Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Zeichnung von M. Bauer

Äök Rudolf Schneider-Schelde

Ich bemerkte ihn eines Abends zum erstenmal,
als ich zum Fenster hinaussah und überlegte, ob ich
noch etwas arbeiten oder lieber ins Kaffeehaus gehen
sollte. Ich war fürs Kaffeehaus, als ich ihn erblickte.
Er saß in dem Laus mir gegenüber in einem Zim-
mer des zweiten Stockwerks in der Nähe des Fensters
an einem Tisch und schien etwas zu zählen. Ich
konnte nicht genau erkennen, was er machte, er hatte
nur eine kleine Lampe, und ein Vorhang verdeckte
ihn mir halb, aber er hatte irgendetwas in der
Land, ein Päckchen oder so etwas, und blätterte da-
von bedächtig zählend auf den Tisch. Ich sah ihm
eine ganze Weile zu, ich hatte ihn noch nie bemerkt,
er mußte erst eingezogen sein. Er war ein Mann
in meinem Alter; in einer Art Erleuchtung erkannte
ich, daß es Banknoten waren, die er zählte.

Es gab mir einen Ruck, als mir das bewußt
wurde. — Donnerwetter, dachte ich, dieser Mann
verdient. Offenbar zählte er seinen Tagesgewinn.
Etwas wie Neid beschlich mich, als ich an meine
Einnahmen dachte; mein Wunsch, ins Kaffeehaus zu
gehen, versank, ich setzte mich an meinen Schreibtisch
und fing zu arbeiten an.

Viele Abende, wenn ich unschlüssig und faul an
meinem Fenster herumlungerte und damit liebäugelte,
noch ein bißchen auszugehen, gab mir der Mann
gegenüber den Anstoß, daheim zu bleiben und tüchtig
zu arbeiten. Abend für Abend saß er an seinem
Tisch und zählte sein Geld. Er hatte immer ein
ordentliches Päckchen Noten in der Land und zählte
davon herunter. Es konnten keine großen Scheine
sein, die er hatte, es waren vielleicht bloß Zehner,
aber es waren sicherlich dreißig oder vierzig Stück,
die er im Durchschnitt in der Land hielt, und es
mußte schon ein tadelloses Geschäft sein, das ihm so
viel abwars, wenn auch vielleicht nicht alles Rein-
gewinn, sondern das Ganze die tägliche Rohein-
nahme war.

Ich hatte keine Ahnung, welchen Berus er aus-
übte, und zerbrach mir oft den Kopf darüber; ich
konnte mir kaum eine Tätigkeit vorstellen, die soviel
abwarf. Er mußte ein schwerreicher Mann sein, aber
jedenfalls wurde ich durch ihn veranlaßt, selber
tüchtig zu arbeiten; ich schrieb nun jeden Abend, es
wurde nach und nach immer mehr, und ich verdiente
ganz schön dabei.

Dann erfuhr ich durch einen Zufall und zu meiner
höchsten Ueberraschung, was er war, und auch seinen
Namen. Er war auch ein Schriftsteller. Es kam so,
eines Tages rief jemand bei mir an und wollte mich
sprechen, das heißt nicht mich eigentlich, sondern ihn,
das heißt, daß er es war, stellte sich erst nach einer
längeren holprigen Unterhaltung heraus, bei der zu-
letzt kein Zweifel blieb, daß dem geldzählenden Mann
mir gegenüber der Anruf galt. Ich legte zuletzt den
Lörer erschüttert auf das Telephon und griff mir
an den Kopf: es gab also Schriftsteller, die ihre
Abende damit verbrachten daß sie die Lonorare
nachzählten, die sie eingenommen halten, und zwar
konnten es Schriftsteller sein, deren Namen mir, als
einem Kollegen sozusagen, gänzlich unbekannt ge-
blieben waren. Was schrieb der Mann, daß es einen
solchen goldnen Dauerregen abwars? Ich hatte seinen
Namen nie gehört und nicht einmal von einem ähn-
lichen Namen in Verbindung mit berühmten Werken
vernommen.

358
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Pumpt ihm mal den leckeren Duft von Schnitzel mit rein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4897, S. 358

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen