o
Die Persönliche Note Vv» K»nr»v seiffert
Nein, Thea hatte den Lut nicht gekauft. Sie hatte sich nicht
entschließen können. Sie hatte geseufzt und gestöhnt, als sie in dem
Geschäft war, in dessen Fenster der Lut lag, das Lütchen, dieses
himmlische Etwas, das sie unbedingt besitzen mußte.
Im Laden, beim Aufprobieren, sah er aber ganz anders und
eigenartigerweise gar nicht mehr so verlockend aus. Doch es gab da
eine Menge von Lüten, die Thea hinreißend, bezaubernd, entzückend
fand.
Mer von ihnen zog sie in die engere Wahl. Alle vier versetzten
sie in eine Art von Rauschzustand. And wenn es nach ihr allein
gegangen wäre, dann hätte sie alle vier gekauft.
Aber es ging nicht nach ihr allein. Da war noch Fred. Fred
mußte die Lüte bezahlen. Er hatte von einem Lut gesprochen.
Einen, ja, einen hatte er genehmigt.
Also ließ sich Thea die vier Lütchen in die Wohnung schicken.
Fred war entsetzt: „Ich verstehe das ganze Getue nicht! Ein
L>ut ist eine Kopfbedeckung! Sehr einfach: eine Bedeckung für den
Kopf! Diese Kopfbedeckung kann gut oder schlecht, hübsch oder häß-
lich, praktisch oder unzweckmäßig sein. Ich gebe zu, daß bei euch,
bei einer Frau, das Lübschsein die Lauptsache ist. Warum auch
nicht!"
„Ach ja, Fred! And die persönliche Note!"
Fred brummte: „Persönliche Note!"
„Vor allem aber muß ein Lut modern sein! Alle meine Lüte
sind unmodern, das kannst du doch nicht bestreiten!"
Nein, Fred versuchte nicht, das zu bestreiten. Er wußte genau,
daß dies ein Streit ohne Ende geworden wäre. Nun sah er zu, wie
Thea die Lüte aufprobierte, einen nach dem andern.
Die vier Dingerchen aus irgendwelchen Stoffen waren grund-
verschieden. Einer war klein, einer groß. Einer strebte kühn schräg
nach oben. Einer lag wie eine Bratpfanne schief an der linken Kopf-
seite Theas. Einer war weiß, einer schwarz, einer dunkelgrün, einer
rostbraun. Aber modern, modern waren sie alle, hochmodern.
Kopfbedeckungen? Ach nein, Kopfbedeckungen sind das nicht, dachte
Fred, während Thea mit Andacht und Ausdauer die Lüte auf-
probierte, wieder und immer wieder.
Ihre Fragen, wie sie aussehe, wie ihr der und der Lut stehe,
was er zu dem weißen, dem schwarzen, dem grünen, dem braunen
meine, ob er glaube, sie könne die Bratpfanne zu ihrem grauen
Kostüm, den kühn nach oben strebenden zu ihrem blauen Mantel
tragen, diese und viele, viele andere Fragen machten Fred nervös.
Sie zermürbten ihn. Sie lähmten seinen Widerspruch. Sie sorgten
dafür, daß er nur einen Wunsch hatte, die ganze Lutangelegenheit
so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen.
„Wie ist das nun mit der persönlichen Note?" sagte er matt,
„hast du das denn endlich herausgefunden?"
Thea sah ihn groß an: „Selbstverständlich! Ich weiß, was ich
will!" And dann probierte sie die Lütchen wieder der Reihe nach auf.
Sie trat dicht an den Spiegel heran, entfernte sich, rückwärts
schreitend, ein Stück von ihm, drehte sich nach rechts, nach links,
zupfte Löckchen an Schläfen und Stirn zurecht, steckte sie unter den
Lutrand, holte sie wieder hervor.
Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Sie machte ein ernstes, ein
trauriges Gesicht. Sie zog die Augenbrauen erstaunt hoch. Sie sah
aus wie eine Mona Lisa, wie ein Vamp, wie Greta Garbo, wie
eine Madonna.
Erstaunlich! dachte Fred. Er kannte die Wandlungsfähigkeiten
der Frauen, besonders aber die Wandlungsfähigkeit Theas. Doch
jetzt, wo er sah, daß beim Aufprobieren lächerlicher Gegenstände,
die Lüte, Kopfbedeckungen vorstellen sollten, jetzt, wo Thea in
Minuten alle nur erdenklichen Frauentypen der Reihe nach durch-
lief, jetzt war er ehrlich überrascht. (Fortsetzung Seite 265)
258
„Wenn wir wüßte», Liesl, wen du von uns am liebsten magst-den täten
die andern alle furchtbar verhauen." — „Dich mag ich am liebsten, Bartl!"
Die Persönliche Note Vv» K»nr»v seiffert
Nein, Thea hatte den Lut nicht gekauft. Sie hatte sich nicht
entschließen können. Sie hatte geseufzt und gestöhnt, als sie in dem
Geschäft war, in dessen Fenster der Lut lag, das Lütchen, dieses
himmlische Etwas, das sie unbedingt besitzen mußte.
Im Laden, beim Aufprobieren, sah er aber ganz anders und
eigenartigerweise gar nicht mehr so verlockend aus. Doch es gab da
eine Menge von Lüten, die Thea hinreißend, bezaubernd, entzückend
fand.
Mer von ihnen zog sie in die engere Wahl. Alle vier versetzten
sie in eine Art von Rauschzustand. And wenn es nach ihr allein
gegangen wäre, dann hätte sie alle vier gekauft.
Aber es ging nicht nach ihr allein. Da war noch Fred. Fred
mußte die Lüte bezahlen. Er hatte von einem Lut gesprochen.
Einen, ja, einen hatte er genehmigt.
Also ließ sich Thea die vier Lütchen in die Wohnung schicken.
Fred war entsetzt: „Ich verstehe das ganze Getue nicht! Ein
L>ut ist eine Kopfbedeckung! Sehr einfach: eine Bedeckung für den
Kopf! Diese Kopfbedeckung kann gut oder schlecht, hübsch oder häß-
lich, praktisch oder unzweckmäßig sein. Ich gebe zu, daß bei euch,
bei einer Frau, das Lübschsein die Lauptsache ist. Warum auch
nicht!"
„Ach ja, Fred! And die persönliche Note!"
Fred brummte: „Persönliche Note!"
„Vor allem aber muß ein Lut modern sein! Alle meine Lüte
sind unmodern, das kannst du doch nicht bestreiten!"
Nein, Fred versuchte nicht, das zu bestreiten. Er wußte genau,
daß dies ein Streit ohne Ende geworden wäre. Nun sah er zu, wie
Thea die Lüte aufprobierte, einen nach dem andern.
Die vier Dingerchen aus irgendwelchen Stoffen waren grund-
verschieden. Einer war klein, einer groß. Einer strebte kühn schräg
nach oben. Einer lag wie eine Bratpfanne schief an der linken Kopf-
seite Theas. Einer war weiß, einer schwarz, einer dunkelgrün, einer
rostbraun. Aber modern, modern waren sie alle, hochmodern.
Kopfbedeckungen? Ach nein, Kopfbedeckungen sind das nicht, dachte
Fred, während Thea mit Andacht und Ausdauer die Lüte auf-
probierte, wieder und immer wieder.
Ihre Fragen, wie sie aussehe, wie ihr der und der Lut stehe,
was er zu dem weißen, dem schwarzen, dem grünen, dem braunen
meine, ob er glaube, sie könne die Bratpfanne zu ihrem grauen
Kostüm, den kühn nach oben strebenden zu ihrem blauen Mantel
tragen, diese und viele, viele andere Fragen machten Fred nervös.
Sie zermürbten ihn. Sie lähmten seinen Widerspruch. Sie sorgten
dafür, daß er nur einen Wunsch hatte, die ganze Lutangelegenheit
so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen.
„Wie ist das nun mit der persönlichen Note?" sagte er matt,
„hast du das denn endlich herausgefunden?"
Thea sah ihn groß an: „Selbstverständlich! Ich weiß, was ich
will!" And dann probierte sie die Lütchen wieder der Reihe nach auf.
Sie trat dicht an den Spiegel heran, entfernte sich, rückwärts
schreitend, ein Stück von ihm, drehte sich nach rechts, nach links,
zupfte Löckchen an Schläfen und Stirn zurecht, steckte sie unter den
Lutrand, holte sie wieder hervor.
Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Sie machte ein ernstes, ein
trauriges Gesicht. Sie zog die Augenbrauen erstaunt hoch. Sie sah
aus wie eine Mona Lisa, wie ein Vamp, wie Greta Garbo, wie
eine Madonna.
Erstaunlich! dachte Fred. Er kannte die Wandlungsfähigkeiten
der Frauen, besonders aber die Wandlungsfähigkeit Theas. Doch
jetzt, wo er sah, daß beim Aufprobieren lächerlicher Gegenstände,
die Lüte, Kopfbedeckungen vorstellen sollten, jetzt, wo Thea in
Minuten alle nur erdenklichen Frauentypen der Reihe nach durch-
lief, jetzt war er ehrlich überrascht. (Fortsetzung Seite 265)
258
„Wenn wir wüßte», Liesl, wen du von uns am liebsten magst-den täten
die andern alle furchtbar verhauen." — „Dich mag ich am liebsten, Bartl!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wenn wir wüßten, Liesl, wen du von uns am liebste magst --"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4891, S. 258
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg