Der forlkurierte Buckel
Puckligen geschoben, der nach der Auflösung der „Pension Elite" —
wer weiß, wohin! — verschwunden sein mag.
Nein, Lerrschaften — so ist es nicht. Tatsächlich ist es ein und der-
selbe Alfred Nogalski, und es stimmt auch, daß er keinen Puckel mehr
hat. Aber eine Wunderkur liegt nicht vor, und der Arzt oder eher Leil-
künstler, dessen sich die Milchfrau noch zu eriirnern glaubt, existiert zwar
nicht lediglich in ihrer Phantasie, ist ihr aber nur durch einen Doktor
der Philosophie vorgetäuscht worden.
Das war der Dr. Labermann, der im letzten Sommer, als die
„Pension Elite" noch blühte, dort Wohnung nahm. Aber ohne durch
den Puckel veranlaßt worden zu sein; den hatte er zunächst gar nicht
zu Gesicht bekommen; er war den Strand entlang gekommen, und da
hatte ihm die abseitige, zu zwanglosem Baden vom Lause aus dienliche
Lage der „Pension Elite" gefallen. Zufällig konnte er auch gerade ein
kleines, nicht gar so teures Zimmer erhalten. Da er sich nur erholen
und der Spielbank nicht einmal den herkömmlichen einen Besuch — aus
Wißbegier! sagt man dann — abstatten wollte, war ihm nachher, als
Nogalski in Erfüllung seiner Obliegenheiten mit dem Meldezettel zu
ihm kam, der Anblick des Puckels recht gleichgültig. Später, als ihm
auffiel, daß dieser junge Mann sich immer sehr schnell zurückzog und
nach einem Leben im Lintergrunde zu trachten schien, empfand er etwas
Bedauern. Zu dem Entzücken der andern Gäste hatte er ja keine Ver-
anlassung. Sein Bedauern wuchs, als er dann einige Male im Meierei-
pavillon — ©r. Labermann trank dort jeden Vormittag ein halb Liter
Milch — Nogalski in flüchtiger Unterhaltung mit dem hübschen Meierei-
fräulein traf. Es war nicht zu verkennen, daß der arme Pucklige sie mit
schmachtenden Augen ansah, während sie zwar freundlich zu ihm war,
aber doch unverkennbar ablehnende Blicke auf den Puckel richtete. Das
tat dem Dr. Labermann leid.
Drei Wochen hatte Dr. Labermann in der „Pension Elite" gewohnt,
da war er eines Morgens schon um 5 Ahr wach. Er fühlte, daß er doch
nicht wieder einschlafen würde, und beschloß, einmal ein ganz frühes
Bad zu nehmen. Am diese Zeit war kein Mensch am Strande; in der
„Pension Elite" gar standen die Leute selten vor 10 Ahr auf, sie hatten
ja meist die Nacht im Kasino durchgehockt. „Ich hätte gar nicht mal
den Badeanzug zu nehmen brauchen!" dachte Dr. Labermann. Aber
nein — da badete ja doch schon jemand, der auch wähnte, ganz ohne
Zeugen zu sein. Da — jetzt kam er aus dem Wasser heraus, sprang
mit ein paar Sätzen auf einen im Sande liegenden Bademantel zu und
warf ihn hastig um-aber schon hatte Dr. Labermann genug ge-
sehen. „Lerr Nogalski — sind Sie es wirklich?"
Za, er war es. Er zitterte, aber nicht nach dem Bade. „Am
Limmels willen, Lerr Doktor-" Entsetzt starrte er auf den un-
vermuteten Badezeugen.
ja ein ganz unpassendes Kostüm."
„Was kümmert denn Sie das, wenn ich 'n
Rock von meinem Bruder anhab!"
Dr. Labermann starrte auch, aber nicht entsetzt. „Men-
schenskind — wo ist denn Ihr Puckel geblieben?"
„Ich habe ja gar keinen!" jammerte Nogalski, als wäre
es ein großes Anglück, keinen Puckel zu haben. „Ach bitte,
Lerr Doktor, reden Sie kein Wort weiter! Ich komme
später zu Ihnen und erzähle Ihnen alles. Bitte, bitte —
kein Wort!" And dann entwich er, unter dem Bademantel
durch krumme Laltung wenigstens andeutungsweise den
Puckel vortäuschend.
Erst am Abend kam er dann in Dr. Labermanns Zimmer.
Aengstlich drückte er sich herein, noch mehr von Kummer
gebeugt als von dem Puckel, den er jetzt wieder in ansehn-
licher Wölbung zur Schau trug. „Eine schreckliche Geschichte
ist das, Lerr Doktor! Immer habe ich um fünf Ahr mein
Bad genommen, und nie hat mich jemand gesehen. And
nun haben Sie mich treffen müssen! Erwischt haben Sie
mich! Wo ich doch so sicher war!"
„Das können Sie auch jetzt noch sein!" versicherte Dr. La-
bermann. Er beklopfte den Puckel. „Fabelhaft! Wo haben
Sie denn das Ding machen lassen!"
Nogalski lächelte verlegen. „Ich hab's mir nicht machen
lassen, Lerr Doktor; ich hab's von einem Freunde gekriegt."
(Fortsetzung auf Seite 55)
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Puckligen geschoben, der nach der Auflösung der „Pension Elite" —
wer weiß, wohin! — verschwunden sein mag.
Nein, Lerrschaften — so ist es nicht. Tatsächlich ist es ein und der-
selbe Alfred Nogalski, und es stimmt auch, daß er keinen Puckel mehr
hat. Aber eine Wunderkur liegt nicht vor, und der Arzt oder eher Leil-
künstler, dessen sich die Milchfrau noch zu eriirnern glaubt, existiert zwar
nicht lediglich in ihrer Phantasie, ist ihr aber nur durch einen Doktor
der Philosophie vorgetäuscht worden.
Das war der Dr. Labermann, der im letzten Sommer, als die
„Pension Elite" noch blühte, dort Wohnung nahm. Aber ohne durch
den Puckel veranlaßt worden zu sein; den hatte er zunächst gar nicht
zu Gesicht bekommen; er war den Strand entlang gekommen, und da
hatte ihm die abseitige, zu zwanglosem Baden vom Lause aus dienliche
Lage der „Pension Elite" gefallen. Zufällig konnte er auch gerade ein
kleines, nicht gar so teures Zimmer erhalten. Da er sich nur erholen
und der Spielbank nicht einmal den herkömmlichen einen Besuch — aus
Wißbegier! sagt man dann — abstatten wollte, war ihm nachher, als
Nogalski in Erfüllung seiner Obliegenheiten mit dem Meldezettel zu
ihm kam, der Anblick des Puckels recht gleichgültig. Später, als ihm
auffiel, daß dieser junge Mann sich immer sehr schnell zurückzog und
nach einem Leben im Lintergrunde zu trachten schien, empfand er etwas
Bedauern. Zu dem Entzücken der andern Gäste hatte er ja keine Ver-
anlassung. Sein Bedauern wuchs, als er dann einige Male im Meierei-
pavillon — ©r. Labermann trank dort jeden Vormittag ein halb Liter
Milch — Nogalski in flüchtiger Unterhaltung mit dem hübschen Meierei-
fräulein traf. Es war nicht zu verkennen, daß der arme Pucklige sie mit
schmachtenden Augen ansah, während sie zwar freundlich zu ihm war,
aber doch unverkennbar ablehnende Blicke auf den Puckel richtete. Das
tat dem Dr. Labermann leid.
Drei Wochen hatte Dr. Labermann in der „Pension Elite" gewohnt,
da war er eines Morgens schon um 5 Ahr wach. Er fühlte, daß er doch
nicht wieder einschlafen würde, und beschloß, einmal ein ganz frühes
Bad zu nehmen. Am diese Zeit war kein Mensch am Strande; in der
„Pension Elite" gar standen die Leute selten vor 10 Ahr auf, sie hatten
ja meist die Nacht im Kasino durchgehockt. „Ich hätte gar nicht mal
den Badeanzug zu nehmen brauchen!" dachte Dr. Labermann. Aber
nein — da badete ja doch schon jemand, der auch wähnte, ganz ohne
Zeugen zu sein. Da — jetzt kam er aus dem Wasser heraus, sprang
mit ein paar Sätzen auf einen im Sande liegenden Bademantel zu und
warf ihn hastig um-aber schon hatte Dr. Labermann genug ge-
sehen. „Lerr Nogalski — sind Sie es wirklich?"
Za, er war es. Er zitterte, aber nicht nach dem Bade. „Am
Limmels willen, Lerr Doktor-" Entsetzt starrte er auf den un-
vermuteten Badezeugen.
ja ein ganz unpassendes Kostüm."
„Was kümmert denn Sie das, wenn ich 'n
Rock von meinem Bruder anhab!"
Dr. Labermann starrte auch, aber nicht entsetzt. „Men-
schenskind — wo ist denn Ihr Puckel geblieben?"
„Ich habe ja gar keinen!" jammerte Nogalski, als wäre
es ein großes Anglück, keinen Puckel zu haben. „Ach bitte,
Lerr Doktor, reden Sie kein Wort weiter! Ich komme
später zu Ihnen und erzähle Ihnen alles. Bitte, bitte —
kein Wort!" And dann entwich er, unter dem Bademantel
durch krumme Laltung wenigstens andeutungsweise den
Puckel vortäuschend.
Erst am Abend kam er dann in Dr. Labermanns Zimmer.
Aengstlich drückte er sich herein, noch mehr von Kummer
gebeugt als von dem Puckel, den er jetzt wieder in ansehn-
licher Wölbung zur Schau trug. „Eine schreckliche Geschichte
ist das, Lerr Doktor! Immer habe ich um fünf Ahr mein
Bad genommen, und nie hat mich jemand gesehen. And
nun haben Sie mich treffen müssen! Erwischt haben Sie
mich! Wo ich doch so sicher war!"
„Das können Sie auch jetzt noch sein!" versicherte Dr. La-
bermann. Er beklopfte den Puckel. „Fabelhaft! Wo haben
Sie denn das Ding machen lassen!"
Nogalski lächelte verlegen. „Ich hab's mir nicht machen
lassen, Lerr Doktor; ich hab's von einem Freunde gekriegt."
(Fortsetzung auf Seite 55)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Liebling, wir müssen weiter, es fängt an zu schneien." "Ich kann sie nicht einlassen!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4826, S. 53
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg