„Was schleifen Sie denn da alles mit
zur Lochzeitsfeier?"
„Ach, wissen Sie, ich will nachher die
Braut hochleben lassen!"
Die Ausnahme
können, dieses Zugeständnis als übereilt zurückzunehmen. Vis eines
Tages Lerr Genslein ganz gegen seine Gewohnheit spät am Abend
noch eine Tasse Kaffee zu trinken wünschte. And Adele trotz wieder-
holten Klingelns nicht erschien.
Aergerlich begab er sich in die Kilche. Das Licht brannte, aber
Adele war nicht da- Auf dem Küchentisch standen Tinte und Schreib-
zeug, und da lag auch, von einer Zeitung nur halb verdeckt, der
Brief, an dem sie offenbar geschrieben hatte. Eben wollte sich Gens-
lein taktvoll zurückziehen, da fiel sein Blick noch einmal auf den
Briefbogen. Da stand in ungelenken Buchstaben sein Name. Nun
ja, was kümmerte es ihn, was Adele Kluge über ihn schrieb? Er
hatte sie stets äußerst freundlich behandelt, und sie würde nur Gutes
über ihn sagen können.
An der Tür aber zögerte er. Der unwiderstehliche Wunsch, zu
erfahren, wie Adele über ihn urteilte, ließ ihn umkehren. Vielleicht
kam er hier Dingen auf die Spur, die ihm unerklärlich schienen.
And Lerr Tobias Genslein las:
„Der L>err, bei dem ich jetzt in Stellung bin, Genslein heißt er,
ist ein sehr netter und freundlicher Man». Nur schade, daß er an
der fixen Idee leidet, alle Frauen wären neugierig. Deswegen hat
er wahrscheinlich auch nicht geheiratet. Lächerlich. Als ob es nicht
auch neugierige Männer gäbe ...! Na, mir jedenfalls kann er nichts
nachsagen. Gleich in den ersten Tagen geriet mir nämlich zufällig
ein Lest in die Lände. Alle meine Vorgängerinnen standen darin.
Denke dir nur, er hat sie alle wegen angeblicher Neugier rausge-
worfen! Adele, sagte ich mir . . ."
Lier entfloh Lerr Genslein in völliger Verwirrung und beschloß
nach reiflicher Aeberlegung, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen
und von einer Kündigung abzusehev.
340
Das gute Gedächtnis
Im letzten Sommer haben Krapf und Zörbe eine Wanderung
durch das grüne Lerz Deutschlands unternommen. Daß damit
Thüringen gemeint ist, wird wohl jeder wissen; dafür haben die
Thüringer selber gesorgt.
Krapf und Zörbe haben damals schöne Tage gehabt. Leute
zehren sie wieder einmal an den Erinnerungen. „Laha!" lacht Zörbe.
„Denken Sie noch daran, wie Ihnen in Berka der Köter in die Wade
gebissen hat?"
„Natürlich denke ich daran," knurrt Krapf. „Die Stelle tut
mir ja bei jedem Wetterumschlag weh. Liber Sie irren sich: das
war nicht in Berka."
„Aber gewiß doch! Die Szene steht mir noch ganz deutlich vor
Augen."
„Aber Sie irren sich im Schauplatz, mein Lieber. Da können
Sie sich auf mich verlassen; ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis."
„Na, wo soll es denn gewesen sein?"
„Warten Sie mal! Ja, entweder in Blankenhain oder in
Schwarzburg." _
Der strenge Arzt / .‘ [K
„Also merken Sie's sich: Eine
einzige Zigarette Pro Tag, nicht
mehr und nicht weniger!"
Eine Notwendigkeit
Die alten Lerrschaften heißen
Thomasius- Es ist eine Tochter
da namens Agathe.
Lerbert Wolf hat Agathe vor
fünf Wochen kennengelernt, und
seit vier Wochen und sechs Tagen
liebt er sie.„O Agathe Thomasius!"
denkt er unaufhörlich. And schließ-
lich stellt er sich eine nobel ausge-
führte Karte vor, auf der zu lesen
sein wird: „Als Verlobte empfeh-
len sich: Agathe Thomasius —
Lerbert Wolf."
Diese Phantasie zu verwirk-
lichen, gehtLerbert Wolf zu Lerrn
Thomasius. Der sagt aber: „Ja,
das ist eine Sache, die mich nicht
viel angeht. Da müssen Sie sich
an meine Frau wenden. Agathe
ist nämlich nur meine Stief-
tochter, die Tochter aus der
ersten Ehe meiner Frau, die ich
als eine verwitwete Lamm ge-
heiratet habe."
Lerbert Wolf erschrickt. O,
wie müßte also die ersehnte
Karte aussehen? Agathe Lamm
— Lerbert Wolf! AnmöglichI
Die Witze, die dann seine Freunde
über den Wolf und das Lamm
machen würden!
Aber der Mensch soll die Loff-
nung nicht aufgeben. Lerbert
Wolf blickt den alten Lerrn, der
sich als Stiefvater entpuppt hat,
flehentlich an. „Verehrter Lerr
Thomasius — — könnten Sie
Fräulein Agathe nicht schnell
noch adoptieren?"
„Leut is mein Geburtstag,
und nicht ein einziges Blüm-
chen Hab ich bekommen, Lerr
Schmulke I"
zur Lochzeitsfeier?"
„Ach, wissen Sie, ich will nachher die
Braut hochleben lassen!"
Die Ausnahme
können, dieses Zugeständnis als übereilt zurückzunehmen. Vis eines
Tages Lerr Genslein ganz gegen seine Gewohnheit spät am Abend
noch eine Tasse Kaffee zu trinken wünschte. And Adele trotz wieder-
holten Klingelns nicht erschien.
Aergerlich begab er sich in die Kilche. Das Licht brannte, aber
Adele war nicht da- Auf dem Küchentisch standen Tinte und Schreib-
zeug, und da lag auch, von einer Zeitung nur halb verdeckt, der
Brief, an dem sie offenbar geschrieben hatte. Eben wollte sich Gens-
lein taktvoll zurückziehen, da fiel sein Blick noch einmal auf den
Briefbogen. Da stand in ungelenken Buchstaben sein Name. Nun
ja, was kümmerte es ihn, was Adele Kluge über ihn schrieb? Er
hatte sie stets äußerst freundlich behandelt, und sie würde nur Gutes
über ihn sagen können.
An der Tür aber zögerte er. Der unwiderstehliche Wunsch, zu
erfahren, wie Adele über ihn urteilte, ließ ihn umkehren. Vielleicht
kam er hier Dingen auf die Spur, die ihm unerklärlich schienen.
And Lerr Tobias Genslein las:
„Der L>err, bei dem ich jetzt in Stellung bin, Genslein heißt er,
ist ein sehr netter und freundlicher Man». Nur schade, daß er an
der fixen Idee leidet, alle Frauen wären neugierig. Deswegen hat
er wahrscheinlich auch nicht geheiratet. Lächerlich. Als ob es nicht
auch neugierige Männer gäbe ...! Na, mir jedenfalls kann er nichts
nachsagen. Gleich in den ersten Tagen geriet mir nämlich zufällig
ein Lest in die Lände. Alle meine Vorgängerinnen standen darin.
Denke dir nur, er hat sie alle wegen angeblicher Neugier rausge-
worfen! Adele, sagte ich mir . . ."
Lier entfloh Lerr Genslein in völliger Verwirrung und beschloß
nach reiflicher Aeberlegung, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen
und von einer Kündigung abzusehev.
340
Das gute Gedächtnis
Im letzten Sommer haben Krapf und Zörbe eine Wanderung
durch das grüne Lerz Deutschlands unternommen. Daß damit
Thüringen gemeint ist, wird wohl jeder wissen; dafür haben die
Thüringer selber gesorgt.
Krapf und Zörbe haben damals schöne Tage gehabt. Leute
zehren sie wieder einmal an den Erinnerungen. „Laha!" lacht Zörbe.
„Denken Sie noch daran, wie Ihnen in Berka der Köter in die Wade
gebissen hat?"
„Natürlich denke ich daran," knurrt Krapf. „Die Stelle tut
mir ja bei jedem Wetterumschlag weh. Liber Sie irren sich: das
war nicht in Berka."
„Aber gewiß doch! Die Szene steht mir noch ganz deutlich vor
Augen."
„Aber Sie irren sich im Schauplatz, mein Lieber. Da können
Sie sich auf mich verlassen; ich habe ein ausgezeichnetes Gedächtnis."
„Na, wo soll es denn gewesen sein?"
„Warten Sie mal! Ja, entweder in Blankenhain oder in
Schwarzburg." _
Der strenge Arzt / .‘ [K
„Also merken Sie's sich: Eine
einzige Zigarette Pro Tag, nicht
mehr und nicht weniger!"
Eine Notwendigkeit
Die alten Lerrschaften heißen
Thomasius- Es ist eine Tochter
da namens Agathe.
Lerbert Wolf hat Agathe vor
fünf Wochen kennengelernt, und
seit vier Wochen und sechs Tagen
liebt er sie.„O Agathe Thomasius!"
denkt er unaufhörlich. And schließ-
lich stellt er sich eine nobel ausge-
führte Karte vor, auf der zu lesen
sein wird: „Als Verlobte empfeh-
len sich: Agathe Thomasius —
Lerbert Wolf."
Diese Phantasie zu verwirk-
lichen, gehtLerbert Wolf zu Lerrn
Thomasius. Der sagt aber: „Ja,
das ist eine Sache, die mich nicht
viel angeht. Da müssen Sie sich
an meine Frau wenden. Agathe
ist nämlich nur meine Stief-
tochter, die Tochter aus der
ersten Ehe meiner Frau, die ich
als eine verwitwete Lamm ge-
heiratet habe."
Lerbert Wolf erschrickt. O,
wie müßte also die ersehnte
Karte aussehen? Agathe Lamm
— Lerbert Wolf! AnmöglichI
Die Witze, die dann seine Freunde
über den Wolf und das Lamm
machen würden!
Aber der Mensch soll die Loff-
nung nicht aufgeben. Lerbert
Wolf blickt den alten Lerrn, der
sich als Stiefvater entpuppt hat,
flehentlich an. „Verehrter Lerr
Thomasius — — könnten Sie
Fräulein Agathe nicht schnell
noch adoptieren?"
„Leut is mein Geburtstag,
und nicht ein einziges Blüm-
chen Hab ich bekommen, Lerr
Schmulke I"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Was schleifen Sie denn da alles mit zur Hochzeitsfeier?" "Heut ist mein Geburtstag..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4896, S. 340
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg