Begreiflich
Rudi soll mit der Tante ein vierhändiges Musikstück
auf dem Klavier vortragen.
„Spielst du lieber oben oder unten?" fragt die Tante.
„Lieber unten auf der Straße," antwortet Rudi.
Absicht
Dreimal ist das schon vorgekommen, als Direktor Stenzel
plötzlich verreisen mußte, und Betty, die gewandte Laus-
gehilfin, für seine Reiseutenfllien gesorgt hatte.
Leute ersucht Direktor Stenzel:
„Packen Sie meinen Landkoffer, Betty! Aber vergeffen
Sie nicht wieder absichtlich den Rasierapparat!"
„Absichtlich? O, Lerr Direktor-I"
„Ra, ich weiß doch, daß Ihr Bräutigam Barbier ist!"
Der junge Mann, der schon sechs Minuten in der
öffentlichen Fernsprechzelle steht, muß noch ein wichtiges,
nicht leicht abzubrechendes Gespräch führen, aber anderer-
seits schielt er immer wieder zu der netten jungen Dame
hinaus, die auch nicht ohne Interesse auf ihn sieht.
Der etwas aufgeregte Lerr, der seit drei Minuten
wartet, daß er an den Fernsprecher kann, erfaßt die
Situation.
„Ich hab's eilig. Bitte, Fräulein, tun Sie doch so, als
wollten Sie weggehn, dann wird der Lerr schon Schluß
machen."
Lleberführt
Es geht aus Mitternacht, als Laubold heimkehrt, aber
die Gattin ist noch auf; sie will noch schnell ein Löchlein in
einer von Laubolds Socken stopfen.
Der Faden ist da, die Radel ist da-aber wo ist
die Brille? „Emil, fädle doch mal den Wollsaden ein!"
verlangt Frau Laubold.
Eine Stopfnadel hat ein großes Oehr, aber dennoch —
— Laubold kriegt den Faden nicht hindurch; seine Lände
zittern zu sehr.
„Das Hab ich mir gedacht, Emil!" stellt die Gattin fest,
die jetzt auf einmal ihre Brille findet. „Trotz deines Ver-
sprechens hast du wieder mehr als zwei Glas getrunken."
„Es wäre ein Jammer, wenn jetzt Tauwetter käme."
„Ja. Aber Sie könnten ruhig ein bißchen auftauen, Otto!"
Der Backzahn
Vvn Olaf Ltn,
Felix hatte Zahnschmerzen. Ganz abgesehen davon, daß Zahn-
schmerzen scheußlich sind, war die Sache für Felix besonders verteufelt,
denn er war für Sonntag mit Trudchen zu einem Ausflug verab-
redet, — und heute war Freitag. Erst vor ein paar Tagen hatte er
sie kennengelernt. Sie war bezaubernd! Rach den ersten fünf Minu-
ten war er bis über beide Ohren in sie verknallt. Die schönsten Loff-
nungen blühten auf, wenn er an den kommenden Sonntag dachte, —
und nun dieser verdammte Zahn, der sich seit zwei Tagen wie toll
gebärdete. Felix war verzweifelt!
Angezählte Tabletten hatte er geschluckt, bis ihm Übel wurde.
Frau Maruffke, die freundliche Zimmerwirtin, hatte ihm nacheinander
Kamillen-, Lindenblüten- und Pfefferminztee zu trinken gegeben, hatte
ihm schließlich für die Nacht einen widerlich klitschigen Breiumschlag
auf die puckernde Stelle gelegt, — nichts half, der Zahn bohrte,—
bohrte, daß es Felix heiß und kalt wurde.
„Warum gehen Sie denn nicht zum Zahnarzt?" fragt« Frau
Maruffke endlich.
„Wegen solch einer Lappalie rennt man doch nicht gleich zum
Arzt," meinte er verächtlich. Aber die Wahrheit war: Felix hatte
Angst. Löllische Angst!
Am Sonnabend aber griff er verzweifelt und entschlossen zum
Lut und stürmte mit einer glühend heißen Backe, in der es wie in
einem Ahrwerk pochte, los, um einen Zahnarzt aufzusuchen.
Er musterte die Schilder neben den Lauseingängen. Zahnärzte
schienen vom Erdboden verschwunden zu sein, Lebammen und Tier-
ärzte gab es in Lülle und Fülle. — Da, endlich, neben einem Fleischer-
laden, unter einem Fähnchen: „Frische Blut- und Leberwurst"
leuchtete ihm ein Schild entgegen:
Dr. Lammerschlag, Zahnarzt.
Felix erschrak, zog den Kopf ein und ging weiter. Bald aber
sah er noch ein Schild:
Oswald Zeisig, Zahnarzt.
Lier ging er hinein. Ein reizendes Stubenmädel öffnete und
führte ihn, süß lächelnd, ins leere Wartezimmer. Er setzte sich auf
eine Stuhlkante, griff nach den Witzblättern, und starrte mit trauri-
gen Augen hinein. Aengstlich lauschte er auf Geräusche im Neben-
zimmer. Nur ab und zu hörte er das monotone Brubbeln einer
tiefen Männerstimme, — aber kein Schrei war zu vernehmen! Plötz-
lich — Felix wagte nicht zu atmen — war der Zahnschmerz weg.
Er saß regungslos. Tatsächlich, das Biest war ruhig. Zum ersten
Mal seit drei Tagen.
99
Rudi soll mit der Tante ein vierhändiges Musikstück
auf dem Klavier vortragen.
„Spielst du lieber oben oder unten?" fragt die Tante.
„Lieber unten auf der Straße," antwortet Rudi.
Absicht
Dreimal ist das schon vorgekommen, als Direktor Stenzel
plötzlich verreisen mußte, und Betty, die gewandte Laus-
gehilfin, für seine Reiseutenfllien gesorgt hatte.
Leute ersucht Direktor Stenzel:
„Packen Sie meinen Landkoffer, Betty! Aber vergeffen
Sie nicht wieder absichtlich den Rasierapparat!"
„Absichtlich? O, Lerr Direktor-I"
„Ra, ich weiß doch, daß Ihr Bräutigam Barbier ist!"
Der junge Mann, der schon sechs Minuten in der
öffentlichen Fernsprechzelle steht, muß noch ein wichtiges,
nicht leicht abzubrechendes Gespräch führen, aber anderer-
seits schielt er immer wieder zu der netten jungen Dame
hinaus, die auch nicht ohne Interesse auf ihn sieht.
Der etwas aufgeregte Lerr, der seit drei Minuten
wartet, daß er an den Fernsprecher kann, erfaßt die
Situation.
„Ich hab's eilig. Bitte, Fräulein, tun Sie doch so, als
wollten Sie weggehn, dann wird der Lerr schon Schluß
machen."
Lleberführt
Es geht aus Mitternacht, als Laubold heimkehrt, aber
die Gattin ist noch auf; sie will noch schnell ein Löchlein in
einer von Laubolds Socken stopfen.
Der Faden ist da, die Radel ist da-aber wo ist
die Brille? „Emil, fädle doch mal den Wollsaden ein!"
verlangt Frau Laubold.
Eine Stopfnadel hat ein großes Oehr, aber dennoch —
— Laubold kriegt den Faden nicht hindurch; seine Lände
zittern zu sehr.
„Das Hab ich mir gedacht, Emil!" stellt die Gattin fest,
die jetzt auf einmal ihre Brille findet. „Trotz deines Ver-
sprechens hast du wieder mehr als zwei Glas getrunken."
„Es wäre ein Jammer, wenn jetzt Tauwetter käme."
„Ja. Aber Sie könnten ruhig ein bißchen auftauen, Otto!"
Der Backzahn
Vvn Olaf Ltn,
Felix hatte Zahnschmerzen. Ganz abgesehen davon, daß Zahn-
schmerzen scheußlich sind, war die Sache für Felix besonders verteufelt,
denn er war für Sonntag mit Trudchen zu einem Ausflug verab-
redet, — und heute war Freitag. Erst vor ein paar Tagen hatte er
sie kennengelernt. Sie war bezaubernd! Rach den ersten fünf Minu-
ten war er bis über beide Ohren in sie verknallt. Die schönsten Loff-
nungen blühten auf, wenn er an den kommenden Sonntag dachte, —
und nun dieser verdammte Zahn, der sich seit zwei Tagen wie toll
gebärdete. Felix war verzweifelt!
Angezählte Tabletten hatte er geschluckt, bis ihm Übel wurde.
Frau Maruffke, die freundliche Zimmerwirtin, hatte ihm nacheinander
Kamillen-, Lindenblüten- und Pfefferminztee zu trinken gegeben, hatte
ihm schließlich für die Nacht einen widerlich klitschigen Breiumschlag
auf die puckernde Stelle gelegt, — nichts half, der Zahn bohrte,—
bohrte, daß es Felix heiß und kalt wurde.
„Warum gehen Sie denn nicht zum Zahnarzt?" fragt« Frau
Maruffke endlich.
„Wegen solch einer Lappalie rennt man doch nicht gleich zum
Arzt," meinte er verächtlich. Aber die Wahrheit war: Felix hatte
Angst. Löllische Angst!
Am Sonnabend aber griff er verzweifelt und entschlossen zum
Lut und stürmte mit einer glühend heißen Backe, in der es wie in
einem Ahrwerk pochte, los, um einen Zahnarzt aufzusuchen.
Er musterte die Schilder neben den Lauseingängen. Zahnärzte
schienen vom Erdboden verschwunden zu sein, Lebammen und Tier-
ärzte gab es in Lülle und Fülle. — Da, endlich, neben einem Fleischer-
laden, unter einem Fähnchen: „Frische Blut- und Leberwurst"
leuchtete ihm ein Schild entgegen:
Dr. Lammerschlag, Zahnarzt.
Felix erschrak, zog den Kopf ein und ging weiter. Bald aber
sah er noch ein Schild:
Oswald Zeisig, Zahnarzt.
Lier ging er hinein. Ein reizendes Stubenmädel öffnete und
führte ihn, süß lächelnd, ins leere Wartezimmer. Er setzte sich auf
eine Stuhlkante, griff nach den Witzblättern, und starrte mit trauri-
gen Augen hinein. Aengstlich lauschte er auf Geräusche im Neben-
zimmer. Nur ab und zu hörte er das monotone Brubbeln einer
tiefen Männerstimme, — aber kein Schrei war zu vernehmen! Plötz-
lich — Felix wagte nicht zu atmen — war der Zahnschmerz weg.
Er saß regungslos. Tatsächlich, das Biest war ruhig. Zum ersten
Mal seit drei Tagen.
99
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Es wäre ein Jammer, wenn jetzt Tauwetter käme."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4935, S. 99
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg