszuschließen, darf ich Ihnen milteilen,
daß ick, auf alle Fülle dagegen bin, daß
vor Mitte September geheizt wird.
Auch Familie Gomann, die wir in Flo-
renz trafen, stimmen nunmehr dagegen.
Mit besten Empfehlungen Ihr Theo
Schnappig."

„Fraglich ist es immerhin, ob es auch Glück bringt,
wenn man sein eignes Lufeisen findet."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Prost Neujahr"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1937
Entstehungsdatum (normiert)
1932 - 1942
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 187.1937, Nr. 4822, S. 422

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