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Bon Werner Granville Schmidt
Bei uns an der Küste war Kappen „Nase" bekannt wie ein
bunter Äund, und ich glaube, die wenigsten von uns wußten, das;
er mit seinem ehrlichen Christennamen Jochen Quast hieß.
Wie er zu seiner sprichwörtlich gewordenen Nase gekommen ist,
weiß ich auch nicht; sicher ist nur, daß ich Jochen Quast die langen
Jahre hindurch nie richtig betrunken gesehen habe. Das heißt, so
ein bißchen im Tran war er dauernd, und schon seine feuchtschimmern-
den Aeuglein verrieten den Äang zum Alkoholischen.
Kenner der Verhältnisse behaupteten allerdings, seine unförmige,
dunkelrote, mit bläulichen Knötchen verzierte Nase stamme nicht vom
vielen Trinken; sondern, daß er sich dem stillen Suff ergeben habe,
sei eben aus Konto seines Schmerzenskindes, seiner Nase, zurückzuführen.
Einmal traf ich
ihn am Strand in
der Lafenkneipe
„Zum fidelen Klipp-
fisch," und nach dem
siebenten Grog
schüttete er mir sein
Lerz aus.
Danach hatte er
sich auf einem Rob-
benfänger in der
Nähe des Südpols
die Nase erfroren.
Was übrigens
Jaspers, den Knei-
penwirt, der auch mit
zuhörte, und der in
der Jugend einmal
unglücklich aus dem
Kinderwagen ge-
fallen war, zu der
Bemerkung veran-
laßte: „Djunge,
Djunge, kannst du
lügen! — Daß einem
am Nordpol die
Nase erfrieren kann,
glaube ich schon; aber
am Südpol muß es
doch das Gegenteil
sei». Da war es denn
wohl so heiß, daß
dir der Zinken ver-
brühte?"
„Du merkst aber
auchalles,Jaspers!"
stimmte Quast fried-
370
fertig zu, und dann fuhr er fort: „So 'ne Nase, wie ich sie nun
hatte, ist 'ne Tragödie. Mein Mädel sagte sich von mir los, weil
sie sich nicht vor ihren Angehörigen blamieren wollte. Einmal machte
ich einen Maskenball mit — ohne Larve allerdings, nur so als Zu-
schauer. Auf einmal, wie die Prämiierung ist, kommen einige Äerrcn
auf mich los und überreichen mir den ersten Preis. Alle Bekannten
brüllten vor Lachen; die Herren waren ganz verdutzt; ich aber halte
eine scheußliche Wut im Balg. Damals habe ich mir das Trinken
angewöhnt. Roch hätte mich die Liebe einer edlen Frau rette»
können; aber fleutgepiepen-- ! Am die Sache kurz zu erzählen:
feiet- im Fischerdorf wohnte eine Sommerfrischlerin aus der Stadt.
Es war deutlich z» merken, daß sie Interesse für mich hatte. Ich
sage Ihnen, mein feerr, es war eine ansehnliche Frau, und so hinten-
rum hatte ich erfahren, daß sie in der Stadt ein großes Mietshaus
besaß. feier Jaspers
weiß Bescheid; denn
sie wandte sich an
ihn und bat ihn,
mir zu bestellen, ich
möchte sie doch mal
in ihrem feotel auf-
suchen.
Den andern Tag
machte ich mich also
hochfein: Gehrock,
Blumenstrauß, rei-
nen Kragen; »a, wie
man eben losgeht,
\ wenn es sich um eine
' Lebensfrage han-
delt. Jochen, sagte
ich mir, die Frau
I geht aufs Ganze! —
, Du hast es bisher
nicht gewagt, ihr
näher zu kommen;
jetzt ergreift sie die
Führung. Warum
sollte sie sich auch
nicht in mich ver-
schossen haben? Je-
der Pott findet doch
seinen Deckel, sagte
ich mir auch, und
bis auf die Nase bin
ich ja '» ganz an-
sehnlicher Mensch.
Wie ich »ach 'm
feotel „Seestern"
hinging, studierte ich
(Fortsetzung Sette 372)
Wie sich Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
ein und denselben Rundfunksänger vorstellen.
Bon Werner Granville Schmidt
Bei uns an der Küste war Kappen „Nase" bekannt wie ein
bunter Äund, und ich glaube, die wenigsten von uns wußten, das;
er mit seinem ehrlichen Christennamen Jochen Quast hieß.
Wie er zu seiner sprichwörtlich gewordenen Nase gekommen ist,
weiß ich auch nicht; sicher ist nur, daß ich Jochen Quast die langen
Jahre hindurch nie richtig betrunken gesehen habe. Das heißt, so
ein bißchen im Tran war er dauernd, und schon seine feuchtschimmern-
den Aeuglein verrieten den Äang zum Alkoholischen.
Kenner der Verhältnisse behaupteten allerdings, seine unförmige,
dunkelrote, mit bläulichen Knötchen verzierte Nase stamme nicht vom
vielen Trinken; sondern, daß er sich dem stillen Suff ergeben habe,
sei eben aus Konto seines Schmerzenskindes, seiner Nase, zurückzuführen.
Einmal traf ich
ihn am Strand in
der Lafenkneipe
„Zum fidelen Klipp-
fisch," und nach dem
siebenten Grog
schüttete er mir sein
Lerz aus.
Danach hatte er
sich auf einem Rob-
benfänger in der
Nähe des Südpols
die Nase erfroren.
Was übrigens
Jaspers, den Knei-
penwirt, der auch mit
zuhörte, und der in
der Jugend einmal
unglücklich aus dem
Kinderwagen ge-
fallen war, zu der
Bemerkung veran-
laßte: „Djunge,
Djunge, kannst du
lügen! — Daß einem
am Nordpol die
Nase erfrieren kann,
glaube ich schon; aber
am Südpol muß es
doch das Gegenteil
sei». Da war es denn
wohl so heiß, daß
dir der Zinken ver-
brühte?"
„Du merkst aber
auchalles,Jaspers!"
stimmte Quast fried-
370
fertig zu, und dann fuhr er fort: „So 'ne Nase, wie ich sie nun
hatte, ist 'ne Tragödie. Mein Mädel sagte sich von mir los, weil
sie sich nicht vor ihren Angehörigen blamieren wollte. Einmal machte
ich einen Maskenball mit — ohne Larve allerdings, nur so als Zu-
schauer. Auf einmal, wie die Prämiierung ist, kommen einige Äerrcn
auf mich los und überreichen mir den ersten Preis. Alle Bekannten
brüllten vor Lachen; die Herren waren ganz verdutzt; ich aber halte
eine scheußliche Wut im Balg. Damals habe ich mir das Trinken
angewöhnt. Roch hätte mich die Liebe einer edlen Frau rette»
können; aber fleutgepiepen-- ! Am die Sache kurz zu erzählen:
feiet- im Fischerdorf wohnte eine Sommerfrischlerin aus der Stadt.
Es war deutlich z» merken, daß sie Interesse für mich hatte. Ich
sage Ihnen, mein feerr, es war eine ansehnliche Frau, und so hinten-
rum hatte ich erfahren, daß sie in der Stadt ein großes Mietshaus
besaß. feier Jaspers
weiß Bescheid; denn
sie wandte sich an
ihn und bat ihn,
mir zu bestellen, ich
möchte sie doch mal
in ihrem feotel auf-
suchen.
Den andern Tag
machte ich mich also
hochfein: Gehrock,
Blumenstrauß, rei-
nen Kragen; »a, wie
man eben losgeht,
\ wenn es sich um eine
' Lebensfrage han-
delt. Jochen, sagte
ich mir, die Frau
I geht aufs Ganze! —
, Du hast es bisher
nicht gewagt, ihr
näher zu kommen;
jetzt ergreift sie die
Führung. Warum
sollte sie sich auch
nicht in mich ver-
schossen haben? Je-
der Pott findet doch
seinen Deckel, sagte
ich mir auch, und
bis auf die Nase bin
ich ja '» ganz an-
sehnlicher Mensch.
Wie ich »ach 'm
feotel „Seestern"
hinging, studierte ich
(Fortsetzung Sette 372)
Wie sich Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
ein und denselben Rundfunksänger vorstellen.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie sich Urahne, Großmutter, Mutter und Kind ein und denselben Rundfunksänger vorstellen."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4872, S. 370
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg