Seelenkenner in LlSA. Von Ralph urban
„Liebes olles Papachen," sagte beim Frühstückstisch Miß
Maud zu ihrem Vater, „lasse dich schonend vorbereiten: Ich
gedenke demnächst zu heiraten I"
„Du hast wohl einen Stich, liebes Kind!" meinte Mr.Ruby.
„Gewiß, im Lerzen. Wir lieben uns heiß und inniglich!"
„Da hat es also einer auf deine halbe Million scharf.
Was ist denn das für eine Figur?"
, „Eine herrliche Figur. Auf mein Geld ist er gar nicht neugierig,
denn er liebt mich," erklärte Miß Maud stolz. „Außerdem ist er ein
tüchtiger und erfolgreicher Kaufmann, wenn auch noch in kleinen
Anfängen. Er hat in der hundertzwanzigsten Straße einen Laden
und heißt John Stanley."
„Was verkauft er denn?"
„Kragenknöpfe und Laarnadeln."
Mr. Ruby sah seine Tochter so entsetzt an, daß er mit dem
Löffel neben der Kaffeetasse umrührte. „Der arme Mann muß ja
<Ä)
verhungern," meinte er, „welche Frau kauft heute noch Laarnadeln
und welcher Mann Kragenknöpfe, zumal der normale Mensch nur
ein Lemd mit angewachsenem Kragen trägt."
„Wenn man die Seele der Kundschaft kennt, kann man alles
verkaufen, sagt mein John," behauptete die Miß.
„Schlag dir den jungen Mann einstweilen aus dem Kopf," sprach
der Vater und stand seufzend auf, denn er wußte aus Erfahrung,
daß der Kopf seiner Tochter noch um gut einen Grad härter war
als sein eigener.
Als er in seinen Wagen stieg, gab er dem Chauffeur den Auf-
trag, in die 120. Straße zu fahren. Jedenfalls wollte er sich den
Vogel ansehen. An einer Ecke ließ er halten und ging zu Fuß bis
zu dem bezeichneten Laus. Er fand den winzigen Laden, dessen
einzige Größe die vffenstehende Tür ausmachte. Eben kam ein Lerr
heraus. Mit der einen Land umklammerte er seinen Spitzbart, in
der andern hielt er einen Kragenknopf. Er fluchte leise aber schreck-
Das Haarstärkungsmittel
lich vor sich hin. Mr. Ruby blickte ihm kopfschüttelnd nach und warf
dann im Vorbeigehen einen Blick in den Laden. Sofort erspähte er
einen Silberdollar, der drinnen zwischen Tür und Pult auf dem
Boden lag. Mr. Ruby juckte es sofort in den Fingern, denn Dollar
ist Dollar. And als er vor dreißig Jahren angefangen hatte, be-
fand sich nicht einmal ein halber in seinem Besitz. Schmunzelnd
betrat er das Geschäft.
„Ich möchte einen Kragenknopf," sagte er und stellte einen Fuß
auf den Dollar.
„Bitte sehr," meinte höflich der junge Mann, „für fünsund-
zwanzig Cents, oder soll es etwas Besseres sein?"
„Was? Fünfundzwanzig Cents? Dafür bekomme ich wo anders
fünfzig Stück!"
„Schon möglich, schon möglich. Aber nicht leuchtende. Meine
Kragenknöpfe leuchten nämlich. Wenn Sie unter das Bett oder
unter den Schrank rollen, siebt man sie gleich. Sache, oder nicht?"
„Lm," grunzte Mr. Ruby, „geben Sie mir in Gottes Namen
so einen leuchtenden Knopf."
„Bitte sehr!" Mit eleganter Bewegung stellte der junge Mann
einen Kragenknopf auf das Pult. Mr. Ruby bezahlte. Dann ließ
er seine Landschuhe fallen und bückte sich rasch. Na, was war denn
das — warum konnte er den blöden Dollar nicht —
„Bemühen Sie sich nicht," sagte der nette junge Mann. „Der
Dollar ist nämlich angeschraubt."
„Sie sind ein Bauernfänger, Sie junger Gauner," fauchte Mr.
Ruby und richtete sich mit blaurotem Gesicht wieder auf.
„Sie sind auch ein Strolch," meinte lächelnd der junge Mann
und verneigte sich grüßend. Eben blieb ein dicker Lerr draußen
mit einem Ruck stehen und starrte einen Augenblick lang auf den
Dollar, worauf er rasch eintrat.
lForlsetzung Sette 135)
„Ich bewundere die Dame. Ich könnte sowas nicht machen,
wenn jeder Affe stehen bleibt und zuguckt."
133
„Liebes olles Papachen," sagte beim Frühstückstisch Miß
Maud zu ihrem Vater, „lasse dich schonend vorbereiten: Ich
gedenke demnächst zu heiraten I"
„Du hast wohl einen Stich, liebes Kind!" meinte Mr.Ruby.
„Gewiß, im Lerzen. Wir lieben uns heiß und inniglich!"
„Da hat es also einer auf deine halbe Million scharf.
Was ist denn das für eine Figur?"
, „Eine herrliche Figur. Auf mein Geld ist er gar nicht neugierig,
denn er liebt mich," erklärte Miß Maud stolz. „Außerdem ist er ein
tüchtiger und erfolgreicher Kaufmann, wenn auch noch in kleinen
Anfängen. Er hat in der hundertzwanzigsten Straße einen Laden
und heißt John Stanley."
„Was verkauft er denn?"
„Kragenknöpfe und Laarnadeln."
Mr. Ruby sah seine Tochter so entsetzt an, daß er mit dem
Löffel neben der Kaffeetasse umrührte. „Der arme Mann muß ja
<Ä)
verhungern," meinte er, „welche Frau kauft heute noch Laarnadeln
und welcher Mann Kragenknöpfe, zumal der normale Mensch nur
ein Lemd mit angewachsenem Kragen trägt."
„Wenn man die Seele der Kundschaft kennt, kann man alles
verkaufen, sagt mein John," behauptete die Miß.
„Schlag dir den jungen Mann einstweilen aus dem Kopf," sprach
der Vater und stand seufzend auf, denn er wußte aus Erfahrung,
daß der Kopf seiner Tochter noch um gut einen Grad härter war
als sein eigener.
Als er in seinen Wagen stieg, gab er dem Chauffeur den Auf-
trag, in die 120. Straße zu fahren. Jedenfalls wollte er sich den
Vogel ansehen. An einer Ecke ließ er halten und ging zu Fuß bis
zu dem bezeichneten Laus. Er fand den winzigen Laden, dessen
einzige Größe die vffenstehende Tür ausmachte. Eben kam ein Lerr
heraus. Mit der einen Land umklammerte er seinen Spitzbart, in
der andern hielt er einen Kragenknopf. Er fluchte leise aber schreck-
Das Haarstärkungsmittel
lich vor sich hin. Mr. Ruby blickte ihm kopfschüttelnd nach und warf
dann im Vorbeigehen einen Blick in den Laden. Sofort erspähte er
einen Silberdollar, der drinnen zwischen Tür und Pult auf dem
Boden lag. Mr. Ruby juckte es sofort in den Fingern, denn Dollar
ist Dollar. And als er vor dreißig Jahren angefangen hatte, be-
fand sich nicht einmal ein halber in seinem Besitz. Schmunzelnd
betrat er das Geschäft.
„Ich möchte einen Kragenknopf," sagte er und stellte einen Fuß
auf den Dollar.
„Bitte sehr," meinte höflich der junge Mann, „für fünsund-
zwanzig Cents, oder soll es etwas Besseres sein?"
„Was? Fünfundzwanzig Cents? Dafür bekomme ich wo anders
fünfzig Stück!"
„Schon möglich, schon möglich. Aber nicht leuchtende. Meine
Kragenknöpfe leuchten nämlich. Wenn Sie unter das Bett oder
unter den Schrank rollen, siebt man sie gleich. Sache, oder nicht?"
„Lm," grunzte Mr. Ruby, „geben Sie mir in Gottes Namen
so einen leuchtenden Knopf."
„Bitte sehr!" Mit eleganter Bewegung stellte der junge Mann
einen Kragenknopf auf das Pult. Mr. Ruby bezahlte. Dann ließ
er seine Landschuhe fallen und bückte sich rasch. Na, was war denn
das — warum konnte er den blöden Dollar nicht —
„Bemühen Sie sich nicht," sagte der nette junge Mann. „Der
Dollar ist nämlich angeschraubt."
„Sie sind ein Bauernfänger, Sie junger Gauner," fauchte Mr.
Ruby und richtete sich mit blaurotem Gesicht wieder auf.
„Sie sind auch ein Strolch," meinte lächelnd der junge Mann
und verneigte sich grüßend. Eben blieb ein dicker Lerr draußen
mit einem Ruck stehen und starrte einen Augenblick lang auf den
Dollar, worauf er rasch eintrat.
lForlsetzung Sette 135)
„Ich bewundere die Dame. Ich könnte sowas nicht machen,
wenn jeder Affe stehen bleibt und zuguckt."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Haarstärkungsmittel" "Emil ist ein Dachziegel auf den Kopf gefallen" "Ich bewundere die Dame. ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4831, S. 133
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg