Zeichnung v. Toni Bichl D b v Tisch
Badearzt Dr. Andreas Kern
Der Andere lachte belustigt.
„Wie kommen Sie denn auf diese Idee? Sehe ich denn Ihrem
Badearzt so ähnlich?"
„Nein. Ganz und gar nicht."
„Ich sehe ihm nicht ähnlich?"
„Nein. Nur —" — „Was denn?"
„Sie haben nämlich den neuen Mantel vom Badearzt Dr. Andreas
Kern an." — „Was??"
„Ja. Sie tragen seinen neuen Mantel."
Der Elegante schrie: „Was fällt Ihnen ein? Wie können Sie
so etwas behaupten? Wer sind Sie denn überhaupt?"
Da sagte der Schüchterne freundlich: „Ich bin der Badearzt
Dr. Andreas Kern."
308
Pastorenbirnen B°n Pet-r Esten
Die Elektrizitätsgesellschaft spannt eine
neue Aeberlandleitung. Die führt u. a.
auch über das Anwesen von Opa Schulte
hinweg. And zwar über eine Viehweide
beim Garten. Die verliert hierdurch ihren
Charakter als Baugelände, und die Llektrizi-
tätsfirma muß hierfür entsprechend blechen.
Aber schließlich: sie hats ja.
Opa Schulte scheffelt also ein schönes
Stück Geld. And kriegt begreiflicherweise
Geschmack nach noch mehr.
Es trifft sich daher famos, daß die Aeber-
landzentrale auch für die Bäume, die unter
ihren Lochspannungsleitungen stehen und
nun den polizeilichen Bestimmungen ent-
sprechend abgehauen werden müffen, zu be-
rappen hat. Was ebenfalls nicht mehr als
recht und billig ist.
Nun hat Opa Schulte auf seiner Vieh-
weide einen Birnbaum stehen, an den die
Axt gelegt werden muß. Die Gesellschaft
hat das schon vor einiger Zeit dem Be-
sitzer mitgeteilt und in Aussicht gestellt, daß
nächstens ein Taxator den Wert des
Baumes abschätzen wird.
Dieser Abschätzer läßt, wie alle großen
Lerren, eine Weile auf sich warten. Aber
endlich ist er da, schüttelt Opa Schulte däf-
tig die Land und läßt sich von ihm auf
die Weide führen.
Es ist ein kalter Spätherbsttag, und die
Obsternte ist längst vorbei. Doch — o
Wunder — an dem Birnbaum von Opa
Schulte prangen immer noch, in lustiger
Löhe, an entblätterten Zweigen einige
saftige, dicke Früchte. Angefähr faustgroß
und mit beinahe unwahrscheinlich roten
Backen.
Der Taxator wundert sich gelinde. „Don-
nerwetter -" staunt er.
Opa Schulte weidet sich an der Aeber-
raschung des Mannes aus der Stadt und
renommiert dann gewaltig von diesem
Wunderbaum, gegen den der wundermilde
Wirt in dem Ahlandschen Gedicht gerade-
zu ein Kümmerling gewesen sein muß.
Zwar: der Baum trägt nur ein über das
andere Jahr, und diesmal hat er gerastet.
Aber drei Zentner Pastorenbirnen ist in
guten Jahren der Durchschnitt, und für
den Zentner löst man mit Kußhand dreißig
Mark ab Laus. „Lach," schließt Opa Schulte,
,,s' is ne wahre Liebhaberei mit so'nem
Baum. Wahrhaftig!"
„Na ja," stoppt der Taxator den Aeberschwang ab, „aber die
hundert Mark, die wir Ihnen geboten haben, sind doch wohl auch
kein Pappenstiel."
Das nicht, gibt man zu, aber ein Baum, der in guten Jahren
drei Zentner Früchte zu je dreißig Mark erbringe, sei für hundert
Mark noch lange nicht feil.
Dem Taxator kommt die ganze Sache komisch vor: dieses alte
windsä iefe Gestell, dem der Mulm ans dem faulen Stamm kriecht,
die paar noch gesunden Aeste, die neben den dürren sich trostlos
gen Limmel strecken-. And dann versteht man auch nicht,
weshalb die paar dicken Staatsbirnen noch immer da oben hängen.
Och — versichert Opa Schulte bieder, wegen so ner Kleinigkeit
setze er erst gar nicht die Leiter an. (Fortsetzung S-ite 313)
Badearzt Dr. Andreas Kern
Der Andere lachte belustigt.
„Wie kommen Sie denn auf diese Idee? Sehe ich denn Ihrem
Badearzt so ähnlich?"
„Nein. Ganz und gar nicht."
„Ich sehe ihm nicht ähnlich?"
„Nein. Nur —" — „Was denn?"
„Sie haben nämlich den neuen Mantel vom Badearzt Dr. Andreas
Kern an." — „Was??"
„Ja. Sie tragen seinen neuen Mantel."
Der Elegante schrie: „Was fällt Ihnen ein? Wie können Sie
so etwas behaupten? Wer sind Sie denn überhaupt?"
Da sagte der Schüchterne freundlich: „Ich bin der Badearzt
Dr. Andreas Kern."
308
Pastorenbirnen B°n Pet-r Esten
Die Elektrizitätsgesellschaft spannt eine
neue Aeberlandleitung. Die führt u. a.
auch über das Anwesen von Opa Schulte
hinweg. And zwar über eine Viehweide
beim Garten. Die verliert hierdurch ihren
Charakter als Baugelände, und die Llektrizi-
tätsfirma muß hierfür entsprechend blechen.
Aber schließlich: sie hats ja.
Opa Schulte scheffelt also ein schönes
Stück Geld. And kriegt begreiflicherweise
Geschmack nach noch mehr.
Es trifft sich daher famos, daß die Aeber-
landzentrale auch für die Bäume, die unter
ihren Lochspannungsleitungen stehen und
nun den polizeilichen Bestimmungen ent-
sprechend abgehauen werden müffen, zu be-
rappen hat. Was ebenfalls nicht mehr als
recht und billig ist.
Nun hat Opa Schulte auf seiner Vieh-
weide einen Birnbaum stehen, an den die
Axt gelegt werden muß. Die Gesellschaft
hat das schon vor einiger Zeit dem Be-
sitzer mitgeteilt und in Aussicht gestellt, daß
nächstens ein Taxator den Wert des
Baumes abschätzen wird.
Dieser Abschätzer läßt, wie alle großen
Lerren, eine Weile auf sich warten. Aber
endlich ist er da, schüttelt Opa Schulte däf-
tig die Land und läßt sich von ihm auf
die Weide führen.
Es ist ein kalter Spätherbsttag, und die
Obsternte ist längst vorbei. Doch — o
Wunder — an dem Birnbaum von Opa
Schulte prangen immer noch, in lustiger
Löhe, an entblätterten Zweigen einige
saftige, dicke Früchte. Angefähr faustgroß
und mit beinahe unwahrscheinlich roten
Backen.
Der Taxator wundert sich gelinde. „Don-
nerwetter -" staunt er.
Opa Schulte weidet sich an der Aeber-
raschung des Mannes aus der Stadt und
renommiert dann gewaltig von diesem
Wunderbaum, gegen den der wundermilde
Wirt in dem Ahlandschen Gedicht gerade-
zu ein Kümmerling gewesen sein muß.
Zwar: der Baum trägt nur ein über das
andere Jahr, und diesmal hat er gerastet.
Aber drei Zentner Pastorenbirnen ist in
guten Jahren der Durchschnitt, und für
den Zentner löst man mit Kußhand dreißig
Mark ab Laus. „Lach," schließt Opa Schulte,
,,s' is ne wahre Liebhaberei mit so'nem
Baum. Wahrhaftig!"
„Na ja," stoppt der Taxator den Aeberschwang ab, „aber die
hundert Mark, die wir Ihnen geboten haben, sind doch wohl auch
kein Pappenstiel."
Das nicht, gibt man zu, aber ein Baum, der in guten Jahren
drei Zentner Früchte zu je dreißig Mark erbringe, sei für hundert
Mark noch lange nicht feil.
Dem Taxator kommt die ganze Sache komisch vor: dieses alte
windsä iefe Gestell, dem der Mulm ans dem faulen Stamm kriecht,
die paar noch gesunden Aeste, die neben den dürren sich trostlos
gen Limmel strecken-. And dann versteht man auch nicht,
weshalb die paar dicken Staatsbirnen noch immer da oben hängen.
Och — versichert Opa Schulte bieder, wegen so ner Kleinigkeit
setze er erst gar nicht die Leiter an. (Fortsetzung S-ite 313)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Tisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4868, S. 308
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg