o
Herz auf Rosen
Von Jo Lann« Röster
Manche Menschen find dümmer, als es die Polizei erlauben
dürfte. Eie scheinen bet Kitsch und Kerzen ausgewachsen. So einer
war auch Adolar.
Adolar dünkte fich ein Liebhaber von Rang. Der alte Don Juan
war ein Lund gegen ihn. Adolars Erfolg bei Frauen hätte sprich-
wörtlich werden müssen, hätte man ihm nur aufmerksam zugehört,
wenn er von seinen Erfolgen erzählte. Aber Erfolge bei Frauen find
so billig, lieben kann schließlich jeder, das braucht man gar nicht ge-
lernt zu haben. And so bekam Adolar bald ein reiches Sammel-
surium von Liebesabenteuern zusammen, denn oft weiß ein Mädchen
nicht, daß es nur geküßt wird, um gerade das Dutzend voll oder
das Schock rund zu machen. And die Mädchen ließen sich betören
und gaben kleine Geschenke, keine von Wert, aber warum sollten
sie sich keine Locke vom Laar schneiden, wenn Adolar sie so flehend
darum bat. And sie drehten die Locke mit einem bunten Band zu-
sammen, legten sie noch einmal an ihre Lippen und preßten sie an
ihr Lerz und sagten die alten Worte der Liebe dazu, wenn sie sie
Adolar in die zärtliche Land legten. So kam es, daß Adolar —
nicht tüchtiger, nicht schöner noch liebenswerter als wir anderen
Männer — über einen gan-
zen Schatz handgreiflicher
Erinnerungen verfügte und
einen wahren Berg von blon-
den, schwarzen, braunen, gol-
denen und roten Locken be-
saß. And jede war das Zei-
chen einer zärtlichen Stunde,
jede einzelne bedeutete einen
Kuß, eine Sehnsucht, eine
Erfüllung. And wenn man
genau hinhörte und sein Ohr
ganz dicht an sie legte, hörte
man noch ganz leise das Lerz-
klopfen aus ihnen. Glaubt
nicht, daS sei Dichterphanta-
sie, versucht es daheim nur
einmal selbst, meine Freunde I
Aber auch Adolar wurde
älter, auch ihm blieb es nicht
erspart, mehr den Erinne-
rungen zu leben, als neue
Abenteuer zu sammeln. And
er legte sich oft zu Stunden
schon nieder, die er früher
durchtanzt hatte. Da er aber
noch die Sehnsucht eines
Zwanzigjährigen im Lerzen
trug, auch wenn sie durch die
74
müden Augen nicht mehr herausschauen konnte, nahm er eines Tages
alle braunen und blonden und roten und schwarzen Locken der ge-
liebten Frauen und trug sie zu einem Matratzenmacher.
„Füllen Sie mir ein Kiffen damit," sagte er, „ein Kissen, auf
das ich meinen Kopf lege, wenn ich müde bin. Es sind teure Erin-
nerungen, Meister. Vergessen Sie dies nicht!"
Der Matrayenmacher nickte.
„Ja. Ja. Gut. Gut. Wird besorgt."
„Bis wann?"
„Kommen Sie in zwei Wochen wieder."
Kennt ihr die Werkstatt eines Matratzenmachers? Wie ungemüt-
lich sieht es da zwischen den gemütlichen Möbeln aus! Die bequemen
Federn liegen quer und kreuz, die wiegenden Matratzen stehen steif
an der Wand, spitze Nadeln und drahtiger Zwirn bedrohen dich von
allen Seiten. Auch Lobelspäne und Lederabfälle und graue Reste
von Gurten liegen herum. Wer kann es da den zarten Locken ver-
denken, daß sie sich hier nicht wohl fühlen, sondern ängstlich in einen
Winkel verkriechen, wo sie keiner mehr erspähen kann? So geschah
es auch mit AdolarS Liebes-
erinnerungen, sie waren ein-
fach verschwunden, der Mei-
ster suchte sie überall, auch
die Meisterin mußte mit-
suchen und bekam ihren An-
teil an Grobheiten, es blieb
eine vergebliche Liebesmühe.
Was blieb dem Matratzen-
macher zu tun übrig? Er
war nicht auf den Kopf ge-
fallen, und was er seiner
Kundschaft einmal verspro-
chen hatte, das hielt er,
mochte auch der Limmel
einstürzen und die Welt un-
tergehen. Verlorene Frauen-
haare aber sind noch lange
kein Weltuntergang. Cr lief
also zu einem befreundeten
Laarschneider, der einen
Damensalon und «ine Ra-
sierstube für Lerren hatte,
und brachte sein Anliegen
vor. „Ich brauche vier Pfund
Laare," sagte er, „so viel
schneidest du doch leicht in
der Woche deinen Kunden
herunter, Gevatter, sei so
„Was machst du denn so'n Gesicht, Peter? Das Wein-
chen hier ist doch ausgezeichnet I Das verkaufst du doch
blendend I" — „DaS ist es ja, ich Hab davon zu wenig!"
Herz auf Rosen
Von Jo Lann« Röster
Manche Menschen find dümmer, als es die Polizei erlauben
dürfte. Eie scheinen bet Kitsch und Kerzen ausgewachsen. So einer
war auch Adolar.
Adolar dünkte fich ein Liebhaber von Rang. Der alte Don Juan
war ein Lund gegen ihn. Adolars Erfolg bei Frauen hätte sprich-
wörtlich werden müssen, hätte man ihm nur aufmerksam zugehört,
wenn er von seinen Erfolgen erzählte. Aber Erfolge bei Frauen find
so billig, lieben kann schließlich jeder, das braucht man gar nicht ge-
lernt zu haben. And so bekam Adolar bald ein reiches Sammel-
surium von Liebesabenteuern zusammen, denn oft weiß ein Mädchen
nicht, daß es nur geküßt wird, um gerade das Dutzend voll oder
das Schock rund zu machen. And die Mädchen ließen sich betören
und gaben kleine Geschenke, keine von Wert, aber warum sollten
sie sich keine Locke vom Laar schneiden, wenn Adolar sie so flehend
darum bat. And sie drehten die Locke mit einem bunten Band zu-
sammen, legten sie noch einmal an ihre Lippen und preßten sie an
ihr Lerz und sagten die alten Worte der Liebe dazu, wenn sie sie
Adolar in die zärtliche Land legten. So kam es, daß Adolar —
nicht tüchtiger, nicht schöner noch liebenswerter als wir anderen
Männer — über einen gan-
zen Schatz handgreiflicher
Erinnerungen verfügte und
einen wahren Berg von blon-
den, schwarzen, braunen, gol-
denen und roten Locken be-
saß. And jede war das Zei-
chen einer zärtlichen Stunde,
jede einzelne bedeutete einen
Kuß, eine Sehnsucht, eine
Erfüllung. And wenn man
genau hinhörte und sein Ohr
ganz dicht an sie legte, hörte
man noch ganz leise das Lerz-
klopfen aus ihnen. Glaubt
nicht, daS sei Dichterphanta-
sie, versucht es daheim nur
einmal selbst, meine Freunde I
Aber auch Adolar wurde
älter, auch ihm blieb es nicht
erspart, mehr den Erinne-
rungen zu leben, als neue
Abenteuer zu sammeln. And
er legte sich oft zu Stunden
schon nieder, die er früher
durchtanzt hatte. Da er aber
noch die Sehnsucht eines
Zwanzigjährigen im Lerzen
trug, auch wenn sie durch die
74
müden Augen nicht mehr herausschauen konnte, nahm er eines Tages
alle braunen und blonden und roten und schwarzen Locken der ge-
liebten Frauen und trug sie zu einem Matratzenmacher.
„Füllen Sie mir ein Kiffen damit," sagte er, „ein Kissen, auf
das ich meinen Kopf lege, wenn ich müde bin. Es sind teure Erin-
nerungen, Meister. Vergessen Sie dies nicht!"
Der Matrayenmacher nickte.
„Ja. Ja. Gut. Gut. Wird besorgt."
„Bis wann?"
„Kommen Sie in zwei Wochen wieder."
Kennt ihr die Werkstatt eines Matratzenmachers? Wie ungemüt-
lich sieht es da zwischen den gemütlichen Möbeln aus! Die bequemen
Federn liegen quer und kreuz, die wiegenden Matratzen stehen steif
an der Wand, spitze Nadeln und drahtiger Zwirn bedrohen dich von
allen Seiten. Auch Lobelspäne und Lederabfälle und graue Reste
von Gurten liegen herum. Wer kann es da den zarten Locken ver-
denken, daß sie sich hier nicht wohl fühlen, sondern ängstlich in einen
Winkel verkriechen, wo sie keiner mehr erspähen kann? So geschah
es auch mit AdolarS Liebes-
erinnerungen, sie waren ein-
fach verschwunden, der Mei-
ster suchte sie überall, auch
die Meisterin mußte mit-
suchen und bekam ihren An-
teil an Grobheiten, es blieb
eine vergebliche Liebesmühe.
Was blieb dem Matratzen-
macher zu tun übrig? Er
war nicht auf den Kopf ge-
fallen, und was er seiner
Kundschaft einmal verspro-
chen hatte, das hielt er,
mochte auch der Limmel
einstürzen und die Welt un-
tergehen. Verlorene Frauen-
haare aber sind noch lange
kein Weltuntergang. Cr lief
also zu einem befreundeten
Laarschneider, der einen
Damensalon und «ine Ra-
sierstube für Lerren hatte,
und brachte sein Anliegen
vor. „Ich brauche vier Pfund
Laare," sagte er, „so viel
schneidest du doch leicht in
der Woche deinen Kunden
herunter, Gevatter, sei so
„Was machst du denn so'n Gesicht, Peter? Das Wein-
chen hier ist doch ausgezeichnet I Das verkaufst du doch
blendend I" — „DaS ist es ja, ich Hab davon zu wenig!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Was machst du denn so'n Gesicht, Peter?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4933, S. 74
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg