„Total blau muß ich gestern nacht heimgekommen sein!"
naues. Ich erfahre es erst heute nacht.
Vielleicht ist alles nur leeres Stroh, das
von Flegeln gedroschen wird. Am Besten,
du rufst mich morgen früh an. Aber pünkt-
lich früh fünf Ahr. Ich fahre mit dem
Sechsuhrzug nach Freiburg. Wenn du an-
rufst, kann ich dir alles genau erzählen."
„Am fünf Ahr?"
„Pünktlich, Oswin — sonst bin ich über
die Berge!"
„Du kannst dich darauf verlassen. Mit
der Mitgift, Lugo, habe ich nämlich ge-
rechnet. Aebrigens, Lugo-"
Aber Lugo hatte schon abgehängt.
Am nächsten Morgen, früh fünf Ahr,
auf die Minute genau, ging Oswin zum
Telephon.
„Lallo! Lugo! Lier ist Oswin!"
„Wer?"
„Oswin!"
„Ach richtig — Oswin," antwortete
Lugo verschlafen, „vielen Dank, daß du
anrufstI Gut geschlafen, Oswin?"
„Kein Auge habe ich zugemachtI" jam-
merte Oswin, „es war eine furchtbare
Nacht. Immer mußte ich an Annabella
denken. Ich habe schon alles erwogen, was
werden soll. Was ist also mit dem Vater
und den Millionen?"
„Was soll denn damit sein?"
„Du hast mir doch gestern von Wechsel-
geschichten erzählt?"
Lugo lachte laut:
„Da ist nicht ein wahres Wort daran,
alter Junge! Man hatte mir auch nichts
erzählt. Das habe ich alles erfunden, da-
mit du mich heute früh pünktlich weckst.
Ich muß nämlich meinen Zug erreichen, und
mein Wecker ging gestern abend entzwei."
Der Fachmann
„Die Lausbesitzerin von der Ecke heiraten
Sie? Da haben Sie eine gute Wahl ge-
troffen!"
„Kennen Sie das Laus?"
Das Hammerklavier
Angst um Annabella
Von I. L. Rösler
Oswin wollte Annabella heiraten. Das
war nicht nur so. Das war ein großes Glück
für Oswin. Das war wie ein Ziegel, der
einem vom Dach auf den Kopf fällt. And wie
höchst selten fällt einem schon ein Ziegel auf
den Kopf? Noch seltener aber findet einer
und noch dazu einer wie Oswin so eine und
noch dazu eine wie Annabella als Braut.
Soll ich zuerst von Oswin erzählen? Oswin
sieht genau so aus wie du, lieber Leser! Also
gut, ich rede nicht weiter davon, über Oswin
ist somit alles gesagt. Aber über Annabella
könnte ich stundenlang erzählen: Annabella ist
schön wie der junge Tag, Annabella ist
blond wie frischgesponnener Flachs, Annabella
hat eine Figur wie die Venus von Milo, nur
mit Armen. And dann noch eines: Annabella
ist die Tochter eines schwerreichen Bindfaden-
fabrikanten, der über drei Millionen Rollen
Bindfaden allein im Lager hat. And das ist
nicht zu verachten. Oswin verachtet es auch
nicht. Im Gegenteil, er legt größeren Wert
aus den Vater, als auf die Tochter. So einer
ist nämlich Oswin; er heiratet in das Ver-
mögen, und die schöne Tochter kriegt er zu.
Fürwahr ein Glückspilz, ein Glücksschwammerl I
Am nächsten Morgen sollte die Kochzeit
sein. Oswin hatte schon den Frack zurecht ge-
legt, Oswin hakte schon das Lemd bereit ge-
legt, Oswin hatte schon — nein, das hatte er
noch nicht, er saß gerade in der Badewanne.
150
Da klingelte das Telephon.
„Lallo! Oswin! Bist du es?"
„Ja." — „Am Apparat?"
„In der Badewanne und am Apparat!
Was gibt es?"
„Lier ist Lugo — ich höre, du willst morgen
heiraten?"
„Stimmt."
„Die Bindfadenmillionärstochter?"
„Ja."
„Mit den Millionen ist es Essig!"
Oswin, der am Badewannenrand kauerte,
rutschte vor Schreck in die
Wanne zurück.
„Wieso? Warum? Wes-
wegen ?"
„Nischt Gewisses weiß man
nicht gewiß," antwortete Lugo,
„hingegen soll da etwas in
der Luft liegen — Wechsel-
geschichten und überhaupt Ge-
schichten — ich wollte dich nur
warnen."
So schnell hatte Oswin
noch nie ins Telephon ge-
sprochen wie jetzt: „Lugo,
umgotteswillen, bleib am Tele-
phon! Sag,wasdunoch weißt!
Das wäre ja furchtbar! Wie-
viel bleibt denn noch?"
„Nicht ein roter Pfennig."
„And die Mitgift?"
„Die ist auch dahin. Das
heißt, ich weiß noch nichts ge-
naues. Ich erfahre es erst heute nacht.
Vielleicht ist alles nur leeres Stroh, das
von Flegeln gedroschen wird. Am Besten,
du rufst mich morgen früh an. Aber pünkt-
lich früh fünf Ahr. Ich fahre mit dem
Sechsuhrzug nach Freiburg. Wenn du an-
rufst, kann ich dir alles genau erzählen."
„Am fünf Ahr?"
„Pünktlich, Oswin — sonst bin ich über
die Berge!"
„Du kannst dich darauf verlassen. Mit
der Mitgift, Lugo, habe ich nämlich ge-
rechnet. Aebrigens, Lugo-"
Aber Lugo hatte schon abgehängt.
Am nächsten Morgen, früh fünf Ahr,
auf die Minute genau, ging Oswin zum
Telephon.
„Lallo! Lugo! Lier ist Oswin!"
„Wer?"
„Oswin!"
„Ach richtig — Oswin," antwortete
Lugo verschlafen, „vielen Dank, daß du
anrufstI Gut geschlafen, Oswin?"
„Kein Auge habe ich zugemachtI" jam-
merte Oswin, „es war eine furchtbare
Nacht. Immer mußte ich an Annabella
denken. Ich habe schon alles erwogen, was
werden soll. Was ist also mit dem Vater
und den Millionen?"
„Was soll denn damit sein?"
„Du hast mir doch gestern von Wechsel-
geschichten erzählt?"
Lugo lachte laut:
„Da ist nicht ein wahres Wort daran,
alter Junge! Man hatte mir auch nichts
erzählt. Das habe ich alles erfunden, da-
mit du mich heute früh pünktlich weckst.
Ich muß nämlich meinen Zug erreichen, und
mein Wecker ging gestern abend entzwei."
Der Fachmann
„Die Lausbesitzerin von der Ecke heiraten
Sie? Da haben Sie eine gute Wahl ge-
troffen!"
„Kennen Sie das Laus?"
Das Hammerklavier
Angst um Annabella
Von I. L. Rösler
Oswin wollte Annabella heiraten. Das
war nicht nur so. Das war ein großes Glück
für Oswin. Das war wie ein Ziegel, der
einem vom Dach auf den Kopf fällt. And wie
höchst selten fällt einem schon ein Ziegel auf
den Kopf? Noch seltener aber findet einer
und noch dazu einer wie Oswin so eine und
noch dazu eine wie Annabella als Braut.
Soll ich zuerst von Oswin erzählen? Oswin
sieht genau so aus wie du, lieber Leser! Also
gut, ich rede nicht weiter davon, über Oswin
ist somit alles gesagt. Aber über Annabella
könnte ich stundenlang erzählen: Annabella ist
schön wie der junge Tag, Annabella ist
blond wie frischgesponnener Flachs, Annabella
hat eine Figur wie die Venus von Milo, nur
mit Armen. And dann noch eines: Annabella
ist die Tochter eines schwerreichen Bindfaden-
fabrikanten, der über drei Millionen Rollen
Bindfaden allein im Lager hat. And das ist
nicht zu verachten. Oswin verachtet es auch
nicht. Im Gegenteil, er legt größeren Wert
aus den Vater, als auf die Tochter. So einer
ist nämlich Oswin; er heiratet in das Ver-
mögen, und die schöne Tochter kriegt er zu.
Fürwahr ein Glückspilz, ein Glücksschwammerl I
Am nächsten Morgen sollte die Kochzeit
sein. Oswin hatte schon den Frack zurecht ge-
legt, Oswin hakte schon das Lemd bereit ge-
legt, Oswin hatte schon — nein, das hatte er
noch nicht, er saß gerade in der Badewanne.
150
Da klingelte das Telephon.
„Lallo! Oswin! Bist du es?"
„Ja." — „Am Apparat?"
„In der Badewanne und am Apparat!
Was gibt es?"
„Lier ist Lugo — ich höre, du willst morgen
heiraten?"
„Stimmt."
„Die Bindfadenmillionärstochter?"
„Ja."
„Mit den Millionen ist es Essig!"
Oswin, der am Badewannenrand kauerte,
rutschte vor Schreck in die
Wanne zurück.
„Wieso? Warum? Wes-
wegen ?"
„Nischt Gewisses weiß man
nicht gewiß," antwortete Lugo,
„hingegen soll da etwas in
der Luft liegen — Wechsel-
geschichten und überhaupt Ge-
schichten — ich wollte dich nur
warnen."
So schnell hatte Oswin
noch nie ins Telephon ge-
sprochen wie jetzt: „Lugo,
umgotteswillen, bleib am Tele-
phon! Sag,wasdunoch weißt!
Das wäre ja furchtbar! Wie-
viel bleibt denn noch?"
„Nicht ein roter Pfennig."
„And die Mitgift?"
„Die ist auch dahin. Das
heißt, ich weiß noch nichts ge-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Total blau muß ich gestern nacht heimgekommen sein!" "Das Hammerklavier"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4884, S. 150
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg