Der fortkurierle Buckel
„Nanu? Lat der auch schon
hier Glücksmännchen gespielt?"
„O nein, Lerr Doktor — das
war in Berlin. Da werden zwar
Puckel wohl auch manchmal gern
gesehen, aber mein Freund hoffte,
ihn für die Bühne gebrauchen zu
können. Als Rigoletto nämlich.
Er ließ sich ausbilden, aber dann
stellte sich heraus, daß er gar
kein Bariton war, sondern Te-
nor, aber wohl auch kein beson-
derer, denn ihm wurde bloß ein-
mal ein Engagement angeboten
zw einem Bockbierfest in der La-
senheide. Das paßte ibm nicht,
und da ging er wieder in sein
altes Geschäft zurück. Er war
nämlich von Beruf Bandagist;
den Puckel hatte er sich selbst
gemacht."
„Ein Meisterstück!" lobte Dr.
Labermann. „Und dann haben
Sie sich mit dem Puckel auf die
Bahn gesetzt und sind hierher
gefahren und hier als Puckliger
ausgestiegen."
„Ja, meine Tante hatte mir
geschrieben, daß hier ihre Pen-
sion gar nicht gut ginge, wegen
der schlechten Lage, und da kam
ich auf den Einsall. Aber was
für Amstände habe ich erst gehabt,
bis ich meine Garderobe beisam-
men hatte! Denn ich mußte mir
doch mit dem Puckel einen Win-
termantel und einen Regenmantel
und Anzüge aus ein paar Jahre
im voraus machen lassen. Lier
kann ich doch zu keinem Schneider
gehn; der würde doch was merken.
Denken Sie, Lerr Doktor: der
Schneider piekt mir bei der An-
probe aus Versehen mit einer
Nadel in den Puckel, und ich
spüre nichts! In Berlin sagte ich
einfach zu dem Schneider, es wäre
für eine Theatervorstellung."
„Na, Theater ist es ja auch
beinahe," meinte Dr. Labermann.
„Ach ja, Lerr Doktor, aber
die Rolle gefällt mir gar nicht
mehr. Zuerst hat es mir ja Spaß
gemacht, wenn die Leute wegen
des Puckels wild darauf waren,
bei uns zu wohnen. And wir
haben dann ja auch schön verdient;
meine Tante hat mich nämlich
beteiligt. Na, und was ich dann
sonst noch extra für mich bekommen habe — von den Gästen, die was
gewonnen hatten. Erst vorige Woche hat mir ein Schwede, der
meinen Puckel beklopft hatte, ehe er ins Kasino ging, und der dann
klotzig gewann — — der Schwede hat mir 500 Gulden gegeben."
„Menschenskind, Sie werden ja zu Vermögen kommen!"
Nogalski seufzte. „Ach, Lerr Doktor, ich mag nicht länger. Wie
gesagt: die Rolle gefällt mir nicht mehr. Denn mir bringt der Puckel
jetzt kein Glück; er ist mein Anglück. Wenn ich das hätte ahnen
können!" Ihm kamen die Tränen.
„Wird nicht so schlimm sein.
Ein Anglück, das mit Ihrem Puckel
zusammenhängt, ist vielleicht ge-
rade so eine Täuschung wie der
Puckel." — Nogalski schüttelte
bekümmert den Kopf. „Nein, Lerr
Doktor, bei dem Puckel muß es
bleiben. Das Mädchen glaubt nun
einmal daran."
„Aha, ein Mädchen." Dr. La-
bermann klopfte ermunternd auf
den Puckel. „Keine Scheu-
erzählen Sie ganz offen!"
„Sie haben ja gesehn, Lerr
Doktor. Es ist die Lotte in der
Meierei. Die wäre eine Frau für
mich I Die wäre die einzige Frau
für mich! And sie mag mich, Lerr
Doktor; sie mag mich sehr gern.
Aber den Puckel mag sie nicht.
Sie hat gesagt-" Nogalski
rutschte verlegen auf dem Stuhl -
„sie hat gesagt, sie hätte Angst,
daß dann auch die Kinderchen puck-
lig sein könnten."
„Das halte ich für ganz ausge-
schlossen," meinte Dr. Labermann
voll Aeberzeugung. „Aber Mann,
Sie brauchen doch dem Mädchen
bloß zu erzählen, was mit dem
Puckel los ist, daß es ein Kunst-
puckel ist, eine Puckelattrappe."
„Das bringe ich nicht fertig,
Lerr Doktor. Denn es ist doch
eigentlich ein Schwindel. And ich
habe ihn schon so lange getrieben.
Nein, das kann ich dem Mädchen
nicht eingestehn. Aber Lerr Dok-
tor -" Nogalski faltete die
Lände und machte flehende Au-
gen — „ach, Lerr Doktor, wenn
Sie das für mich tun wollten! Sie
sind ein studierter Mann; Sie
werden der Lotte das so richtig
klar machen können. And außer-
dem braucht dieLotreIhnen gegen-
über nicht so verlegen zu sein, daß
Sie Bescheid wissen. Sie sind ja
ein Fremder und kommen vielleicht
nie wieder. Das heißt: so wird
die Lotte denken. Ich selbst, Lerr
Doktor, würde Sie natürlich gern
noch sehr oft Wiedersehen."
„Ich verstehe schon!" sagte Dr.
Labermann gutmütig. „Ich werde
sehen, was ich machen kann."-
And wirklich — Dr. Labermann
hat dem Meiereifräulein Lotte das
Geheimnis ihres Verehrers in
liebenswürdiger und geschickter
Weise enthüllt. Er mag dabei einleitend von dem Puckel als einem keines-
wegs unabwendlichen Aebel gesprochen haben. Cs ist anzunehmen, daß
er scherzhaft gesagt hat: „Ach, der ist leicht fortzukurieren!" Aber
diese Worte hat dann jedenfalls jene Milchfrau aufgefangen, die sich
noch heute des Wunderarztes erinnert und auf seine Kur an dem
puckligen Alfred Nogalski schwört. And es ist gar nicht ausgeschlossen,
daß nach Jahrzehnten die Geschichte dieser großartigen Leitung in
viel weitere Bezirke gedrungen ist und noch immer erzählt wird —
als durchaus verbürgt durch glaubwürdige und verständige Zeugen.
55
Der Posaunist . . .
möchte auch mal
„Nanu? Lat der auch schon
hier Glücksmännchen gespielt?"
„O nein, Lerr Doktor — das
war in Berlin. Da werden zwar
Puckel wohl auch manchmal gern
gesehen, aber mein Freund hoffte,
ihn für die Bühne gebrauchen zu
können. Als Rigoletto nämlich.
Er ließ sich ausbilden, aber dann
stellte sich heraus, daß er gar
kein Bariton war, sondern Te-
nor, aber wohl auch kein beson-
derer, denn ihm wurde bloß ein-
mal ein Engagement angeboten
zw einem Bockbierfest in der La-
senheide. Das paßte ibm nicht,
und da ging er wieder in sein
altes Geschäft zurück. Er war
nämlich von Beruf Bandagist;
den Puckel hatte er sich selbst
gemacht."
„Ein Meisterstück!" lobte Dr.
Labermann. „Und dann haben
Sie sich mit dem Puckel auf die
Bahn gesetzt und sind hierher
gefahren und hier als Puckliger
ausgestiegen."
„Ja, meine Tante hatte mir
geschrieben, daß hier ihre Pen-
sion gar nicht gut ginge, wegen
der schlechten Lage, und da kam
ich auf den Einsall. Aber was
für Amstände habe ich erst gehabt,
bis ich meine Garderobe beisam-
men hatte! Denn ich mußte mir
doch mit dem Puckel einen Win-
termantel und einen Regenmantel
und Anzüge aus ein paar Jahre
im voraus machen lassen. Lier
kann ich doch zu keinem Schneider
gehn; der würde doch was merken.
Denken Sie, Lerr Doktor: der
Schneider piekt mir bei der An-
probe aus Versehen mit einer
Nadel in den Puckel, und ich
spüre nichts! In Berlin sagte ich
einfach zu dem Schneider, es wäre
für eine Theatervorstellung."
„Na, Theater ist es ja auch
beinahe," meinte Dr. Labermann.
„Ach ja, Lerr Doktor, aber
die Rolle gefällt mir gar nicht
mehr. Zuerst hat es mir ja Spaß
gemacht, wenn die Leute wegen
des Puckels wild darauf waren,
bei uns zu wohnen. And wir
haben dann ja auch schön verdient;
meine Tante hat mich nämlich
beteiligt. Na, und was ich dann
sonst noch extra für mich bekommen habe — von den Gästen, die was
gewonnen hatten. Erst vorige Woche hat mir ein Schwede, der
meinen Puckel beklopft hatte, ehe er ins Kasino ging, und der dann
klotzig gewann — — der Schwede hat mir 500 Gulden gegeben."
„Menschenskind, Sie werden ja zu Vermögen kommen!"
Nogalski seufzte. „Ach, Lerr Doktor, ich mag nicht länger. Wie
gesagt: die Rolle gefällt mir nicht mehr. Denn mir bringt der Puckel
jetzt kein Glück; er ist mein Anglück. Wenn ich das hätte ahnen
können!" Ihm kamen die Tränen.
„Wird nicht so schlimm sein.
Ein Anglück, das mit Ihrem Puckel
zusammenhängt, ist vielleicht ge-
rade so eine Täuschung wie der
Puckel." — Nogalski schüttelte
bekümmert den Kopf. „Nein, Lerr
Doktor, bei dem Puckel muß es
bleiben. Das Mädchen glaubt nun
einmal daran."
„Aha, ein Mädchen." Dr. La-
bermann klopfte ermunternd auf
den Puckel. „Keine Scheu-
erzählen Sie ganz offen!"
„Sie haben ja gesehn, Lerr
Doktor. Es ist die Lotte in der
Meierei. Die wäre eine Frau für
mich I Die wäre die einzige Frau
für mich! And sie mag mich, Lerr
Doktor; sie mag mich sehr gern.
Aber den Puckel mag sie nicht.
Sie hat gesagt-" Nogalski
rutschte verlegen auf dem Stuhl -
„sie hat gesagt, sie hätte Angst,
daß dann auch die Kinderchen puck-
lig sein könnten."
„Das halte ich für ganz ausge-
schlossen," meinte Dr. Labermann
voll Aeberzeugung. „Aber Mann,
Sie brauchen doch dem Mädchen
bloß zu erzählen, was mit dem
Puckel los ist, daß es ein Kunst-
puckel ist, eine Puckelattrappe."
„Das bringe ich nicht fertig,
Lerr Doktor. Denn es ist doch
eigentlich ein Schwindel. And ich
habe ihn schon so lange getrieben.
Nein, das kann ich dem Mädchen
nicht eingestehn. Aber Lerr Dok-
tor -" Nogalski faltete die
Lände und machte flehende Au-
gen — „ach, Lerr Doktor, wenn
Sie das für mich tun wollten! Sie
sind ein studierter Mann; Sie
werden der Lotte das so richtig
klar machen können. And außer-
dem braucht dieLotreIhnen gegen-
über nicht so verlegen zu sein, daß
Sie Bescheid wissen. Sie sind ja
ein Fremder und kommen vielleicht
nie wieder. Das heißt: so wird
die Lotte denken. Ich selbst, Lerr
Doktor, würde Sie natürlich gern
noch sehr oft Wiedersehen."
„Ich verstehe schon!" sagte Dr.
Labermann gutmütig. „Ich werde
sehen, was ich machen kann."-
And wirklich — Dr. Labermann
hat dem Meiereifräulein Lotte das
Geheimnis ihres Verehrers in
liebenswürdiger und geschickter
Weise enthüllt. Er mag dabei einleitend von dem Puckel als einem keines-
wegs unabwendlichen Aebel gesprochen haben. Cs ist anzunehmen, daß
er scherzhaft gesagt hat: „Ach, der ist leicht fortzukurieren!" Aber
diese Worte hat dann jedenfalls jene Milchfrau aufgefangen, die sich
noch heute des Wunderarztes erinnert und auf seine Kur an dem
puckligen Alfred Nogalski schwört. And es ist gar nicht ausgeschlossen,
daß nach Jahrzehnten die Geschichte dieser großartigen Leitung in
viel weitere Bezirke gedrungen ist und noch immer erzählt wird —
als durchaus verbürgt durch glaubwürdige und verständige Zeugen.
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Der Posaunist . . .
möchte auch mal
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Posaunist ... möchte auch mal"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4826, S. 55
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg