o
Zn schottischer Art
Doktor Deedle und Doktor Moore, beide in Aberdeen in Schott-
land als praktische Aerzte emsig tätig, sind einander spinnefeind.
Doktor Deedle hat die bessere und feinere Praxis und ist viel teurer
als Doktor Moore, der erst vor ein paar Jahren angefangen hat
und sich mit viel bescheideneren Lonoraren begnügen muß. Aber
gerade deshalb ist Doktor Deedle schlecht auf ihn zu sprechen; er
behauptet, der junge Moore verderbe die Preise, während dieser
den alten Deedle einen Lalsabschneider nennt. Die beiden Lerren
kennen sich natürlich und begrüßen sich auch, — wenn es sein muß.
Im übrigen weiß jeder vom andern alle möglichen Schauergeschichten
zu erzählen, die nur darum in Aberdeen niemand krumm nimmt,
weil sie alle vom genauen Rechnen handeln, und darin ist man in
Aberdeen allerhand gewöhnt.
Eines Tages aber ist Doktor
Moore sehr erstaunt, als sein
Feind Doktor Deedle zu ihm in
die Sprechstunde kommt.
Ja, Doktor Deedle ist krank,
er hat eine böse Erkältung, die
nicht besser werden will, und er
wünscht, behandelt zu werden.
Doktor Moore hat nichts da-
gegen und untersucht den dürren
alten Kerl und schreibt ihm et-
was auf, das helfen wird; er ist
ganz auf der Löhe und gerade-
zu leutselig vor Aeberlegenheit,
daß der alte Deedle seine Lilfe
in Anspruch nimmt. Er klopft
ihm auf die Schulter und spricht
die Loffnung aus, daß alles wie-
der in Ordnung kommen werde,
und läßt etwas einfließen von
Anterernährung und wollener
Wäsche und so, und daß das
Alter eben eine arge Plage sei.
Doch siehe, das Mittel wirkt,
der Lüsten vergeht — viel zu
schnell für Doktor Moores Loff-
nungen, und als Deedle sich zum
letzten Mal bei ihm in der Sprech-
stunde sehen läßt, kann Doktor
Moore sich nicht enthalten zu
fragen, wie es denn komme, daß
Kollege Deedle sich bei der doch
immerhin verhältnismäßig ein-
fachen Erkrankung nicht selber zu
behandeln versucht habe.
„Ja, nicht wahr/ sagt Doktor
Deedle, ohne mit der Wimper zu zucken, „der Fall war ja wirklich
so einfach und klar, daß ich eben einen möglichst billigen Arzt dafür
suchte. Bei mir wäre die Sache viel zu teuer gekommen, denn um-
sonst behandeln kann ich keinen, auch mich selbst nicht, und da waren
Sie mir gerade recht/
Spricht's säuerlich lächelnd, legt drei Schilling auf den Tisch und
läßt den etwas verblüfften Doktor Moore Rache brütend zurück.
Die Zeit vergeht, sogar in Aberdeen vergeht die Zeit, die beiden
Lerren grüßen sich weiter — wenn es sein muß, aber wieder eines
Tages begibt sich das Wunderbare, daß Doktor Moore in Doktor
Deedles Sprechstunde erscheint. Jetzt ist das Staunen auf Deedles
Seite, aber schließlich denkt er, warum nicht? und fragt, was dem
Kollegen fehlt.
Ja, diesmal ist Doktor Moore krank, er hat es im Magen, da
ist so ein Anbehagen, das nicht
mehr weichen will und behandelt
lverden muß.
Schön; Doktor Deedle ist es
recht. Er betastet den fetten kleinen
Moore, schreibt eine Diät auf
und verordnet Pülverchen und
läßt nebenbei etwas einfließen
von Aeberernährung, und daß
eine Wiederherstellung wohl lang-
wierig und kostspielig sei.
Jedoch, gewissermaßen zum Ber-
drusse Doktor Deedles, bessert sich
die Sache verhältnismäßig rasch,
das Anbehagen läßt allmählich
nach, und schließlich ist Doktor
Moore wieder völlig gesund.
Als er seinen letzten Besuch
bei Doktor Deedle macht, kann
nun dieser seinerseits sich nicht
enthalten, nach dem Grund zu
fragen, der den Kollegen bei der
eigentlich leicht zu behandelnden
Erkrankung zu ihm geführt hat.
And Doktor Moore nun zuckt
jetzt ebenfalls nicht mit der Wim-
per, als er, gleichfalls säuerlich
lächelnd, kurz und bündig sagt:
„Ja, sehen Sie, ich bin ein fauler
Zahler, und wenn ich mich selbst
behandelt hätte, wäre ich schließ-
lich mir das Lonorar schuldig
geblieben, und dabei brauche ich
doch jeden Schilling nötig. Da
dachte ich mir, ich gehe lieber
zu Ihnen." (Fortsetzung Seite 100}
Münchner Brunnenkur „Der Lerr wirft dir aber heiße Blicke zu/
„Ein kühler Schluck wär' mir lieber."
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Zn schottischer Art
Doktor Deedle und Doktor Moore, beide in Aberdeen in Schott-
land als praktische Aerzte emsig tätig, sind einander spinnefeind.
Doktor Deedle hat die bessere und feinere Praxis und ist viel teurer
als Doktor Moore, der erst vor ein paar Jahren angefangen hat
und sich mit viel bescheideneren Lonoraren begnügen muß. Aber
gerade deshalb ist Doktor Deedle schlecht auf ihn zu sprechen; er
behauptet, der junge Moore verderbe die Preise, während dieser
den alten Deedle einen Lalsabschneider nennt. Die beiden Lerren
kennen sich natürlich und begrüßen sich auch, — wenn es sein muß.
Im übrigen weiß jeder vom andern alle möglichen Schauergeschichten
zu erzählen, die nur darum in Aberdeen niemand krumm nimmt,
weil sie alle vom genauen Rechnen handeln, und darin ist man in
Aberdeen allerhand gewöhnt.
Eines Tages aber ist Doktor
Moore sehr erstaunt, als sein
Feind Doktor Deedle zu ihm in
die Sprechstunde kommt.
Ja, Doktor Deedle ist krank,
er hat eine böse Erkältung, die
nicht besser werden will, und er
wünscht, behandelt zu werden.
Doktor Moore hat nichts da-
gegen und untersucht den dürren
alten Kerl und schreibt ihm et-
was auf, das helfen wird; er ist
ganz auf der Löhe und gerade-
zu leutselig vor Aeberlegenheit,
daß der alte Deedle seine Lilfe
in Anspruch nimmt. Er klopft
ihm auf die Schulter und spricht
die Loffnung aus, daß alles wie-
der in Ordnung kommen werde,
und läßt etwas einfließen von
Anterernährung und wollener
Wäsche und so, und daß das
Alter eben eine arge Plage sei.
Doch siehe, das Mittel wirkt,
der Lüsten vergeht — viel zu
schnell für Doktor Moores Loff-
nungen, und als Deedle sich zum
letzten Mal bei ihm in der Sprech-
stunde sehen läßt, kann Doktor
Moore sich nicht enthalten zu
fragen, wie es denn komme, daß
Kollege Deedle sich bei der doch
immerhin verhältnismäßig ein-
fachen Erkrankung nicht selber zu
behandeln versucht habe.
„Ja, nicht wahr/ sagt Doktor
Deedle, ohne mit der Wimper zu zucken, „der Fall war ja wirklich
so einfach und klar, daß ich eben einen möglichst billigen Arzt dafür
suchte. Bei mir wäre die Sache viel zu teuer gekommen, denn um-
sonst behandeln kann ich keinen, auch mich selbst nicht, und da waren
Sie mir gerade recht/
Spricht's säuerlich lächelnd, legt drei Schilling auf den Tisch und
läßt den etwas verblüfften Doktor Moore Rache brütend zurück.
Die Zeit vergeht, sogar in Aberdeen vergeht die Zeit, die beiden
Lerren grüßen sich weiter — wenn es sein muß, aber wieder eines
Tages begibt sich das Wunderbare, daß Doktor Moore in Doktor
Deedles Sprechstunde erscheint. Jetzt ist das Staunen auf Deedles
Seite, aber schließlich denkt er, warum nicht? und fragt, was dem
Kollegen fehlt.
Ja, diesmal ist Doktor Moore krank, er hat es im Magen, da
ist so ein Anbehagen, das nicht
mehr weichen will und behandelt
lverden muß.
Schön; Doktor Deedle ist es
recht. Er betastet den fetten kleinen
Moore, schreibt eine Diät auf
und verordnet Pülverchen und
läßt nebenbei etwas einfließen
von Aeberernährung, und daß
eine Wiederherstellung wohl lang-
wierig und kostspielig sei.
Jedoch, gewissermaßen zum Ber-
drusse Doktor Deedles, bessert sich
die Sache verhältnismäßig rasch,
das Anbehagen läßt allmählich
nach, und schließlich ist Doktor
Moore wieder völlig gesund.
Als er seinen letzten Besuch
bei Doktor Deedle macht, kann
nun dieser seinerseits sich nicht
enthalten, nach dem Grund zu
fragen, der den Kollegen bei der
eigentlich leicht zu behandelnden
Erkrankung zu ihm geführt hat.
And Doktor Moore nun zuckt
jetzt ebenfalls nicht mit der Wim-
per, als er, gleichfalls säuerlich
lächelnd, kurz und bündig sagt:
„Ja, sehen Sie, ich bin ein fauler
Zahler, und wenn ich mich selbst
behandelt hätte, wäre ich schließ-
lich mir das Lonorar schuldig
geblieben, und dabei brauche ich
doch jeden Schilling nötig. Da
dachte ich mir, ich gehe lieber
zu Ihnen." (Fortsetzung Seite 100}
Münchner Brunnenkur „Der Lerr wirft dir aber heiße Blicke zu/
„Ein kühler Schluck wär' mir lieber."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Münchner Brunnenkur"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4855, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg