„Könnte man das Zimmer nicht billiger bekommen — jetzt, in der Vorsaison?"
„Dö Ham ma net. Bal wer kimmt, is Lauptsaison!"
Ein Lnkersuchungsverhör
Lühnerschmidt damit hineinlegen zu
können. Denn leider standen ihm
andere Mittel nicht zur Verfügung,
wie etwa die Feststellung von Finger-
abdrücken an der beraubten Laden-
kasse. Das hat die Polizei nur in
den größeren Städten, wo es aller-
dings auch viel nötiger gebraucht
wird. Nicht einmal einen Polizei-
hund hatte man in Biesterhagen,
der von Kuhses Laden schnüffelnd
zu Lühnerschmidts Behausung laufen
und ihn dann zähnefletschend hätte
stellen können. Der Stadtpolizist
Prutz oder vielmehr seine Frau be-
saß nur ein Rehpinscherchen, von dem
man keine polizeilichen Leistungen ver-
langen konnte. —
„Lühnerschmidt ist da, Lerr Assi-
stent I" meldete am Nachmittag der
Stadtpolizist. „Soll er'reinkomme»?"
„Einen Augenblick, Prutz! Ich will
Ihnen erst erklären, was ich vorhabe.
Es hat natürlich keinen Zweck, dem
Kerl die Tat auf den Kos zuzusagen,
nicht wahr?"
„Nee, das wär' das Dümmste,
Lerr Assistent! Ich Hab' schon Angst
gehabt, daß Sie das machen wollten.
Da würd' er gleich bockig sein."
Der Magistratsassistent Kindler
überhörte die wenig schmeichelhafte
Bemerkung seines Antergebenen.„Ich
werde den Kerl also in eine Falle
purzeln lassen. Zuerst werde ich die
Assoziationsmethode anwenden. Wis-
sen Sie, was eine Assoziation ist,
Prutz?"
„Iawoll, Lerr Assistent! Das is',
wenn zwei Kaufleute sich zusammen-
tun."
„Nein, das meine ich nicht. Passen Sie mal auf, Prutz! Wenn
Sie das Wort,Eisbeiw hören-was fällt Ihnen dann zuerst ein?"
„Sauerkohl, Lerr Assistent!"
„Schön, Prutz, ganz ausgezeichnet! Eisbein — Sauerkohl: das
ist eine Assoziation von Gedanken. Der Mensch hat gewisse Vor-
stellungen, die mit einander verknüpft sind. Tritt eine solcher Vor-
stellungen in sein Bewußtsein, dann meldet sich auch sofort eine andere,
damit verbundene. Ich werde nun unserm lieben Lühnerschmidt dies
und jenes Wort zurufen, und er soll dann jedesmal gleich das erste
andere Wort sagen, das ihm dabei einfällt."
„Dabei kann doch aber nischt 'rauskommen, Lerr Assistent,"
meinte Prutz.
„O ja, mein Lieber — — man muß nur geschickt sein. Sehen Sie:
wenn ich Lühnerschmidt das Wort,Flasche' zuruse, und er sagt
dann: ,Kümmel'-dann hat er sich schon halb verraten. Und
wenn er auf das Wort ,Schlüssell mit der ihm heute am nächste»
liegenden Assoziation ,Laden' antwortet-na, dann haben wir
ihn doch. Also holen Sie ihn mal 'rein!"
Der Magistratsassistent Kindler begrüßte Lühnerschmidt recht
freundlich und lud ihn ein, Platz zu nehmen. „Das werden Sie wohl
nötig haben, denn, wie ich gehört habe, sind Sie ja fürchterlich be-
soffen gewesen. Wo haben Sie denn dieseMenge Schnaps hergekriegt?"
„Schnaps Hab' ich immer zu Laus," erklärte Lühnerschmidt ge-
lassen. „Es war aber gar nich' so viel. Mir muß wohl im Magen
nich' gut gewesen sein, daß es so schlimm geworden is."
„So so. Es ist aber noch die Frage, ob Sie jetzt schon ganz wieder
bei Verstand sind. Das möchte ich gern wissen, weil Sie mir nach-
her was erzählen sollen, und deshalb wollen wir erst eine kleine Probe
machen. Lören Sie zu! Ich werde Ihnen jetzt ein Wort, irgendein
beliebiges Wort zurufen, und dann antworten Sie auf der Stelle
mit dem Wort, das Ihnen dabei eingefallen ist. Verstanden? Also
los: Flasche!"
„Glas!" brummte Lühnerschmidt. Der Stadtpolizist Prutz grinste.
Der Magistratsassistent machte ein Gesicht wie ein Schachspieler,
der eine Reihe vorher überlegter Züge machen will und gleich den
ersten davon in unerwarteter Weise beantwortet sieht. „Kümmel!"
rief er.
„Brot!" sagte Lühnerschmidt und gab noch die Erklärung: „Ich
ess' Brot mit Kümmel am liebsten." Der Sladtpolizist Prutz grinste
stärker.
Der Magistratsassistent war unzufrieden. „Schlüssel!" schrie er.
„Eisen!" schrie Lühnerschmidt zurück.
Weiter war der Magistratsasststent nicht vorbereitet. Aufs Ge-
ratewohl sagte er: „Kaufmann Kuhsel"
„Laha — dicker Bauch!" lachte Lühnerschmidt.
Der Stadtpolizist hätte auch gern gelacht, aber er verbiß es
sich. „Darf ich jetzt mal 'ne Probe machen, Lerr Assistent?"
fragte er.
Der Magistratsassistent nickte verdrossen. Prutz sagte: „Regen !"
Aber hierzu schien Lühnerschmidt nichts einzufallen. Er zuckte
verlegen die Achseln. „Weiß nischt!"
„Senfgurke!"
Wieder zuckte Lühnerschmidt die Achseln. „Weiß ooch nischt!"
Und bei dem dritten Wort „Wasserstiebel" verhielt er sich gerade so.
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„Dö Ham ma net. Bal wer kimmt, is Lauptsaison!"
Ein Lnkersuchungsverhör
Lühnerschmidt damit hineinlegen zu
können. Denn leider standen ihm
andere Mittel nicht zur Verfügung,
wie etwa die Feststellung von Finger-
abdrücken an der beraubten Laden-
kasse. Das hat die Polizei nur in
den größeren Städten, wo es aller-
dings auch viel nötiger gebraucht
wird. Nicht einmal einen Polizei-
hund hatte man in Biesterhagen,
der von Kuhses Laden schnüffelnd
zu Lühnerschmidts Behausung laufen
und ihn dann zähnefletschend hätte
stellen können. Der Stadtpolizist
Prutz oder vielmehr seine Frau be-
saß nur ein Rehpinscherchen, von dem
man keine polizeilichen Leistungen ver-
langen konnte. —
„Lühnerschmidt ist da, Lerr Assi-
stent I" meldete am Nachmittag der
Stadtpolizist. „Soll er'reinkomme»?"
„Einen Augenblick, Prutz! Ich will
Ihnen erst erklären, was ich vorhabe.
Es hat natürlich keinen Zweck, dem
Kerl die Tat auf den Kos zuzusagen,
nicht wahr?"
„Nee, das wär' das Dümmste,
Lerr Assistent! Ich Hab' schon Angst
gehabt, daß Sie das machen wollten.
Da würd' er gleich bockig sein."
Der Magistratsassistent Kindler
überhörte die wenig schmeichelhafte
Bemerkung seines Antergebenen.„Ich
werde den Kerl also in eine Falle
purzeln lassen. Zuerst werde ich die
Assoziationsmethode anwenden. Wis-
sen Sie, was eine Assoziation ist,
Prutz?"
„Iawoll, Lerr Assistent! Das is',
wenn zwei Kaufleute sich zusammen-
tun."
„Nein, das meine ich nicht. Passen Sie mal auf, Prutz! Wenn
Sie das Wort,Eisbeiw hören-was fällt Ihnen dann zuerst ein?"
„Sauerkohl, Lerr Assistent!"
„Schön, Prutz, ganz ausgezeichnet! Eisbein — Sauerkohl: das
ist eine Assoziation von Gedanken. Der Mensch hat gewisse Vor-
stellungen, die mit einander verknüpft sind. Tritt eine solcher Vor-
stellungen in sein Bewußtsein, dann meldet sich auch sofort eine andere,
damit verbundene. Ich werde nun unserm lieben Lühnerschmidt dies
und jenes Wort zurufen, und er soll dann jedesmal gleich das erste
andere Wort sagen, das ihm dabei einfällt."
„Dabei kann doch aber nischt 'rauskommen, Lerr Assistent,"
meinte Prutz.
„O ja, mein Lieber — — man muß nur geschickt sein. Sehen Sie:
wenn ich Lühnerschmidt das Wort,Flasche' zuruse, und er sagt
dann: ,Kümmel'-dann hat er sich schon halb verraten. Und
wenn er auf das Wort ,Schlüssell mit der ihm heute am nächste»
liegenden Assoziation ,Laden' antwortet-na, dann haben wir
ihn doch. Also holen Sie ihn mal 'rein!"
Der Magistratsassistent Kindler begrüßte Lühnerschmidt recht
freundlich und lud ihn ein, Platz zu nehmen. „Das werden Sie wohl
nötig haben, denn, wie ich gehört habe, sind Sie ja fürchterlich be-
soffen gewesen. Wo haben Sie denn dieseMenge Schnaps hergekriegt?"
„Schnaps Hab' ich immer zu Laus," erklärte Lühnerschmidt ge-
lassen. „Es war aber gar nich' so viel. Mir muß wohl im Magen
nich' gut gewesen sein, daß es so schlimm geworden is."
„So so. Es ist aber noch die Frage, ob Sie jetzt schon ganz wieder
bei Verstand sind. Das möchte ich gern wissen, weil Sie mir nach-
her was erzählen sollen, und deshalb wollen wir erst eine kleine Probe
machen. Lören Sie zu! Ich werde Ihnen jetzt ein Wort, irgendein
beliebiges Wort zurufen, und dann antworten Sie auf der Stelle
mit dem Wort, das Ihnen dabei eingefallen ist. Verstanden? Also
los: Flasche!"
„Glas!" brummte Lühnerschmidt. Der Stadtpolizist Prutz grinste.
Der Magistratsassistent machte ein Gesicht wie ein Schachspieler,
der eine Reihe vorher überlegter Züge machen will und gleich den
ersten davon in unerwarteter Weise beantwortet sieht. „Kümmel!"
rief er.
„Brot!" sagte Lühnerschmidt und gab noch die Erklärung: „Ich
ess' Brot mit Kümmel am liebsten." Der Sladtpolizist Prutz grinste
stärker.
Der Magistratsassistent war unzufrieden. „Schlüssel!" schrie er.
„Eisen!" schrie Lühnerschmidt zurück.
Weiter war der Magistratsasststent nicht vorbereitet. Aufs Ge-
ratewohl sagte er: „Kaufmann Kuhsel"
„Laha — dicker Bauch!" lachte Lühnerschmidt.
Der Stadtpolizist hätte auch gern gelacht, aber er verbiß es
sich. „Darf ich jetzt mal 'ne Probe machen, Lerr Assistent?"
fragte er.
Der Magistratsassistent nickte verdrossen. Prutz sagte: „Regen !"
Aber hierzu schien Lühnerschmidt nichts einzufallen. Er zuckte
verlegen die Achseln. „Weiß nischt!"
„Senfgurke!"
Wieder zuckte Lühnerschmidt die Achseln. „Weiß ooch nischt!"
Und bei dem dritten Wort „Wasserstiebel" verhielt er sich gerade so.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Könnte man das Zimmer nicht billiger bekommen, ...?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4838, S. 247
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg