Zeichnung von I. Ma?on
Vergebliche Mühe „Donner, war das eine Arbeit, Pauline, dich 'raufzuschleppen! Aber jetzt komint die herrliche Talfahlt:"
„Nein, Max, ich Hab doch Angst davor! Ich schnalle die Lölzer ab und krabble runter."
Literarische Bekanntschaft V°» *. «l°ckenbusch
Schneehuhn ließ den weltschmerzumflorten Blick gelangweilt
über die Menge schweifen. Das übliche Kaffeehauspublikum, stellte
er fest. Eigentlich blödsinnig, sich unter diese Masse Mensch zu be-
geben. aber hier war es wenigstens hell. Die Witwe Lämmelmann,
die die von ihr leider wenig gewürdigte Ehre hatte, ein kommendes
Genie zu beherbergen, verstand sündhaft hohe Lichtrechnungen auf-
zumachen. Dafür würde er sie später für alle Zeiten der Lächerlich-
keit preisgeben. Später, wenn er seinen großen Roman schreiben
würde ... I
Das Pärchen am Nebenlisch erheiterte ihn ungemein. Sie ließ
mit der Gebärde einer Opferpriesterin eins, zwei, drei Stückchen
Zucker in seinen Kaffee plumpsen und rührte das Getränk mit Eifer
und Lingebung. Albern! dachte Schneehuhn, als er bemerkte, daß
sie sich unter dem Tisch die Lände drückten.
In diesem Augenblick kam etwas den Mittelgang herausgeschwebt.
Anker einem allerliebst aufs Ohr gerutschten Samtbarett ringelte
sich weißblondes Laar hervor. Das feingeschnittene Gesicht wurde
durch ein kindlich kokettes Lächeln noch anziehender.
Jeder andere hätte: „Donnerwetter!" gesagt. „Ganz nett!" dachte
Schneehuhn, nervös in den Westentaschen nach seinem Einglas fingernd.
Nicht ungnädig ruhte sein unbewaffnetes, aber trotzdem geistvolles
26
Auge auf der zarten Erscheinung, die sich am Nebentisch niederge-
laffen hatte. Nicht ausgeschlossen, daß man sich in der Gesellschaft
dieses Persönchens ein Stündchen leidlich unterhalten konnte. Er
erhob sich und schritt mit der lässigen Anmut des Aestheten zum
Nebentisch. „Ich glaube, ich hatte bereits die Ehre, Ihre Bekannt-
schaft zu machen . . "
Der Blick, der ihn musterte, war zuerst empört. Dann erstaunt.
Dann schalkhaft. „Ich weiß," sagte Schneehuhn, „es ist ein bei
Flaneuren und Roues sehr beliebtes Mittel, Bekanntschaften anzu-
knüpsen, aber Sie dürfen mir glauben, daß ich . . "
„Ich glaube Ihnen," sagte sie. „Aebrigens scheint es mir in der
Tat, als ob ich Ihnen schon öfter begegnet wäre . ."
„Vortrefflich," säuselte Schneehuhn und nahm mit Grazie Platz.
Na also, dachte er, als sie eine Zeitschrift beiseite schob. „Wohl nicht
die rechte Lektüre, wie?"
„Ich las da eine interessante Plauderei über Telepathie."
„Blödsinn!" verkündete Schneehuhn. „Ich nehme auch in dieser
Linsicht den einzigen Standpunkt ein, den ein aufgeklärter Mensch
da einnehmen kann. Absolute Skepsis. Wie können Sie sich nur für
derlei Dinge interessieren?"
„Ich denke, der Gebildete sollte sich für alles interessieren, was
ihm über seine Stellung zur Amwelt Klarheit verschaffen kann . ."
(Fortsetzung Seite 23)
Vergebliche Mühe „Donner, war das eine Arbeit, Pauline, dich 'raufzuschleppen! Aber jetzt komint die herrliche Talfahlt:"
„Nein, Max, ich Hab doch Angst davor! Ich schnalle die Lölzer ab und krabble runter."
Literarische Bekanntschaft V°» *. «l°ckenbusch
Schneehuhn ließ den weltschmerzumflorten Blick gelangweilt
über die Menge schweifen. Das übliche Kaffeehauspublikum, stellte
er fest. Eigentlich blödsinnig, sich unter diese Masse Mensch zu be-
geben. aber hier war es wenigstens hell. Die Witwe Lämmelmann,
die die von ihr leider wenig gewürdigte Ehre hatte, ein kommendes
Genie zu beherbergen, verstand sündhaft hohe Lichtrechnungen auf-
zumachen. Dafür würde er sie später für alle Zeiten der Lächerlich-
keit preisgeben. Später, wenn er seinen großen Roman schreiben
würde ... I
Das Pärchen am Nebenlisch erheiterte ihn ungemein. Sie ließ
mit der Gebärde einer Opferpriesterin eins, zwei, drei Stückchen
Zucker in seinen Kaffee plumpsen und rührte das Getränk mit Eifer
und Lingebung. Albern! dachte Schneehuhn, als er bemerkte, daß
sie sich unter dem Tisch die Lände drückten.
In diesem Augenblick kam etwas den Mittelgang herausgeschwebt.
Anker einem allerliebst aufs Ohr gerutschten Samtbarett ringelte
sich weißblondes Laar hervor. Das feingeschnittene Gesicht wurde
durch ein kindlich kokettes Lächeln noch anziehender.
Jeder andere hätte: „Donnerwetter!" gesagt. „Ganz nett!" dachte
Schneehuhn, nervös in den Westentaschen nach seinem Einglas fingernd.
Nicht ungnädig ruhte sein unbewaffnetes, aber trotzdem geistvolles
26
Auge auf der zarten Erscheinung, die sich am Nebentisch niederge-
laffen hatte. Nicht ausgeschlossen, daß man sich in der Gesellschaft
dieses Persönchens ein Stündchen leidlich unterhalten konnte. Er
erhob sich und schritt mit der lässigen Anmut des Aestheten zum
Nebentisch. „Ich glaube, ich hatte bereits die Ehre, Ihre Bekannt-
schaft zu machen . . "
Der Blick, der ihn musterte, war zuerst empört. Dann erstaunt.
Dann schalkhaft. „Ich weiß," sagte Schneehuhn, „es ist ein bei
Flaneuren und Roues sehr beliebtes Mittel, Bekanntschaften anzu-
knüpsen, aber Sie dürfen mir glauben, daß ich . . "
„Ich glaube Ihnen," sagte sie. „Aebrigens scheint es mir in der
Tat, als ob ich Ihnen schon öfter begegnet wäre . ."
„Vortrefflich," säuselte Schneehuhn und nahm mit Grazie Platz.
Na also, dachte er, als sie eine Zeitschrift beiseite schob. „Wohl nicht
die rechte Lektüre, wie?"
„Ich las da eine interessante Plauderei über Telepathie."
„Blödsinn!" verkündete Schneehuhn. „Ich nehme auch in dieser
Linsicht den einzigen Standpunkt ein, den ein aufgeklärter Mensch
da einnehmen kann. Absolute Skepsis. Wie können Sie sich nur für
derlei Dinge interessieren?"
„Ich denke, der Gebildete sollte sich für alles interessieren, was
ihm über seine Stellung zur Amwelt Klarheit verschaffen kann . ."
(Fortsetzung Seite 23)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vergebliche Mühe"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4876, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg