Zeichnung von G, Trnub
einer setzhaft wurde
und bugsiert ihn mit etlicher Mühe nach
oben. Als dann die Strapaze Überstande»
kommt es dem Bauern gar so vor, als
habe er noch nie so warm und weich auf
seinem Bock gethront. And er dankt dem
Schuster, der zum Aeberfluß ihm noch die
3ügel in die Land drückt und den Gaul
aus dem Los auf die Straße geleitet, mit
faft überschwänglichen Worten.
Die kühle Nachtluft tut dem van Bier
und Schnaps erhitzten Kopf wohl, und der
Dauer ist, als er im Morgengrauen da-
heim vorm Loftor hält, beinah wieder
nüchtern. Umsomehr staunt er, als er vom
Dock abspringen will, aber nicht loskommt.
Ss ist einfach, als sei er oben festgewach-
sen. „Doria," flucht er, „das kann doch nit
u>it rechten Dingen zugehn."
Da kommt just zur rechten Zeit der
Landjäger dahergeradelt, der eine Streife
fährt. Als er den Welling da oben sich
winden und drehen sieht, hält er an und
steigt ab. Ob er helfen dürfe, erkundigt
er sich und packt gleich zu. „Aber zum
Denker," entfährt es ihm nun, als er die
Ursache der Seßhaftigkeit Wellings ermit-
telt hat, „Ihr sitzt da ja in einem richtigen
Pechfladen." — „Pechfladen?" echot der
Bauer und überzeugt sich durch einen
tastenden Griff, daß der Landjäger recht
haben muß. And nun entsinnt er sich der
Hilfsbereitschaft des Schusters bei der Ab-
fahrt, und er begreift. — Der Landjäger
hält sich die Seiten vor Lachen. „Nein,"
prustet er heraus, „sowas ist mir in meinem
ganzen langen Leben noch nie begegnet.
Das ist ja toll! Mensch, Welling, wer hat
sich denn den Spaß mit Euch geleistet?"
— „Was machen wir nun?" meint der
Bauer und fühlt sich plötzlich ganz klein
und schäbig. „Ich kan» doch nit gut hier
oben kleben bleiben." — „Was bleibt da
schließlich anders übrig," findet der Land-
iäger, „als die Lose im Stich zu lassen.
Sonst wüßte ich keinen Rat." — And so
geschieht es denn auch. Nur ist der Aus-
zug aus der Lose leichter geraten als aus-
geführt, und es dauert ein geraumes Weilchen, bis der Bauer sich
herausgearbeitet hat und sich in die Pferdedecke hüllt, die sein Leiser
ihm hinreicht.
»Ich glaube fast," sagt der Landjäger, als er geht, „wir müssen
uicht nur wegen Sach- sondern auch wegen Körperbeschädigung An-
zeige erstatte». Ein Fetzen Laut ist mit der Lose ja wohl auch
braufgegangen; ich meine, es Eurem Gesicht angesehen zu haben.
- Aber der Bauer will den Schuft, der ihm diesen nichtsnutzigen
Streich spielte, seltsamerweise überhaupt nicht kennen, und auch zu
einer Anzeige gegen Anbekannt mag er sich nicht entschließen.
»Na ja," beruhigt sich endlich der Beamte; „wie Ihr wollt. Aber
wenn Ihr nächstens wieder einmal so da oben klebt, dann schreibt
das Eurer eigenen Dummheit zu. And ich — ich hol Euch dann
bestimmt nicht wieder herunter. Mahlzeit!"
Natürlich hält weder der Schuster, noch der Landjäger dicht, und
das „Pech" Wellings gibt eine Zeit lang einen ergiebigen Gesprächs-
stoff ab. Erst geht das dem Leidtragenden recht nahe und er schämt
sich nicht wenig. Aber schließlich wächst auch über dieser Geschichte
Gras, und als der Bauer sich wieder ins Dorf wagt, frozzelt man
ihn nicht mehr, sondern zwinkert ihm nur noch schmunzelnd zu.
Orientierung
„Ja, Oskar, gehts nun über Wasserburg oder über Weinheim?"
„Keine Ahnung! Aber Weinheim ist mir auf jeden Fall sympathischer."
Allgemein fällt es allmählich auf, daß er nicht mehr säuft und kra-
kehlt und es sich sogar verkniffen hat, an dem Schuster Rache zu
nehmen.
»Lannes," lobt den Bekehrten bisweilen die Bäuerin, „ich hatte
dich damals fast schon aufgegeben. And nun bist du wieder ganz
der Alte. Aber das muß wohl so sein: daß man viel Pech habe»
soll, bevor man endlich Glück hat."
Ein Schuldner
„Der Gerichtsvollzieher kommt auf unser Laus zu — nimm
sofort mal das Warnungsschild „Frisch gestrichen" vom Treppen-
geländer I"
Er meinte es gar nicht so . . .
Die junge Frau klagte dem Freund ihres Mannes ihr Leid:
„Denken Sie, das schlimmste ist, daß mein Mann mir dauernd vor-
wirft, ich hätte ihn verrückt gemacht. . ."
„Ansinn — der war ja schon verrückt, als er Sie heiratete . .
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einer setzhaft wurde
und bugsiert ihn mit etlicher Mühe nach
oben. Als dann die Strapaze Überstande»
kommt es dem Bauern gar so vor, als
habe er noch nie so warm und weich auf
seinem Bock gethront. And er dankt dem
Schuster, der zum Aeberfluß ihm noch die
3ügel in die Land drückt und den Gaul
aus dem Los auf die Straße geleitet, mit
faft überschwänglichen Worten.
Die kühle Nachtluft tut dem van Bier
und Schnaps erhitzten Kopf wohl, und der
Dauer ist, als er im Morgengrauen da-
heim vorm Loftor hält, beinah wieder
nüchtern. Umsomehr staunt er, als er vom
Dock abspringen will, aber nicht loskommt.
Ss ist einfach, als sei er oben festgewach-
sen. „Doria," flucht er, „das kann doch nit
u>it rechten Dingen zugehn."
Da kommt just zur rechten Zeit der
Landjäger dahergeradelt, der eine Streife
fährt. Als er den Welling da oben sich
winden und drehen sieht, hält er an und
steigt ab. Ob er helfen dürfe, erkundigt
er sich und packt gleich zu. „Aber zum
Denker," entfährt es ihm nun, als er die
Ursache der Seßhaftigkeit Wellings ermit-
telt hat, „Ihr sitzt da ja in einem richtigen
Pechfladen." — „Pechfladen?" echot der
Bauer und überzeugt sich durch einen
tastenden Griff, daß der Landjäger recht
haben muß. And nun entsinnt er sich der
Hilfsbereitschaft des Schusters bei der Ab-
fahrt, und er begreift. — Der Landjäger
hält sich die Seiten vor Lachen. „Nein,"
prustet er heraus, „sowas ist mir in meinem
ganzen langen Leben noch nie begegnet.
Das ist ja toll! Mensch, Welling, wer hat
sich denn den Spaß mit Euch geleistet?"
— „Was machen wir nun?" meint der
Bauer und fühlt sich plötzlich ganz klein
und schäbig. „Ich kan» doch nit gut hier
oben kleben bleiben." — „Was bleibt da
schließlich anders übrig," findet der Land-
iäger, „als die Lose im Stich zu lassen.
Sonst wüßte ich keinen Rat." — And so
geschieht es denn auch. Nur ist der Aus-
zug aus der Lose leichter geraten als aus-
geführt, und es dauert ein geraumes Weilchen, bis der Bauer sich
herausgearbeitet hat und sich in die Pferdedecke hüllt, die sein Leiser
ihm hinreicht.
»Ich glaube fast," sagt der Landjäger, als er geht, „wir müssen
uicht nur wegen Sach- sondern auch wegen Körperbeschädigung An-
zeige erstatte». Ein Fetzen Laut ist mit der Lose ja wohl auch
braufgegangen; ich meine, es Eurem Gesicht angesehen zu haben.
- Aber der Bauer will den Schuft, der ihm diesen nichtsnutzigen
Streich spielte, seltsamerweise überhaupt nicht kennen, und auch zu
einer Anzeige gegen Anbekannt mag er sich nicht entschließen.
»Na ja," beruhigt sich endlich der Beamte; „wie Ihr wollt. Aber
wenn Ihr nächstens wieder einmal so da oben klebt, dann schreibt
das Eurer eigenen Dummheit zu. And ich — ich hol Euch dann
bestimmt nicht wieder herunter. Mahlzeit!"
Natürlich hält weder der Schuster, noch der Landjäger dicht, und
das „Pech" Wellings gibt eine Zeit lang einen ergiebigen Gesprächs-
stoff ab. Erst geht das dem Leidtragenden recht nahe und er schämt
sich nicht wenig. Aber schließlich wächst auch über dieser Geschichte
Gras, und als der Bauer sich wieder ins Dorf wagt, frozzelt man
ihn nicht mehr, sondern zwinkert ihm nur noch schmunzelnd zu.
Orientierung
„Ja, Oskar, gehts nun über Wasserburg oder über Weinheim?"
„Keine Ahnung! Aber Weinheim ist mir auf jeden Fall sympathischer."
Allgemein fällt es allmählich auf, daß er nicht mehr säuft und kra-
kehlt und es sich sogar verkniffen hat, an dem Schuster Rache zu
nehmen.
»Lannes," lobt den Bekehrten bisweilen die Bäuerin, „ich hatte
dich damals fast schon aufgegeben. And nun bist du wieder ganz
der Alte. Aber das muß wohl so sein: daß man viel Pech habe»
soll, bevor man endlich Glück hat."
Ein Schuldner
„Der Gerichtsvollzieher kommt auf unser Laus zu — nimm
sofort mal das Warnungsschild „Frisch gestrichen" vom Treppen-
geländer I"
Er meinte es gar nicht so . . .
Die junge Frau klagte dem Freund ihres Mannes ihr Leid:
„Denken Sie, das schlimmste ist, daß mein Mann mir dauernd vor-
wirft, ich hätte ihn verrückt gemacht. . ."
„Ansinn — der war ja schon verrückt, als er Sie heiratete . .
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Orientierung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4877, S. 39
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg